Die Bankenunion: Nutzen, Risken und Nebenwirkungen

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Die EZB wird künftig jeder Bank in Euroland die Lizenz entziehen dürfen. Das stärkt die Währungsunion, aber es schwächt den Binnenmarkt. Nichts soll den Augen der Europäischen Zentralbank verborgen bleiben können.

Brüssel. Was die „Europäische Bankenunion" sein soll, kann man auf einen simplen Nenner bringen: Banken, die künftig in Euroland Geschäfte machen wollen, brauchen dafür eine Erlaubnis von der Europäischen Zentralbank. Haben sie zu wenige flüssige Mittel oder zu viele faule Kredite, kann die EZB sie zum Zusperren zwingen - und zwar jede der etwa 6000, die derzeit in den 17 Euromitgliedstaaten eine Banklizenz haben. Was heute noch eine Aufgabe für die jeweilige nationale Notenbank und etwaige zusätzliche Finanzmarktbehörden ist, soll morgen einzig von Frankfurt aus wahrgenommen werden.

Der Zweck dieses Vorschlages, den Binnenmarktkommissar Michel Barnier am heutigen Mittwoch vorstellen wird, ist zweifach: Erstens soll es den nationalen Bankenaufsehern künftig nicht mehr möglich sein, schlechte Nachrichten über die von ihnen kontrollierten Banken so lange geheim zu halten, bis es kracht. Denn das ist in einer Währungsunion fatal, wie der spanische Bankenunfall krass vor Augen führt. Sogar noch im Sommer 2011, als alle nationalen Bankenaufseher dazu angehalten waren, ihre Institute einem ehrlichen Stresstest zu unterziehen, schummelte sich Madrid aus Rücksicht auf seine Sparkassen ein schmeichelhaftes Ergebnis zurecht. An den Folgen dieser Schönfärberei laboriert seither ganz Euroland - und auch die EZB selbst: Sie stellte der angeschlagenen Übersparkasse Bankia im Rahmen ihrer langfristigen Liquditätsspritzen für die Eurobanken zur Jahreswende 2011/2012 rund 40 Milliarden Euro zur Verfügung, ohne sicher sein zu können, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Bankia diesen billigen Kredit wird zurückzahlen können. „Angesichts dessen, dass die Aufsicht vollständig in nationalen Händen ist, und angesichts beschränkter oder inexistenter Teilung von Informationen ist es kein Wunder, dass die EZB mehr über die Gesundheit der Finanzinstitutionen wissen möchte, der sie Darlehen von dieser Größe gewährt", stellte Karel Lannoo vom Brüsseler Centre for European Policy Studies, einer der besten Kenner der Sachlage, trocken fest.

Das Recht auf Razzien

Nichts soll darum den strengen Augen der EZB als oberster Bankenaufseherin verborgen bleiben können. Sie „sollte in der Lage sein, alle notwendigen Informationen anzufordern sowie Untersuchungen und Vor-Ort-Inspektionen durchzuführen", heißt es in Punkt 31 der einleitenden Bemerkungen von Barniers Verordnungsentwurf, der der italienischen Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore" zugespielt wurde, die ihn fairerweise veröffentlichte. Der zweite Zweck der Bankenunion ist damit schon angedeutet. Da der Euro-Währungsfonds ESM, dessen Rechtmäßigkeit das deutsche Bundesverfassungsgericht ebenfalls heute unter Auflagen feststellen wird, künftig auch angeschlagene Euroland-Banken wird rekapitalisieren können, braucht es eine so starke und einheitliche Aufsicht, dass ESM-Einsätze die Ausnahme bleiben statt zur Regel zu werden.

Wehklagen der Nicht-Euroländer

Das alles ist für Euroland sehr gut, hält Lannoo fest. Es wird als Finanzzentrum attraktiver, weil die aufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten in Frankfurt gebündelt werden. Internationale Banken hätten also weniger Papierkram, zumindest für ihr Geschäft in Euroland.

Die Kehrseite dieser Medaille ist allerdings eine Beschädigung des Binnenmarktes. Dem gehören ja noch zehn Nicht-Eurostaaten an. Sie beklagen „Wettbewerbsnachteile" für ihre nationalen Banken, die künftig in Konkurrenz mit Banken aus Euroland stünden, hinter denen als Absicherung der ESM mit seinen Rettungsmilliarden steht. Zur Schaffung der Bankenunion müssen alle 27 EU-Staaten zustimmen. Nicht nur deshalb, sondern auch wegen der Mitentscheidung des Europäischen Parlaments ist Barniers Ziel, die Bankenunion mit 1. Jänner 2013 aus der Taufe zu heben, sehr ehrgeizig.

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