Analyse

Der Sturm auf Kickl: Was hinter der ÖVP-Offensive steckt

Politiker der Volkspartei bezeichnen Kickl als „Sicherheitsrisiko“ für Österreich.
Politiker der Volkspartei bezeichnen Kickl als „Sicherheitsrisiko“ für Österreich. APA/ROBERT JAEGER
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Politiker der Volkspartei rücken im Dauertakt gegen den blauen Parteichef aus. Die FPÖ als Partei streifen sie bei ihrer Kritik aber nur.

Wien. Bei ihren Attacken auf die FPÖ drücken sich ÖVP-Politiker die Klinke in die Hand. Am Donnerstag war Innenminister Gerhard Karner am Zug. Wie zuvor Kanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner nahm er FPÖ-Chef Herbert Kickl in die Mangel. Kickl habe als Innenminister den „Verfassungsschutz in Österreich in Trümmer gelegt“, schrieb Karner in einer Aussendung. Er verwies auf die Razzia beim Verfassungsschutz 2018, die den Ruf der Behörde bei ausländischen Partnerdiensten ramponiert hatte. Der FPÖ-Chef sei ein „Sicherheitsrisiko“.

Karner folgt damit der Diktion, die Nehammer am Dienstag in einem Pressegespräch vorgegeben hat. Der Kanzler schloss für die ÖVP eine Koalition auf Bundesebene unter Beteiligung von FPÖ-Chef Herbert Kickl aus. Was verbirgt sich hinter der Offensive?

Die erste Auffälligkeit: Die Angriffe der ÖVP zielen auf den FPÖ-Chef ab, die Blauen als Partei werden nur gestreift. Eine Koalition der ÖVP schloss Nehammer nur mit Kickl aus, nicht aber mit der FPÖ: In dieser seien ja auch andere Politiker tätig, so der Kanzler. Nehammer warnte die Partei sogar vor ihrem eigenen Chef. Er stufte Kickl als Risiko auch für die FPÖ ein, „weil mit ihm kein Staat zu machen ist“.

Abgrenzung hilft den Blauen

Eine Palastrevolte bei den Blauen lässt sich so nicht anzetteln: Kickl hat die Partei nach dem Ibiza-Tief mehr als konsolidiert. Die FPÖ gewann bei den Landtagswahlen stark dazu, auf Bundesebene liegt sie in Umfragen weit voran auf Platz eins, die Partei hält zusammen. Warum also das Zugpferd austauschen? Kein anderer Politiker verkörpert die Erzählung „Wir gegen die schwarz-grün-rot-pinke Einheitspartei“ so gut wie Kickl.  

Mit dem Fokus auf den FPÖ-Chef versucht die ÖVP einen argumentativen Spagat zu schaffen: Sie will sich zwar verstärkt von den Blauen abheben, zugleich aber ging sie auf Landesebene in Niederösterreich und Salzburg eine Koalition mit der FPÖ ein. Die Partei pauschal zu verdammen und auszugrenzen geht sich da nicht aus. Es würde zudem die blaue Erzählung verstärken, dass sich alle Parteien gegen die FPÖ verschworen hätten. Auch in Deutschland hilft die stärkere Abgrenzung der Konservativen gegenüber der AfD den Rechtspopulisten bei Wahlen bisher mehr, als sie diesen schadet.

Angst vor Kickl schwindet

Kickls Auftreten wurde lang als zu radikal für größere Wahlerfolge gescholten. In Umfragen liegt die FPÖ im Bund nun bei 30 Prozent, und das gerade wegen Kickl. „Viele, denen er früher zu radikal war, vertrauen ihm nun politisch. Denn diejenigen, bei denen der Groll auf das Establishment eine gewisse Schwelle überschritten hat, nehmen als Antwort disruptive Politiker in Kauf – oder sehen sie sogar als die unter diesen Umständen ideale Führungsfigur“, schreibt Meinungsforscher Christoph Hofinger vom Sora-Institut im „Falter“.

Das ist für die ÖVP gefährlich: Konnte Sebastian Kurz ein Überlaufen von Wählern zur FPÖ verhindern, gelingt dies Nehammer bisher nicht. Da die SPÖ unter Andreas Babler nach links rückt und weniger eine Gefahr darstellt, gilt die Aufmerksamkeit nun Kickl.

Daher werden Zweifel an Kickls Kanzlerfähigkeit gesät, die ÖVP setzt vor allem auf das Thema Sicherheit. Die BVT-Razzia und Kickls Polizeipferde-Initiative werden ausgegraben. Versuchte die ÖVP Themen rund um die Neutralität bisher kleinzuhalten, so wird Kickls Ablehnung des europäischen Raketenabwehrschirms Sky Shield nun als „Sicherheitsrisiko“ ausgelegt. Geht die Saat auf? Die nächsten Nationalratswahlen werden es zeigen.

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