Fall Magnitskij: Spur führt nach Österreich

Fall Magnitskij Spur fuehrt
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Bill Browder, Milliardär und Auftraggeber des 2009 in Russland im Gefängnis zu Tode gekommenen Anwalts Sergei Magnitskij, vermutet gestohlenes Geld auch in Österreich.

Entweder inkompetent oder korrupt“: So nennt der Londoner Milliardär Bill Browder wenig schmeichelhaft die österreichischen Ermittler. Browder, der in den 1990er-Jahren in Russland als Finanzinvestor mit seinem Unternehmen Hermitage Capital ein Vermögen gemacht hat, beschuldigt österreichische Behörden, bei einem Fall von Geldwäsche aus Russland die Augen zu verschließen. Der Vorwurf ist kein geringer: Dokumente, die der „Presse“ vorliegen, legen nahe, dass in Österreich Geldsummen eingegangen sind, die mit dem mysteriösen Kriminalfall Magnitskij in Zusammenhang stehen.

Sergei Magnitskij war ein russischer Anwalt, der für Browder tätig war. Browder hatte als Shareholder-Aktivist illegale Praktiken in russischen Staatsfirmen aufgedeckt; er musste 2006 seine Geschäfte aus Russland abziehen. Magnitskij warf russischen Funktionären einen Steuerbetrug in Höhe von 230 Millionen Dollar vor: Drei von Browders Firmen wurden an neue Eigentümer überschrieben, die sodann vom Staat bereits bezahlte Steuern zurückforderten und das Geld in die eigene Tasche steckten.

Magnitskij wurde schließlich selbst der Steuerhinterziehung beschuldigt und ins Gefängnis gesteckt. Er starb 2009 in Haft wegen unzureichender medizinischer Behandlung und an den Folgen von Folter. In Russland selbst wurde niemand für den Fall zur Verantwortung gezogen.


USA verhängten Einreiseverbote. Mittlerweile hat die Causa zu massiver diplomatischer Verstimmung zwischen den USA und Russland geführt: Die USA haben ein Gesetz erlassen, den sogenannten „Magnitskij Act“, das etwa 60 Beamten die Einreise verbietet. Moskau beschloss daraufhin ein Gesetz, das seit Jänner 2013 die Adoption russischer Kinder durch US-Bürger verhindert.

Zurück zu den Geldflüssen: Über mehrere russische Banken gelangte ein Teil des Geldes auf das Konto einer moldauischen Firma namens Bunicon-Impex in der Hauptstadt Chisinau und von dort auf Konten in Panama, den Seychellen, Neuseeland, in der Schweiz und in einigen EU-Ländern. Diese Transaktionen gingen allesamt in den ersten Februartagen 2008 über die Bühne. Am 8.Februar 2008 wurden 150.000 Dollar auf ein Konto in Oberösterreich überwiesen. Kontoinhaber: ein namhaftes, international tätiges Welser Unternehmen.


Ermittlungen eingestellt.
Im August 2012 informierte die von Browder beauftragte Londoner Anwaltskanzlei Brown Rudnick die österreichischen Behörden. Die Staatsanwaltschaft Wels begann sich mit dem Fall zu beschäftigen. Am 6.Februar 2013 informierte man den Beschuldigten, Geschäftsführer F., dass das Ermittlungsverfahren „mangels Nachweisbarkeit“ eingestellt werde. Auf Nachfrage der „Presse“ erklärt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Manfred Holzinger, die in der Anzeige behauptete Geldtransaktion habe nicht stattgefunden.

Dass die Staatsanwaltschaft zu diesem Ergebnis kommt, ist insofern kurios, da das oberösterreichische Unternehmen im Gespräch mit der „Presse“ den Eingang der Zahlung von 150.000Dollar bestätigt. Der Betrag stamme von einem russischen Geschäftspartner, der die moldauische Firma als „Vermittler“ genutzt habe, so Geschäftsführer F. Im Gegenzug habe man Produkte an den russischen Kunden geliefert. Sonderbar ist freilich: Auf dem der „Presse“ vorliegenden Überweisungsbeleg ist von Produkten die Rede, die die Firma gar nicht im Sortiment führt.

