Der Paranoiker im Kreml

Russlands Premier Putin vermutet die USA hinter den Protesten in Moskau.

Die alten Silowiki-Reflexe, sind noch intakt: Der frühere Geheimagent („Silowik“) Wladimir Putin ist der Meinung, US-Außenministerin Hillary Clinton habe mit ihrer Kritik an der Wahl das „Startsignal“ für die Proteste nach den Duma-Wahlen gegeben.

Die Demonstranten hätten „dieses Signal erhalten und dann mit Unterstützung des US-Außenministeriums die aktive Arbeit angefangen“, die russische Wahl sei zudem mit hunderten Millionen Dollar beeinflusst worden.

Putins Nachwahl-Paranoia ist ein weiteres Zeichen, dass der Mann längst den Blick auf die Realitäten in seinem Land verloren hat. Viele Russen haben Korruption, Klüngelei und die autoritären Strukturen im Land eben satt, es bedarf keiner Zurufe aus Washington, um die Menschen auf die Straße zu treiben – noch dazu im russischen Winter.

Interessant ist die Reaktion von Putins Weggefährten (oder ist er seine Marionette?), Präsident Medwedjew: Die Proteste gegen den Verlauf der Wahl seien nichts Außergewöhnliches, sagte er, sondern „Ausdruck der Demokratie“. Einer Demokratie übrigens, in der seit Beginn der Proteste mehr als 1000 Demonstranten festgenommen worden sind.

thomas.seifert@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2011)

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