Hart und weich zugleich: Der Außenwert des Euro

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Die Europawährung hat in ihrem ersten Lebensjahrzehnt heftig geschwankt. Für den Durchschnittskonsumenten bedeutet das wenig. Der Außenwert einer Währung spielt zumindest für den Einzelnen keine besondere Rolle.

Wien. Was ist der Euro eigentlich wert? Eine gute Frage. Amerikaner würden sagen: eine blöde. Den dort würde die Frage nach dem Wert des Dollars mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit zuerst zu Stirnrunzeln und dann zur Antwort „Genau einen Dollar“ führen. In gewachsenen großen Volkswirtschaften spielt der Außenwert einer Währung zumindest für den Einzelnen eben keine besondere Rolle. Außer natürlich, er ist Außenhändler oder außerhalb seiner Währungszone als Tourist unterwegs.

Die Eurozone ist zwar ein großer, aber noch kein zusammengewachsener Wirtschaftsraum. Deshalb bemessen wir den Wert des Euro auch vordergründig nicht an seiner Binnenkaufkraft, sondern an seinem Außenwert. Der freilich für den Durchschnittskonsumenten ziemlich irrelevant ist.

Mit zwei großen Ausnahmen: Der Außenwert zum Schweizer Franken trifft zehntausende Österreicher die sich zur Immobilienfinanzierung eine Devisenterminspekulation einreden haben lassen und sich in Franken verschuldet haben.

Und der Außenwert zum US-Dollar ist für praktisch jeden relevant, weil es der Euro in seinem ersten Lebensjahrzehnt als „echte“ Währung noch nicht geschafft hat, den Dollar als Welthandelswährung abzulösen. Wichtige Güter, etwa Rohöl, werden in Dollar gehandelt. Was dazu führt, dass sich Kursschwankungen auf dem Devisenmarkt zeitnah in Preisschwankungen an der Tankstelle niederschlagen.

Hart oder weich – das ist die Frage

Ein Blick auf die Entwicklung der beiden einzigen für den Durchschnittsösterreicher relevanten Währungen – Franken und Dollar – zeigt wunderbar das Hauptdilemma bei der Betrachtung des Außenwerts einer Währung: Die Frage „ist der Euro hart oder weich“ impliziert die Gegenfrage: „Gegenüber wem?“ Gegenüber dem Dollar, aber auch gegenüber dem britischen Pfund hat die Europa-Währung seit der Bargeldeinführung vor zehn Jahren beträchtlich zugelegt (siehe Grafik). Gegenüber dem Schweizer Franken aber auch gegenüber dem (für den Durchschnittskonsumenten freilich ziemlich irrelevanten) japanischen Yen ist sie bedeutend schwächer geworden.

Wer sich die Schwankungsbreite ansieht, in der Währungen innerhalb von zehn Jahren fluktuieren, der sieht jedenfalls, dass 20-jährige Hausfinanzierungen mit Fremdwährungen reiner Hasard sind. Ein Amerikaner, der sich beispielsweise 2002 in Euro verschuldet hätte, würde heute allein wegen des Wertverlusts des Dollars auf einer um 50Prozent gestiegenen Kreditschuld sitzen. So gesehen sind die heimischen Frankenkreditnehmer bisher ohnehin mit einem blauen Auge davon gekommen.

Umgekehrt hätte sich ein Eurozonen-Bewohner mit Dollarkredit ein Drittel seines Kredits vom Devisenmarkt finanzieren lassen. Das ist eben Glücksache. Denn wirklich prognostizierbar ist der Devisenmarkt nicht. Wer das nicht glaubt, der Suche mittels der Suchmaschine seiner Wahl nach „Alpbacher Währungsprognose“ und vergleiche die regelmäßigen Voraussagen der heimischen Devisenexperten mit der dann tatsächlich eingetretenen Realität.

Stark zum Dollar, schwach zum Franken

Gegenüber dem Dollar ist der Euro also stark. Er war zwar schon härter, der Kurs liegt aber derzeit trotz Euro-Schuldenkrise recht deutlich über dem seit der Euro-Einführung erzielten Durchschnittskurs. Sollen wir darauf stolz sein?

Dazu ein Hinweis: Die Schweizer Notenbank versucht gerade verzweifelt und mit hohem Einsatz, den hoch geschossenen Kurs des Franken gegenüber dem Euro zu drücken. Koste es, was es wolle. Denn ein hoher Währungsaußenwert mag die Patriotenbrust schwellen lassen, die Exporteure bringt er aber eher ins Schwitzen. Eine starke Währung macht die produzierten Waren auf den Exportmärkten teurer. Und verschlechtert damit die Konkurrenzposition der Unternehmen. Das ist der Grund, warum Notenbanken entschieden öfter zur Schwächung einer Währung in den Markt reiten als zu deren Stärkung.

Für die Industrie der Eurozone ist der Euro gegenüber der wichtigsten Welthandelswährung derzeit also eher zu stark als zu schwach. Wobei der Außenwert, wie schon erwähnt, in großen Volkswirtschaften, in denen der Binnenhandel den Export deutlich übersteigt, kein wirklich gravierendes Problem ist. Wohl aber für relativ kleine Währungszonen: Wenn die Schweiz etwa einen sehr großen Anteil ihres Exportgeschäfts in den umliegenden Euroländern macht, dann ist ein zu starkes Ansteigen der eigenen Währung existenzbedrohend.

Billiger Urlaub, teurer Export

Anders sehen das naturgemäß Touristen: Wer 2002, als man für einen Euro nicht einmal 90 US-Cent bekam, in den USA geurlaubt hat, der weiß den jetzigen Dollarkurs von rund 1,30 so richtig zu schätzen. Und wer beim Franken-Spitzenkurs von nahezu eins zu eins zum Euro in die Schweiz gereist ist, der hat eine neue Vorstellung vom Begriff „teuer“ bekommen.

Ein Großteil der EU-Touristen bleibt aber ohnehin in der Eurozone. Und der überwiegende Teil der Exporte der Euroländer ist in Wirklichkeit Binnenhandel. Die Frage nach dem Außenwert ist für den Durchschnittsbürger also nur noch so lange relevant, wie der Welthandel zu großem Teilen auf Dollarbasis funktioniert. So richtig geschafft hat es die Europawährung aber erst, wenn auch hierzulande die Frage nach dem Wert des Euro zur Antwort „Genau einen Euro, was sonst?“ führt.

Grafik: Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2011)

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