Mala Strana: Bordell, Kino, Boxring, Theater – und offene Zukunft

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Theater am Mittersteig könnte einen neuen Mieter finden. Im Bezirk will man den Einzug eines Supermarkts verhindern. Der Eigentümer Conwert Immobilien weist Spekulationen zurück.

Wien. Eine lila gestrichene Fassade, ein goldfarbener Schriftzug: Mala Strana. Hinter dem großen Eingangstor hat die Boxlegende Hans Orsolics trainiert, Rainhard Fendrich hat hier der Legende nach seinen ersten Auftritt gehabt. Keine Frage, das Mittersteig-Theater auf der Wieden, besser bekannt als Mala Strana, hat eine abwechslungsreiche Geschichte.

Doch das war einmal. Seit mehr als zehn Jahren steht das Theater im Untergeschoß des Hauses Mittersteig 15 leer. Nun kursieren – wieder einmal – Gerüchte. Ein Mieter soll gefunden worden sein. Einer, der nicht gerade auf viel Gegenliebe stoßen würde: Das Gespenst über die Supermarktkette, die ins Mala Strana einziehen und die historische Architektur des Saals zerstören könnte, wird kolportiert. Im Internet macht die Initiative „Platz da!?“ in Blogs und via Facebook gegen den Einzug eines Handelsriesen mobil. „Es ist etwas im Busch“, sagt auch die stellvertretende Bezirksvorsteherin Barbara Neuroth (Grüne). „Wir wollen definitiv keinen Supermarkt in dem historischen Saal.“

Der Eigentümer Conwert Immobilien weist Spekulationen zurück. „Eine Supermarktkette wird nicht einziehen“, sagt Sprecher Clemens Billek. Mehr könne er aufgrund der Gespräche nicht sagen. Es sei denkbar, dass „in den nächsten Monaten“ ein neuer Mieter einzieht. Zu welcher Branche dieser gehören könnte, verrät er nicht. Fest steht aber, dass Conwert eine Widmung „Geschäft“ für das Mala Strana hat, eine gewerbliche Nutzung wäre denkbar. Da das Theater nicht unter Denkmalschutz steht, wäre auch ein radikaler Umbau möglich.

Dagegen würde der Bezirk aber kämpfen, kündigt Vizebezirkschefin Neuroth an. Schon vor Monaten haben die Grünen einen Resolutionsantrag eingebracht, der mit Ausnahme der ÖVP von allen Parteien angenommen wurde. Eine Absicherung, mit der der Bezirk, der bei bau- und gewerberechtlichen Verhandlungen zugezogen würde, für den Erhalt des Saales kämpfen will. Von der Stadt gibt es keine Unterstützung. Im Büro von Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SP) hält man das Mittersteig-Theater für „charmant und schön“ und würde sich eine kulturelle Nutzung wünschen. Allein: Es scheitert an der „enormen Summe“, die Wien in die Hand nehmen müsste.

Ideen gäbe es, um das Grätzel im vierten Bezirk zu beleben. 2010 haben Studenten Nutzungen für das Mala Strana entwickelt – von Jazzlokal bis Büro. Zuletzt wurde das Mittersteig-Theater Mitte der 1990er vom Künstler Markus Kupferblum reaktiviert und mit der Oper „La Traviata“ bespielt. Als die Subventionen gestrichen wurden, musste er schließen. Ein echtes Theater war das 1910 errichtete Mala Strana ohnehin nicht lange: In der Nachkriegszeit wurde es zum Bordell für Alliierte umfunktioniert, später war es ein Kino, bis Orsolics in den 1970ern ein Trainingszentrum aufzog. Danach diente es abwechselnd als Konzertlocation, Boxring und Theater.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2012)

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