Warum wir reden müssen

Die Beziehung zwischen Verlagen und Abonnenten ist in einer schwierigen Phase.

Wenn in einer langjährigen Beziehung einer der Partner eines Abends das Gespräch mit der Formulierung „Wir müssen reden“ eröffnet, bedeutet das in der Regel nichts Gutes. Gut möglich, dass nach den eher allgemeinen Aufwärmphrasen über die Chancen und Herausforderungen langjähriger Beziehungen ungefähr dieser Dialog entsteht: „Du hast über all die Jahre nie bemerkt und auch nie honoriert, was ich alles an unbezahlter Arbeit geleistet habe.“ „Natürlich habe ich es bemerkt, und meine Wertschätzung dafür war Teil unserer funktionierenden Beziehung.“ „Stell dir doch mal vor, was es dich gekostet hätte, wenn wir diese Leistungen hätten zukaufen müssen.“ „Ich weiß das, aber ich finde es nicht in Ordnung, dass du nach so vielen Jahren eine Leistung in Geld messen möchtest, von der wir doch beide immer dachten, sie sei ein selbstverständlicher Teil unseres Zusammenseins.“

Der Dialog entspricht ziemlich genau dem Gespräch, das jetzt zwischen Zeitungen und ihren Abonnenten einsetzt. Auch die Zeitungen sagen ihren Leserinnen und Lesern gerade: „Wir müssen reden.“ Darüber, dass die Leser es über viele Jahre als Selbstverständlichkeit empfunden haben, all die Inhalte, für deren Erstellung die Zeitungsverleger viel Geld ausgegeben haben, im Netz gratis zu konsumieren. Sie wollen das jetzt honoriert haben, und die Form der Wertschätzung, die sie sich erwarten, ist Geld.

Wird die Beziehung eine solche Zumutung aushalten? Die Verleger sind in einer ziemlich schlechten Position, denn die Drohung, die Beziehung zu beenden, wenn sich das Verhalten des Partners nicht ändere, wird in diesem Fall kaum etwas bewirken. Auch andere Zeitungen haben schöne Onlinedienste, und so verliebt ist der Leser in seine Zeitung auch wieder nicht, dass er ohne sie nicht mehr leben könnte.

Möglicherweise ist die gemeinsame Lehre aus beiden Geschichten, dass ein großes Ausmaß an zusätzlichen Leistungen, die außerhalb der Beziehung nur für Geld zu haben wäre, in formellen Beziehungen eher selbstverständlich ist als in losen. Also. Entweder man sagt „Danke, das war's“ und sucht sich eine neue Beziehung, in die man selbst nicht allzu viel investieren muss, oder man macht Ernst und stellt die Beziehung auf Dauer.

Vielleicht sieht so die Zukunft aus: Feste Beziehungen, die wir in unserem Geschäft „Abonnements“ nennen, beinhalten jede neue Leistung, die der Partner aus Liebe, aus Interesse oder aus Eigennutz erbringt, und diese muss nicht mehr groß thematisiert oder gar bezahlt werden. Wer sich einmal auf eine Medienmarke eingelassen hat, ist bei allem, was diese Markenpersönlichkeit an neuen Verhaltensweisen (z.B. Vertriebswegen) und Aktivitäten (z.B. neuen Produkten wie Magazinen oder mobilen Applikationen) entwickelt, automatisch dabei. Und kann sich darauf verlassen, dass der Partner dasselbe Angebot nicht auch anderen macht, die nicht bereit waren, sich fest zu binden.

Würden Sie es mit uns versuchen wollen?

E-Mail: michael.fleischhacker@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2011)

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