Fall Estibaliz C.: "Ärztin reagierte in Panik"

Estibaliz C. bei einem Gerichtstermin vergangenen Sommer.
Estibaliz C. bei einem Gerichtstermin vergangenen Sommer.(c) APA/ROBERT JAEGER (Robert Jaeger)
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Der mordverdächtigen Estibaliz C. hätte ihr Baby nicht gleich weggenommen werden sollen, sagt der Jugendamts-Leiter. Die Obsorge hat nun der Kindsvater.

Wien. Seit heute, Freitag, ist die des zweifachen Mordes verdächtige Estibaliz C. wieder in der Justizanstalt Josefstadt. Ihren Sohn, der im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital (KFJ) in der Nacht auf Mittwoch per Kaiserschnitt zur Welt kam, hat sie immer noch nicht gesehen. Unmittelbar nach der Geburt wurde ihr das Baby abgenommen - und nicht mehr gebracht. Ein Vorgehen, für das das Wiener Jugendamt (MA 11), das die Kindesabnahme wegen „Gefahr im Verzug" veranlasst hat, nun in der Kritik steht.

Dass die Verdächtige - sie soll zwei Ex-Partner ermordet, zerstückelt und einbetoniert haben - ihren Sohn gar nicht sehen durfte, sei nicht die Intention des Jugendamts gewesen, sagt der Leiter der MA 11, Johannes Köhler. „Wir hätten nichts dagegen gehabt, wenn sie das Kind in Händen hält", so Köhler im Gespräch mit der „Presse". Die diensthabende Ärztin habe „in Panik reagiert und hat das Kind von sich aus weggebracht".

Er wolle der Ärztin keinen Vorwurf machen, sagt Köhler, „aber das Jugendamt hat das Kind der Mutter nicht entrissen". Die MA 11 habe dem Spital im Vorfeld lediglich - wie in derartigen Fällen üblich - per Fax mitgeteilt, dass sie nach der Geburt zu verständigen sei. Davon, dass das Baby der Mutter nicht „ausgehändigt" (wie es im Beamtendeutsch heißt) werden darf, sei keine Rede gewesen.

Im Krankenanstaltenverbund, zu dem das KFJ gehört, relativiert man: Jedes Baby, das per Kaiserschnitt auf die Welt kommt, werde gleich nach der Geburt in das 20 Minuten entfernte Preyer'sche Kinderspital zur Untersuchung gebracht. „Danach durften wir das Kind aufgrund des Schreibens der MA 11 nicht mehr weitergeben", so eine Sprecherin. Jugendamtschef Köhler widerspricht: Üblicherweise dürfen Kinder - unter ständiger Überwachung - so lange bei der Mutter bleiben, bis diese aus dem Spital entlassen wird. Als Konsequenz dieses Missverständnisses, so Köhler, wolle man in Zukunft in derartigen Schreiben an Spitäler explizit vermerken, ob das Kind der Mutter ausgehändigt werden darf oder (wie im Fall von psychisch schwer kranken Müttern) nicht. Rückgängig habe man die sofortige Trennung nicht mehr machen können, so Köhler. Die Staatsanwältin habe das unterbunden.

Dass sich das Jugendamt - konkret: zwei Sozialarbeiterinnen - überhaupt für eine Kindsabnahme entschieden habe, sei der richtige Schritt gewesen. „Immerhin ist die Frau verdächtig, zwei Morde begangen zu haben", sagt Köhler. „Es gibt noch kein psychiatrisches Gutachten. Wer sagt, dass sie keine psychische Störung hat und dem Kind nicht etwas antut?" Letzteres könne man trotz Überwachung in der Haft nicht ausschließen, „sonst gebe es ja auch keine Selbstmorde in Gefängnissen".

Für den Anwalt der Verdächtigen, Rudolf Mayer, hat das Jugendamt dennoch „eine Zwangsmaßnahme ohne Rechtsgrundlage" gesetzt, wie er der APA sagt. Er habe bereits eine Beschwerde beim Pflegschaftsgericht eingebracht. Denn einverstanden mit der Abnahme, über die sie im Vorfeld informiert wurde, war die 32-Jährige keineswegs, sagt auch Jugendamtschef Köhler.

Besuche in U-Haft möglich

Die Obsorge für den Buben wird der Kindsvater Roland R. bekommen: Nach Angaben des Jugendamts darf er das Kind mit nach Hause nehmen, sobald es aus medizinischer Sicht aus dem Spital entlassen werden kann.

Damit kann Roland R. die Verdächtige - die beiden wollen demnächst auch standesamtlich heiraten - gemeinsam mit dem Sohn im Rahmen seiner Besuchsbewilligung in der U-Haft besuchen - und zwar maximal zwei Mal in der Woche für jeweils eine halbe Stunde. Berühren wird Estibaliz C. ihr Kind dabei wohl vorerst nicht können. „Denn in der Regel sind die Besucher während der U-Haft von einer Glaswand getrennt", sagt der stellvertretende Leiter der Vollzugsdirektion Peter Prechtl.

Doppelter Mordverdacht

Estibaliz C. steht im Verdacht, zunächst ihren Ex-Mann und später ihren Ex-Liebhaber getötet, zerstückelt und die Leichenteile im Keller ihres Eissalons "Schleckeria" in Wien-Meidling einbetoniert zu haben. Als die Toten Anfang Juni zufällig gefunden wurden, setzte sich die gebürtige Spanierin kurzzeitig nach Italien ab und wurde in Udine festgenommen. Wann die Staatsanwaltschaft ihre Mordanklage einbringen wird, ist noch offen. Es seien noch nicht sämtliche Gutachten eingelangt, hieß es.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14. Jänner 2012)

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