Wenn Monarchen Revolten finanzieren

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Symbolbild(c) AP (Nasser Nasser)
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Saudiarabien und Katar nützen die Umbrüche im arabischen Raum, um ihren Einfluss zu vergrößern. In Syrien führen sie einen Stellvertreterkrieg gegen das schiitische Regime in Teheran.

Sergej Lawrow zeigte sich alles andere als erfreut: Der russische Außenminister übte am Montag heftige Kritik am Treffen der „Freunde Syriens“ in Istanbul. Dort hatten 83 Staaten und Organisationen beraten, wie Syriens Opposition gestärkt und das Regime zur Umsetzung des Friedensplans von Sondervermittler Kofi Annan gebracht werden könnte. Besonders empört zeigte sich Moskau darüber, dass in Istanbul auch über eine Bewaffnung der syrischen Aufständischen gesprochen wurde. Dieser Vorschlag war dort zwar nicht mehrheitsfähig, da die USA und die Europäer davon nichts wissen wollen. Doch die Golfmonarchien drängen immer vehementer auf eine Aufrüstung der Rebellen.

In Istanbul zirkulierte in US-Kreisen, dass die Golfmonarchien den Sold für die Offiziere der „Freien Syrischen Armee“ bezahlen wollen („Die Presse“ berichtete). Nun bestätigte ein syrischer Oppositionsvertreter dies der „New York Times“. 100 Mio. Dollar seien den Aufständischen von Saudiarabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten für die kommenden drei Monate zugesagt worden.

Konkurrenz zum Iran

Dass die Golfmonarchien Syriens Rebellen unterstützen, hat mehrere Gründe. Syriens Regime ist der wichtigste Verbündete des Iran in der Region. Wenn es fällt, trifft das das schiitische Regime in Teheran. Vor allem Saudiarabien sieht im Iran einen Konkurrenten und in Teherans Atomprogramm eine Bedrohung. Wie die Internetplattform WikiLeaks enthüllte, hatten die Saudis die USA schon vor Jahren gedrängt, militärisch gegen den Iran vorzugehen.

Den konservativen sunnitischen Monarchien ist der Einfluss des schiitischen Iran schon lange ein Dorn im Auge. Seit dem Sturz Saddam Husseins hat die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak auch politisch die Oberhand. Iraks Premier Nouri al-Maliki übte am Montag denn auch scharfe Kritik an der Hilfe Katars und Saudiarabiens für Syriens Rebellen. Teheran wiederum unterstützt das syrische Regime mit Logistik und Spezialisten. So wird der Kampf zwischen Diktator Bashar al-Assad und den Aufständischen auch zu einer Art Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran und den arabischen Golfmonarchien.

Als im Golfemirat Bahrain die Menschen auf die Straße gingen, wurden die Proteste mithilfe saudischer Truppen niedergeschlagen. Der Großteil der Demonstranten waren Schiiten, die sich in Bahrain als Bürger zweiter Klasse fühlen. In anderen arabischen Ländern feuerten Saudiarabien und Katar aber die Revolutionen an und versuchten, sie in ihre Richtung zu lenken. Beide Monarchien unterstützen in den Ländern des „Arabischen Frühlings“ vor allem religiös-konservative sunnitische Gruppen. Und das kleine Katar nutzt die Umbrüche im arabischen Raum, um außenpolitisches Prestige zu gewinnen.

• Libyen. Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi war nie respektvoll mit Katars Emir umgegangen. Bei einem Treffen der Arabischen Liga im libyschen Sirte riss er Witze über die Leibesfülle von Hamad bin Khalifa al-Thani. Gerüchten zufolge soll Gaddafi auch versucht haben, an die Frau des Emirs heranzukommen. Beliebt hatte sich Gaddafi damit in Katar sicher nicht gemacht. Die massive Hilfe des Emirates für Libyens Rebellen hatten freilich handfeste politische Gründe. Die kleine Golfmonarchie konnte so ihren Einfluss bis Nordafrika ausdehnen.

Katar beteiligte sich nicht an den Nato-Luftangriffen. Es sandte auch in großem Umfang Waffen an die Rebellen. Katarische Spezialeinheiten trainierten Aufständische, planten für sie Operationen und führten sie in einigen Schlachten an – etwa beim Sturm auf Gaddafis Hauptquartier in Tripolis.

• Ägypten. Saudiarabien pumpt massive finanzielle Hilfe in Ägyptens salafistische Gruppen, die eine extrem rückwärtsgewandte Spielart des Islam vertreten. Die „Partei des Lichts“ der Salafisten wurde bei der Parlamentswahl Nummer zwei. Die Beziehungen zwischen Ägyptens stärkster islamistischer Organisation, den Moslembrüdern, und den Saudis sind gespannt. Der Präsidentschaftskandidat der Bruderschaft Khairat el-Shater wurde aber in Katar vorstellig, um über Finanzhilfe für Ägypten zu verhandeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2012)

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