Österreich ist nicht das einzige EU-Land, in das in den ersten Februartagen 2008 mutmaßlich gestohlenes Geld gelangt ist. Der „Presse“ liegen Dokumente vor, die Überweisungen in die Schweiz sowie in die EU-Länder Estland, Litauen, Lettland, Zypern und Finnland dokumentieren. Auffällig ist: In der Schweiz und Litauen wurden betroffene Konten eingefroren, in Zypern, Lettland und Estland laufen Ermittlungen. In Finnland kamen die Behörden zu dem widersprüchlichen Schluss, dass die transferierten Summen wahrscheinlich „aus kriminellen Vorgängen“ gewonnen wurden, sich auf finnischem Boden aber kein Verbrechen nachweisen ließe.

Allein die österreichischen Behörden fanden überhaupt keine Spur. „Wir sehen jetzt, wie unterschiedlich Ermittlungsbehörden in Europa reagierten, als wir ihnen Beweise für Geldwäsche lieferten, die mit dem Magnitskij-Fall zusammenhängen“, sagte Browder zur „Presse“. Sein Urteil: „Die österreichischen Behörden waren die schlimmsten von allen.“


Geschäfte mit Scheinfirma.
Weitere Recherchen zeigen, dass der moldauische „Vermittler“ nicht irgendeine Firma ist: Bunicon-Impex gilt als Scheinfirma. Nach Angaben von OCCRP, einem investigativen Journalistennetzwerk, das Fällen organisierter Kriminalität und Korruption nachgeht, ist ihr Geschäftssitz ein abbruchreifes Haus in Chisinau. OCCRP geht davon aus, dass die (mittlerweile nicht mehr existente) Firma im Jahr 2007 allein zum Zwecke der Geldwäsche gegründet worden ist; geschäftliche Tätigkeiten habe man keine registriert. Der Moldauer Vladimir Piotr Bunicovschi firmiert offiziell als Besitzer, geboren 1983, mit offizieller Wohnadresse in Ribnitsa in der Separatistenregion Transnistrien. Übrigens: Gegen die Banca de Economii, bei der das Konto geführt wurde, laufen in diesem Zusammenhang seit Dezember 2012 Ermittlungen der Antikorruptionsbehörde NAC. In der Republik Moldau, die hofft, im November ein Assoziierungsabkommen mit der EU zu schließen und damit näher an Europa zu rücken, nimmt man Geldwäsche-Vorwürfe derzeit sehr ernst.

Browders Rechtsanwälte haben indes am 19.Februar in Österreich eine neuerliche Eingabe gemacht. Auf eine Reaktion der Behörden wartet man bisher vergeblich. Selbst über die Einstellung der ersten Ermittlungen wurde man noch nicht informiert.

Ein unglaublicher Fall

Sergei Leonidowitsch Magnitskij starb am 16.November 2009 im Butyrka-Gefängnis in Moskau. Als offizielle Todesursache wurde Herzinfarkt angegeben. Doch es verdichteten sich die Hinweise, dass der 37-jährige Anwalt an den Folgen von Folter und medizinischer Unterversorgung gestorben ist.

Magnitskij vertrat die Firma Hermitage Capital, die einst einer der größten westlichen Investoren in Russland war. Das Unternehmen spielte den Medien Fälle von Korruption in russischen Staatsunternehmen zu und wurde eine Bedrohung für mächtige Kreise. Firmengründer Bill Browder erhielt kein Visum mehr und musste das Land verlassen, Magnitskij wurde von Beamten verhaftet und verhört, die von Hermitage zuvor der Korruption beschuldigt wurden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2013)

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