Salzburger Festspiele

Zeilinger kritisiert Dekonstruktion von Kunstwerken

Es sei ihm „immer unheimlich, wenn jemand wissen will, wie die Zukunft aussieht“, sagte Anton Zeilinger in seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele. 
Es sei ihm „immer unheimlich, wenn jemand wissen will, wie die Zukunft aussieht“, sagte Anton Zeilinger in seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele. APA / Franz Neumayr
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Als Romantiker stellte sich Nobelpreisträger Anton Zeilinger bei seiner Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele vor. Er plädierte für weniger Computereinsatz in Schulen, für Methoden genetischer Verbesserung. Und äußerte sich auch zur Inszenierungspraxis.

„Die Verschränkung löst entweder unser Bild von Raum und Zeit auf oder unser Bild von Wirklichkeit“, sagte Anton Zeilinger über das quantenphysikalische Phänomen, dem er einen Gutteil seines Forscherlebens gewidmet hat. Verschmitzt fügte er hinzu: „Oder, wie ich als Romantiker hoffe, beides.“ Nein, schlichte positivistische Appelle für mehr Vertrauen auf Fakten und gegen Wissenschaftsskepsis, wie sie bei Festspieleröffnungen üblich sind (und auch bei dieser nicht ganz fehlten), sind von diesem großen Physiker nicht zu erwarten. Wer sie erwartet hat, den enttäuschte er etwa mit dem – laut eigener Aussage von Oliver Messiaens „Éclairs sur l‘Au-delà…“ (bei der Ouverture spirituelle der Festwochen gehört) inspirierten Satz: „Es gibt offenbar mehr als das Faktische.“ Oder mit dem Bekenntnis, es sei ihm „immer unheimlich, wenn jemand wissen will, wie die Zukunft aussieht“.

Ihn beschäftige die Frage: Wie kommt das Neue in die Welt? Dazu erzählte er über Max Planck, dem Ende des 19. Jahrhunderts von einem Studium der Physik abgeraten wurde, weil alles Wesentliche schon erforscht sei und nur mehr kleine Lücken zu schließen seien. Aus so einer vermeintlich kleinen Lücke, der Erklärung der Strahlung eines Schwarzen Körpers, entstand dann in einem „Akt der Verzweiflung“ (Planck) die Quantenphysik – und plötzlich, so Zeilinger, „war die Zukunft mehr offen, als sie es in der klassischen Physik war“. Aus solchen Erfahrungen – und auch aus seiner eigenen – plädiert Zeilinger für mehr Freiheit in der Wissenschaft. Es sei kontraproduktiv, dass man heute schon beim Antrag auf Forschungsförderung das Ziel und die Methoden angeben muss. „So hätte ich nie den Nobelpreis bekommen.“

Plädoyer für Crispr/Cas-Methode

Bei aller Skepsis für naiver Faktengläubigkeit hält Zeilinger an der Methodik der Naturwissenschaften fest: Diese hätten das Glück, über ultimative Richter zu verfügen: die Natur, das Experiment. Und er pries auch ihre Erfolge: „Ohne die moderne Medizin wäre ein Großteil der Anwesenden nicht mehr am Leben.“ Wohl besonders in Richtung der anwesenden Ministerin Leonore Gewessler appellierte er, die Möglichkeiten genetischer Verbesserung nicht auszuschließen, nannte explizit die Crispr/Cas-Methode.

Weitere politisch relevante Passagen in Zeilingers eher assoziativ strukturierter Rede: Er plädierte für mehr Förderung von Hochbegabten, für mehr persönliche Interaktion und weniger Computereinsatz in den Schulen: „Mit kurzen Messages kann man nicht den nötigen tiefen Diskurs führen.“ Er wandte sich gegen zu viele Detailregelungen und zu viel Administration, zitierte schelmisch den Hans Sachs aus den „Meistersingern“: „Der Regel Güte daraus man erwägt, dass sie auch mal ‘ne Ausnahm‘ verträgt.“

Unter anderem vom „Parsifal“, den er oft in der Staatsoper besucht, inspiriert war offenbar ein Einwurf Zeilingers zur Aufführungspraxis: Er kritisierte die Dekonstruktion von Kunstwerken, sie bringe oft die Gefahr, die Tiefe des Originals zu verlieren. So gehe einiges an Sinn verloren, wenn in einer „Parsifal“-Inszenierung die Kundry nicht bei der Ansicht des Grals stirbt. Das Bühnengeschehen solle kongruent zur Musik sein, eben weil das Optische für die Menschen so wichtig ist, meint Zeilinger. Diese Forderung eines namhaften Kulturmenschen passt gut in die auch heuer laufende Debatte über Inszenierungen. Genauso klar unterstützte Zeilinger die – auch von Intendant Markus Hinterhäuser vertretene – Ablehnung eines Boykotts für russische Künstler: Kooperation mit Individuen aus Russland und China sei förderlich, auch wenn dort autokratische Regimes an der Macht sind, sie könnten sogar helfen, diese aufzuweichen. Politische Ausgrenzung lehnte Zeilinger ebenfalls ab: Vielleicht sollte man sich manchmal „zu den Menschen an den Stammtisch setzen“, um ihre Beweggründe zu verstehen.

Noch allgemeiner verwendbar könnte das letzte Zitat sein, das Zeilinger brachte, es stammt vom Dalai Lama: „Wenn du suchst, findest du nicht. Du findest nur, wenn du nicht suchst.“

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