Adoption: Karlsruhe geht einen Schritt weiter

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Die Verfassungsrichter stärken das Adoptionsrecht homosexueller Paare. Das bisherige Verbot der sogenannten Sukzessivadoption verstoße gegen das Recht auf Gleichbehandlung, entschieden die Verfassungsrichter.

Berlin/Gau. Es ist zeitlicher Zufall: Auch in Deutschland fiel am Dienstag eine wichtige juristische Entscheidung zum Adoptionsrecht homosexueller Paare. Es ging aber nicht um dasselbe: Die „Stiefkindadoption“ von leiblichen Kindern ist ihnen beim großen Nachbarn bereits seit 2004 erlaubt. Die deutschen Verfassungsrichter gingen einen Schritt weiter: Auch ein Verbot der „Sukzessivadoption“ widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung.

Adoptiert eine Einzelperson ein Kind und heiratet diese anschließend, darf der Ehepartner das Kind (nach einer Einzelfallprüfung) ebenfalls adoptieren. Eingetragenen Partnern ist das bisher nicht erlaubt. Dagegen hatte eine Ärztin aus Münster mit ihrer Lebensgefährtin geklagt. In Karlsruhe gab man ihr recht. Den Richtern ging es dabei vor allem um die Stellung des Kindes. Die beiden Menschen, die es aufziehen, sind eine Verbindung eingegangen, die „gleichermaßen auf Dauer angelegt“ und durch „Verantwortungsübernahme geprägt“ ist „wie eine Ehe“. Aber wenn ein Partner stirbt, muss das Kind für sein Erbe so hohe Steuern zahlen, als hätte ihm ein Fremder etwas vermacht. Wenn sich die Partner trennen, hat es keinen Anspruch auf Unterhalt.

Um das zu korrigieren, muss der Gesetzgeber nun eine Adoption in solchen Fällen zulassen. Eine gemeinschaftliche Adoption, wie sie soeben vom französischen Parlament beschlossen wurde, stand nicht auf dem Prüfstand. Aber sie erscheint aus zwei Gründen als logischer letzter Schritt. Zum einen können homosexuelle Paare nun de facto Kinder adoptieren, wenn auch in zwei Schritten: erst als Einzelperson, dann der Lebenspartner. Damit ist künftig nur noch schwer zu argumentieren, warum die Prozedur nicht auf einen Schritt vereinfacht werden sollte.

Zum anderen berufen sich die Richter, wenn es um das Wohl des Kindes geht, auf Sachverständige – und deren Argumente, die das Urteil zusammenfasst, gelten auch für gemeinschaftliche Adoptionen: „Es ist davon auszugehen, dass die behüteten Verhältnisse einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die in einer Ehe. Bedenken [...] wurden in der ganz überwiegenden Zahl der Stellungnahmen zurückgewiesen.“

SPD, Grüne und Liberale sind über das Urteil hocherfreut. Für die CDU/CSU, die gegen eine durchgängige Gleichbehandlung von Eingetragenen Partnerschaften hinhaltenden Widerstand leistet, ist es ein Rückschlag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2013)

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