Kreuzfahrt: Auf die Strecke kommt es an

Die richtige Route ist für Kreuzfahrten entscheidend. Neue Destinationen zu erschließen ist dabei aber gar nicht so einfach.

Wenn das Kleopatra wüsste! Dass nach den Bädern aus Eselsmilch und Honig, deren Erfindung ihr zugeschrieben wird, das Meer vor ihrer Haustür, das „mare nostrum“, zur Badewanne eines ganzen Kontinents geworden ist. Das wiederum wurde Europa von den USA vorgetanzt: Ein Land, in dem Milch und Honig fließen, braucht ein Riesenaquadrom unter freiem Himmel und wärmender Sonne. Gut, dass die Natur beiden Kontinenten eines gegeben hat. Nur wird die Badewanne mit immer neuen Kreuzfahrtschiffen langsam ziemlich voll. Denn eines wächst nicht so rasch wie die Stahlkolosse auf den Werften: neue Destinationen. Gerade erst erschlossen sich der Seetouristik antike Stätten in Libyen — Tempel, Mosaike und ganze Städte, besser erhalten, als man sie in Griechenland, der Türkei und Italien findet —, da machten die Nordafrika-Revolutionen beinahe die ganze Südküste des Mittelmeeres zur „Terra non grata“. Wer es heute wagt, Ägypten, Tunesien, Syrien, Israel oder Algerien ins Programm seiner Kreuzfahrt zu nehmen, muss von vornherein einen Plan B in der Schublade liegen haben. Ziele, die geografisch als Ersatz infrage kommen, liegen schon bei der Drucklegung der Kataloge fest: Kreta statt Alexandria, Malta statt Tripolis, Sardinien statt Tunis.

Griechenland sagt Danke.
Den krisengeplagten Hellenen kann das nur recht sein, denn im Windschatten nordafrikanischer Umbrüche und Unruhen umschifft man kreuzfahrttouristisch gesehen die Wirtschaftskrise. Reisen, die in Venedig beginnen, bei Sisi auf Korfu Station machen, die verlassene Mittelalterstadt Mystra zum Ziel haben, das antike Stadion von Olympia und schließlich die Felsenklöster von Meteora, wobei man das protestgeplagte Athen gern ausspart, werden nun wieder zum Renner.
Besonders beliebt sind dabei die malerischen Inseln Mykonos und Santorin. Fehlen sie gänzlich auf dem Fahrplan, sinkt die Verkaufbarkeit einer Kreuzfahrt rapide. Bei Billiganbietern kann das allerdings seltsame Blüten treiben: Mykonos, Sonntagfrüh von sieben bis elf Uhr, liest sich nett im Katalog, taugt aber für einen Landgang kaum.

Der Preiskampf in der Seetouristik hat im Mittelmeer die Realitäten verschoben. Gegen die 399-Euro-Angebote der Global Player mit Heimvorteil, Costa und MSC, kommen mittelständische Anbieter nicht an. Ergebnis: Kleinere Schiffe, teurer im Betrieb, geben zwischen Gibraltar und Istanbul nur noch kurze Gastspiele. Die „Deutschland“ etwa hübscht derlei Reisen mit Traumschiff-Dreharbeiten oder der Verleihung des „Ocean Classical Award“ durch Dirigent-Moderator Justus Frantz auf.
Auf den großen Spaßdampfern hingegen sind Reisende aus allen europäischen Ländern zu Hause. Auch aus den Anrainerstaaten. Hier allerdings wird die Kreuzfahrt eher als gigantische, viertägige Party empfunden denn als Urlaubsreise. Egal, ob man in Napoli oder Palermo seinen Espresso schlürfen geht, der Landgang ist nur eine kurze Unterbrechung des Bordlebens. Das sehen die meisten österreichischen Kreuzfahrtfans allerdings anders: Gebucht wird von Wien bis Salzburg immer noch nach dem Kaleidoskop der Häfen, nicht nach Ballnacht und Poolparty.
Unverständlich bleibt, dass es immer noch als Königsdisziplin gilt, die mediterranen Gefilde einmal von West nach Ost oder umgekehrt zu durchmessen. Das Schicksal der seit 2004 insolventen Reederei Royal Olympia, die bei der renommierten Schnelldampfer-Werft Blohm & Voss in Hamburg Schiffe mit über 30 Knoten Höchstgeschwindigkeit bauen ließ (normale Cruise Liner begnügen sich mit 18 kn, also etwa 35 km/h), um US-Touristen drei Kontinente in acht Tagen zu zeigen, hat noch niemanden eines Besseren belehrt. Dabei waren es die gewaltigen Spritkosten, die diesen Veranstalter ins Aus manövrierten. Dass man auch ohne „Strecke machen“ erstklassige Ziele mit viel Zeit für Landgänge anlaufen kann, machte nur ein Jahr später der Billig-Liner EasyCruise vor: Nizza, Cannes, Saint-Tropez, Monte Carlo, Genua, Portofino und San Remo liegen eng beieinander und bilden die attraktivste Route, die im westlichen Mittelmeer jemals angeboten wurde. Kopiert hat sie bislang niemand.

Stattdessen läuft in den Planungsabteilungen der Reedereien, wo Touristikfachleute auf pensionierte Kapitäne treffen, die Suche nach Alternativhäfen. Diese müssen nicht nur genügend Tiefe und Größe bieten, sondern auch genug Potenzial für den lukrativen Verkauf von Landausflügen bieten. Meist profitieren kulturhungrige Passagiere davon: Auf Sizilien geht’s ins hübsche Städtchen Trapani statt nach Palermo, an der Ostküste lockt Syrakus statt Messina. Und anstelle von Mallorca darf es auch einmal Menorca sein. Reisende, die zum wiederholten Male buchen, freuen sich an Spaniens Südküste über Cartagena statt Alicante. Oder sie entscheiden sich gleich für die Küste der Türkei, wo nicht nur in Fethiye und Antalya Strände und niedrige Preise locken, sondern auch antike Heiligtümer in Milet, Kusadasi und Izmir (Ephesos!). Gern mitgenommen werden bei Routen, die in der Adria beginnen oder enden, auch die beliebtesten Ziele des ehemaligen Jugoslawien: Zadar und Split sind erste Wahl, Dubrovnik inzwischen ein Museum, dem fast nur noch touristisches Leben innewohnt.
Beinahe wäre, wie auch von vielen Reiseveranstaltern, ein Kleinod vergessen worden, in dem die touristischen Strukturen freilich noch entwicklungsbedürftig sind. Kaum jemand, der die achtstündige Bustour kreuz und quer durch dieses Ländchen macht, hätte sich vorstellen können, dass es so eine Zeitreise im Mittelmeerraum noch gibt: einsame Bergdörfer, in denen alte Männer auf den Straßen rauchend beim Kartenspiel sitzen und den Touristen ungläubig entgegenstarren und junge Frauen verschämt den Vorhang beiseite schieben, um einen Blick auf den Exotentross zu erhaschen. Frage: Wer besichtigt hier wen? Ach so, wo dieses Wunderland ist, wollen Sie wissen? Nein, nicht in Afrika oder Kleinasien. Sondern gar nicht so weit von Neapel und Athen entfernt. Die Rede ist von Albanien.

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