Daumenhalten für das „Griechenland der Lüfte“

Die Kosten des fliegenden Personals der AUA steigen jährlich automatisch um knapp sieben Prozent. Die Ticketpreise nicht. So etwas nennt man ein Dilemma.

Als die Austrian Airlines am 31. März des Jahres 2008 ihren 50. Geburtstag feierten, war die Welt in bester Ordnung. Die wirtschaftliche Lage der staatlichen Fluglinie war zwar schon damals ziemlich miserabel, aber davon ließen sich die Festgäste nicht die Laune verderben. Zu Recht, schließlich hatte die AUA-Führung ja kurz vor dem runden Geburtstag erklärt, dass das Unternehmen zwar noch jede Menge Schulden habe, nun aber endlich saniert sei.

Die Festredner zeigten sich denn auch in Bestform und jubelten die AUA zum „Botschafter Österreichs in der ganzen Welt“ hoch und machten sie zur „Visitenkarte“ des Landes. Der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ließ es sich nicht nehmen, in einer Grußbotschaft die internationale Bedeutung des Staatsbetriebs zu unterstreichen: „Wenn Manager wissen wollen, in welchen Ländern künftig die Post abgeht, studieren sie die Flugpläne der AUA.“

Nun ja, geflogen sind die Manager dann wohl doch mit jemand anderem. Denn keine zwei Monate später waren die Austrian Airlines wirtschaftlich am Ende, sie brauchten dringend einen finanzstarken Partner. Auch wenn das die Eigentümervertreter nicht glauben konnten. Die SPÖ grummelte etwas von der „Verscherbelung heimischen Familiensilbers“; der damalige Verkehrsminister Werner Faymann meinte trotzig: „Die AUA muss österreichisch bleiben.“ Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) wiederum beschwor die Unabhängigkeit einer Fluglinie, die schon längst nach der Pfeife ihrer Geldgeber zu tanzen hatte. Was angesehene Manager heimischer Privatunternehmen nicht daran hinderte, vom Staat(!) die Sicherung der „rot-weiß-roten“ Heckflosse einzufordern, weil sie um bequeme Direktverbindungen ins osteuropäische Ausland fürchteten.

Heute darf man sich freilich fragen, welcher Teufel die Lufthansa-Führung geritten haben mag, sich dieses „Juwel“ aus dem österreichischen Familienschatz umhängen zu lassen. Der deutschen Fluglinie wurde mit den Austrian Airlines nämlich ein Luftfahrtunternehmen angedreht, das selbst in wirtschaftlich hervorragenden Zeiten nicht überlebensfähig war und auch heute noch nicht ist.

Im Gegenteil: Die AUA ist so etwas wie das fliegende Griechenland. Ein Unternehmen, das mit einem Kollektivvertrag durch die Weltgeschichte kurvt, der in den 50ern des vergangenen Jahrhunderts ausgehandelt wurde. Mit vergleichsweise eigenartigen Bedingungen: Werden Piloten gekündigt, müssen zuerst die Jüngeren (günstigen) ran. Kommen ältere Kapitäne an die Reihe, stehen diesen 39Monatsgehälter Abfertigung zu. Werden Flugpläne geändert, ist vorher die Zustimmung der Belegschaft einzuholen, weshalb die AUA auch nicht die Passagiere der insolventen ungarischen Malev übernehmen konnte. Das hat die flexible Ryanair für sie erledigt.

Fliegen Kapitäne bei der Konkurrenz 900 Stunden im Jahr, sind es bei der AUA 730 Stunden. Dafür zahlen die Österreicher mit bis zu 15.000 Euro brutto im Monat (Maximalgehalt) vergleichsweise gut. Im Schnitt verdient ein Pilot bei der AUA 10.200 Euro brutto, bei der Schwester Tyrolean sind es 7000 Euro.


Der Belegschaft wird die Inflation automatisch abgegolten, das fliegende Personal kommt in den Genuss von jährlichen Gehaltsvorrückungen, die Kollegen auf dem Boden müssen ein Jahr länger warten. Für Piloten mit Altverträgen gibt es bis zu 42 Tage Urlaub und maximal 39 Monatsgehälter Abfertigung. Noch vor jeder KV-Verhandlung mit den Gewerkschaften erhöhen sich die Personalkosten der AUA aufgrund vieler Automatismen um fast sieben Prozent. Womit sich jede Kostensenkung ad absurdum führt. So hat die AUA-Führung vor drei Jahren den Mitarbeiterstand um ein Fünftel gekürzt – um heuer wieder bei denselben Personalkosten anzukommen wie vor der Kündigungswelle.

Um zu glauben, dass sich das alles bei halbierten Ticketpreisen und steigenden Kerosinpreisen ausgehen kann, muss man der Illusion verfallen sein, dass die Gehälter der AUA-Belegschaft schon irgendjemand bezahlt. Wenn schon nicht die Kundschaft, dann eben die Mutter Lufthansa. Da bleibt nur zu hoffen, dass das AUA-Bordpersonal noch rechtzeitig aufwacht. Sonst wird das Unternehmen seinen 54.Geburtstag nicht erleben – und das wäre schade.

E-Mails an: franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2012)

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