Die Regierung lässt die Studenten im Stich

ÖVP und SPÖ halten an der sinnfreien Studiengebührendebatte fest. Und nehmen damit in Kauf, Unis und Studierende in einen rechtsfreien Raum zu manövrieren.

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann hat es in nur zwei Sätzen auf den Punkt gebracht: In der Öffentlichkeit sei zuletzt der Eindruck „entstanden, die Finanzierung der Universitäten hinge essenziell von den Studiengebühren ab. Das tut sie nicht“, argumentiert Liessmann im (lesenswerten) Streitgespräch mit Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle im deutschen Wochenmagazin „Die Zeit“. Liessmanns Aussage ist so banal wie richtig. Tatsächlich könnten mit dem Semesterbeitrag in der Höhe von 363,36 Euro vielleicht einige Langzeitstudenten zum rascheren Abschluss des Studiums gedrängt werden. Wirklich reformiert und leistungsfähiger gestaltet werden können die Unis damit nicht. Dafür gibt es andere, bessere Steuerungsinstrumente.

Die Argumente, die Befürworter und Gegner von Gebühren einander ausrichten, sind ebenso altbekannt wie wenig überzeugend. Und werden durch ständiges Wiederholen auch nicht richtiger. Befürworter führen ins Treffen, dass nur etwas, was auch etwas kostet, etwas wert sei. Eine Aussage, die gut klingt, in Wahrheit aber ohne Substanz ist. Die Gegner wiederum argumentieren mit der sozialen Selektion, die durch Studiengebühren verstärkt werde. Es ist davon auszugehen, dass es Studien gibt, die das belegen. Wie auch Studien, die das Gegenteil besagen.


Alles in allem ist die Auseinandersetzung über die Studiengebühren damit mittlerweile so hohl, dass es wohl das Beste wäre, sie künftig aus jeder ernst zu nehmenden Debatte über nachhaltige Uni-Finanzierung zu verbannen. Nur das würde ihrer (fehlenden) Bedeutung gerecht.

Leider ist die Sache so einfach nicht. Denn wie die Regierung in Sachen Studiengebühren verfährt, ist vor allem ein Sinnbild dafür, welchen Stellenwert die Studierenden und deren Bedürfnisse für sie haben. Bis heute wird in der österreichischen Politik zwar viel über, aber wenig mit den Studierenden gesprochen. Seit der VfGH die geltende Studiengebührenregelung aufgehoben hat, fand es die Koalition nicht der Mühe wert, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, auf den Unis und Studierende vertrauen können. Während sich der Kanzler dabei gefällt, die Unis davor zu warnen, Studiengebühren einzuheben (und ihnen suggeriert, damit Klagen in Kauf zu nehmen), lädt der Wissenschaftsminister die Unis zeitgleich dazu ein, genau das zu tun. Ob sich Faymann und Töchterle der Tatsache bewusst sind, dass sie in derselben Regierung sitzen, ist nicht überliefert.

Dass der Wissenschaftsminister in den vergangenen Monaten ein eigenes, praktikables Konzept für Gebühren vorgelegt hat, mag erwähnt sein. Besondere Anerkennung muss man ihm dafür aber nicht zollen – zählen Tätigkeiten wie diese doch eigentlich zu seinem Jobprofil. Auch die SPÖ dürfte durchaus mehr Ideen für neue – natürlich sozial verträgliche – Studiengebühren haben, als sie aus Rücksicht auf Ideologie und Parteijugend bisher vermeldet hat. Dass lediglich die wenig glorreiche Idee der Akademikersteuer der Kärntner SPÖ bisher das Licht der Welt erblickt hat, ist schade.

Den Uni-Rektoren die Entscheidung in der Gebührenfrage – im Sinn der Uni-Autonomie – selbst zu überlassen, ist an sich keine schlechte Idee. Der Staat könnte dabei etwa nur einen Höchstbetrag oder zu befreiende Gruppen definieren, der Rest obläge den Unis. Allein: Mit echter Autonomie – also freier Entscheidungsgewalt im Rahmen der Gesetze – hat die derzeitige Situation wenig zu tun. (Auch wenn der Minister versucht, wider besseres Wissen das Gegenteil zu suggerieren.) Er und sein SPÖ-Gegenüber haben es lediglich geschafft, die Universitäten und damit die Studenten mit konsequenter Nichtpolitik in einen rechtsfreien Raum zu manövrieren: Die Rektoren wissen nicht, ob sie mit der Einführung der Gebühren gegen das Gesetz verstoßen – und können das auf diese Weise lukrierte Geld aus Angst vor Rückforderungen somit ohnehin nicht nachhaltig investieren.

Die Studenten werden mit der Frage, ob ihnen zu Recht oder Unrecht Studiengebühren abverlangt werden, überhaupt alleingelassen. Wer die Antwort wissen will, muss klagen. Eine nachhaltige und vertrauensvolle Hochschulpolitik sieht anders aus.

E-Mails an: christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2012)

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