Drogen in Deutschland: Strenge Gesetz erfolgreich

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Drogen Deutschland(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Die Zahl der Drogentoten ist in Deutschland zwar gesunken, von einer Entwarnung kann aber nicht die Rede sein.

Wien. Was das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ vor einigen Wochen zum Satz „Drogen sind in Deutschland kein großes Thema“ veranlasst hat, ist fast schon originell: Jedes Jahr lädt Mechthild Dykmans (FDP), Drogenbeauftragte der Bundesregierung, zur Präsentation der Drogenbilanz ein – und anwesend ist nur eine Handvoll Journalisten, die sich während der Pressekonferenz auch noch ordentlich fadisieren. Wenn Drogen in der bundesdeutschen Gesellschaft tatsächlich als eine Randerscheinung wahrgenommen werden, dann ist das wohl eine Auswirkung der umfassenden Drogenpolitik, die hier seit Jahren verfolgt wird.

Durchschnittlich vier Milliarden Euro gibt die Regierung jährlich für den Kampf gegen Drogen aus, zudem ist Deutschland eines von fünf europäischen Ländern, die eine umfassende, gesamtheitliche „Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik“ implementiert haben (das heißt, die Strategie trennt nicht die Drogen- und anderen Süchte). Zahlen zeigen auch, dass es kontinuierlich weniger Drogentote gibt.

Starben 2008 noch 1449 Menschen an den Folgen ihrer Sucht, waren es 2011 dann 986 – der niedrigste Stand seit über 20 Jahren (zum Vergleich: In Österreich starben 177 Menschen). Weitere positive Nachrichten: Während in vielen europäischen Ländern die Straftaten im Zusammenhang mit Drogen gestiegen sind – zwischen 2005 und 2010 um 19 Prozent in ganz Europa –, kann Deutschland (aber auch Österreich) einen Rückgang verzeichnen.

Nun könnte die durchaus strenge Politik in Deutschland als Erfolg gewertet werden, Kritiker meinen aber sinngemäß, dass in Deutschland mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Demnach seien es die vielen Kleinkriminellen, die den Beamten ins Netz gehen – und nicht die großen Fische. Personen, die beispielsweise knapp sieben Gramm Cannabis statt der „geringen Menge“ von sechs Gramm bei sich tragen. Die „geringen Mengen“ erlauben eine Einstellung der Strafverfahren, das Verhindern einer übermäßigen Kriminalisierung, wenn man so will. In Deutschland variieren die „geringen Mengen“ aber von Bundesland zu Bundesland. Zwar sind es in den meisten sechs Gramm, in manchen aber auch zehn (in Österreich beträgt die „geringe Menge“ für Cannabis im Übrigen 20 Gramm). Die Unterschiede in den Bundesländern, aber auch die Tatsache, dass der Umgang mit den „geringen Mengen“ mit viel Bürokratie verbunden ist, stößt bei vielen auf Kritik. In Deutschland ist Cannabis die am meisten konsumierte illegale Droge – auch sehr viele Junge sind betroffen. Laut dem aktuellen Bericht der Drogenbeauftragten haben im Jahr 2011 fünf Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen Cannabis konsumiert. Bei jungen Erwachsenen ist die Situation ähnlich: Zwei Drittel der Befragten zwischen 18 und 25 gaben gegenüber der Drogenbeauftragten an, dass ihnen schon einmal eine illegale Droge angeboten wurde. Rund vier Prozent konsumiert auch tatsächlich regelmäßig illegale Substanzen.

Crystal Meth kein Randphänomen mehr

Nicht nur Deutschland, ganz Europa hat derzeit mit einer sich massiv verändernden Drogenszene zu kämpfen. Wenn festgestellt werden kann, dass es weniger Heroindrogentote gibt, heißt das nicht automatisch, dass man die Lage im Griff hat. So warnt in ihrem aktuellen Bericht die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD), dass immer mehr synthetische Drogen in Europa im Umlauf sind, die die altbekannten Substanzen wie Heroin bisweilen ablösen. So heißt es im Bericht, dass sich 2010 rund 46.000 Europäer wegen ihrer Heroinsucht haben behandeln lassen – das sind 25 Prozent weniger als drei Jahre zuvor. Auch Kokain habe spürbar an „Bedeutung“ verloren.

Stattdessen beobachtet die EBDD, dass Substanzen wie Fentanyl, das um ein vielfaches toxischer als Heroin ist, konsumiert werden. Einer anderen Substanz ist ihr gefährlicher Ruf gewissermaßen vorausgeeilt: Methamphetamin – Crystal Meth. In den USA wurde bereits mit einer groß angelegten Plakataktion auf diese Droge aufmerksam gemacht. In Europa tauchte Crystal Meth vornehmlich in Tschechien und der Slowakei auf – mittlerweile kann nicht mehr von einem Randphänomen gesprochen werden. In Deutschland starben bereits Konsumenten von Crystal Meth, nicht nur die Polizei zeigt sich extrem besorgt. Was der EBDD übrigens auch Kopfzerbrechen bereitet, ist das fast schon explosionsartige Ansteigen dieser neuen synthetischen Drogen. Zwischen 2005 und 2008 wurden 36 neue „Sorten“ gefunden, nur im Jahr 2012 waren es schon 73.

Europaweit betrachtet, ist das Konsumverhalten von Drogen nicht einfach zusammenzufassen. Während in Italien vornehmlich Cannabis – und seltener Amphetamine im Umlauf sind, sind Letztere in Großbritannien am häufigsten zu finden. Ecstasy wird am meisten in Tschechien und Großbritannien konsumiert, Kokain in Spanien – und wieder in Großbritannien.

Auf einen Blick

Kampf gegen Drogen. Deutschland ist eines von fünf europäischen Ländern, das eine gesamtheitliche, umfassende „Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik“ implementiert hat. Die Zahl der Drogentoten ist in Deutschland rückläufig: 2011 waren es 986 – der niedrigste Stand seit über 20Jahren. Das Auftauchen von Drogen wie Crystal Meth sorgt auch die Bundesbürger: Hier gab es schon die ersten Toten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2013)

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