Korsika: Die Insel der Verwegenen

Bergurlaub auf einer Insel? Ja! Auch wenn Korsikas Strände zu den schönsten des Mittelmeeres zählen, sollte man ein paar Tage fürs Landesinnere veranschlagen.

Was für ein Mann! Dunkle Augen zum Darinversinken. Fein gemeißeltes Gesicht. Rabenschwarzes, dichtes, lackglänzendes Haar. Und seine sehnigen Arme stecken bis zu den Ellenbogen in Oliven, mit tiefem Bass sagt Antoine: „Ich schätze, dass wir heuer gut tausend Liter Öl pressen. Alles aus eigenen Oliven. Das verkauft die Mutter dann unten auf dem Markt von Calvi.“ Jetzt müsse er aber weiterarbeiten, sagt er und wendet sich wieder seinen Oliven zu.

Antoine erzählt mit stolzem Blick, beim Reden wechselt sich instinktive Gastfreundschaft ab mit der inseltypischen Zurückhaltung Fremden gegenüber: Die große Insel im Mittelmeer war bis auf wenige Zeitlücken ständig besetzt – wobei viele Korsen nicht einsehen, dass sie heute keinen eigenen Staat haben dürfen. Den sie eigentlich noch nie hatten. Nur im 18. Jahrhundert, als ausgerechnet ein deutscher, abenteuerlustiger Baron als Theodor I. zum ersten und einzigen korsischen König gekrönt wurde, waren sie 14 Jahre lang unabhängig. Die vielen fremden Herrscher haben das Volk geprägt, was man hier nicht gerne hört, man pocht lieber auf seine Einzigartigkeit. Die Sprache jedenfalls ist eine Mischung aus Altlatein, Italienisch und ein bisschen Französisch, manches Gesicht zeigt nordafrikanische Züge, ein Mitbringsel der Araber bei ihren Einfällen im frühen Mittelalter.

Trutzburgen. Bei der Anfahrt mit der Fähre ist kein Korse zu orten, der die Insel schon riecht, ehe sie in Sichtweite kommt – wie das angeblich Napoleon, der berühmteste Sohn Korsikas, behauptet hatte zu können. Als sie schön langsam Konturen annimmt, stechen als Allererstes die Dörfer ins Auge, die als Trutzburgen auf halber Höhe zwischen Küste und den unmittelbar dahinter aufragenden Bergen liegen. Malariaverseuchte Ebenen und laufende Überfälle von Seeräubern zwangen die Korsen vor langer Zeit, sich in die Berge zurückzuziehen. Die Küsten überließen sie den Eindringlingen, die sich ihrerseits kaum ins Landesinnere wagten. Heitere, italienisch anmutende Küstenstädte und karge Bergdörfer machen den einmaligen Kontrast Korsikas aus. Calvi, die Hafenstadt im Westen, wirkt besonders fröhlich – so wirft man sich bei der Ankunft zunächst einmal am kiefernbeschatteten Sandstrand ins Wasser, um dann in einer der netten Brasserien unter einer Palme einen kleinen Imbiss zu nehmen. Eine mächtige Zitadelle ragt ins Meer, an der einst Lord Nelson zu nah vorbei segelte: Ein Scharfschütze schoss ihm prompt ein Auge aus.

Entspannt fährt man mit der Bahn genau ins Zentrum der Insel nach Ponte Leccia oder Corte. Etwas nervenaufreibender ist die Fahrt mit dem Auto, die Haarnadelkurven an schwindelerregenden Abgründen sorgen für Schweißausbrüche. Man kann nur hupen und hoffen, dass kein anderes Auto oder gar ein Bus plötzlich ums Eck biegt. Umso atemberaubender sind dafür die Aussichten. Ein Hauch Verwegenheit liegt über Korsikas Bergen. Straßenschilder sind von Kugeln durchlöchert, weil die Korsen außerhalb der Jagdsaison gern an statischen Zielen üben. Dichte Macchia, die wirklich betörend duftet, Kastanien- und Eichenwälder und dann wieder archaische Dörfer mit den abweisenden Steinfassaden ihrer hohen Häuser. In jedem dieser Nester steht irgendwo ein Bankerl, auf dem dunkel gekleidete Männer sitzen und tratschen. Sie kennen den grandiosen „Asterix auf Korsika“? Sie wären überrascht, wie sehr ein simples Comic die Realität treffen kann!

Bergdorf mit Uni.
Für Glamour sorgen in den stillen Orten allein die barocken Türme der Dorfkirchen. Die Bewohner leben noch immer bescheiden von dem, was der Boden hergibt – von Oliven, wie Antoines Familie, von Kastanienmehl, Ziegen, Schafen und Schweinen. Freilich sind die Zeiten moderner geworden: Heutzutage dürfen Frauen mit am Tisch sitzen, wenn gegessen wird, erzählt Jean Luis, der wie viele Korsen seinen Nationalstolz im Chor pflegt. Er sagt dabei ganz freimütig: „Aber natürlich sind die Rollen klar verteilt! Das sieht auch meine Frau so.“ Nun denn. Wirklich vorbei ist die Vendetta, die Blutrache selbst für lächerlichste Streitigkeiten (etwa ein allzu begehrlicher Blick auf die Schwester), der letzte aktenkundige Fall wurde in den 1930er-Jahren abgeschlossen.

Ein guter Ausgangspunkt für Touren in das bezaubernd schöne Bergland ist die historische Hauptstadt Corte. Sie ist zwar Universitätsstadt, aber dennoch nur ein vergrößertes Dorf, gekleckert in ein zackiges Bergrund. Die Luft ist rein, klar und würzig. Wasserfälle und stille Badebuchten an grünen Bächen. Enge Flusstäler, weite Bergpanoramen mit malerischen Seen, bizarre Felsformationen, richtige Gipfel. Berge, die wie Diamanten aus dem satten Grün ragen. Pferde grasen auf Hochweiden. In steilen Wänden kleben Kletterer. Im Unterholz raschelt’s: Eine Schweinefamilie steht vor der Picknickdecke, auf der ein Sandwich mit den Resten ihrer Verwandten liegt.

Ein Gebirgskamm, dem eine Straße über vier Pässe von Nord nach Süd folgt, trennt die Insel in zwei unterschiedliche Hälften. Im Osten fällt Schiefergestein als sanftes Mittelgebirge in die Ebene ab, im Westen hingegen erhebt sich Granit abrupt aus der Küstenlandschaft bis in Lagen weit über 2000 Meter. Der höchste Berg, der Monte Cinto, misst 2700 Meter. Je nachdem, welcher Wandertyp man ist, neigt man zu der einen oder anderen Seite.

Zum Abschluss, endlich, das Meer. Die Auswahl ist groß und fällt trotzdem leicht: Der Strand von Palombaggia bei Porto ­Vecchio an der Ostküste ist der schönste Korsikas. Das Meer changiert von Prinzessinaugen-türkis bis Nixenschwanz-grün, der weiße Sandstrand wird im Rücken und an den Seiten umschlossen von Dünen, Pinienwäldern und roten Felsen. Schade nur, dass die Abendsonne auf dieser Seite der Insel nicht postkartenkitschig ins Meer versinkt. Aber was im Leben ist schon perfekt?

TIPP

Veranstalter: Rhomberg Reisen, Eisengasse 12, 6850 Dornbirn, 05572/224 20 0, Ferienmesse Halle A/Stand A0321 www.rhomberg-reisen.com Infos: Atout France, 01/503 28 92,info.at@rendezvousenfrance.com

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