Fall Hoeneß: Schwerverbrechen Steuerflucht

Fall Hoeness
Fall Hoeness (c) EPA (VICTORIA BONN-MEUSER)
  • Drucken

Steuersünder wie Bayern-Präsident Hoeneß sollen sich nicht durch Selbstanzeige „freikaufen“ können, meinen Kritiker und fordern härtere Strafen.

Zwei Millionen Euro soll Uli Hoeneß jedes Jahr an soziale Einrichtungen spenden, heißt es. Vorträge hält er nur, wenn die Veranstalter zuvor sein Honorar wohltätigen Organisationen überweisen. Nachdem im September 2009 in der Münchner S-Bahn ein Mann namens Dominik Brunner zu Tode geprügelt worden ist, weil er Jugendliche gegen betrunkene Randalierer verteidigt hatte, initiiert Hoeneß eine Stiftung für mehr Zivilcourage, die Dominik-Brunner-Stiftung.

Nun will der Präsident des Fußballklubs Bayern München und Wurstfabrikant „reinen Tisch machen“, wie er der „Bild“ sagte. Denn aus dem guten Menschen Hoeneß ist plötzlich ein Schwerverbrecher geworden, einer der Wasser predigt und selbst Millionen an Steuern hinterzieht. Dabei hat Hoeneß wohl nie Wasser gepredigt. Aber er hat im Jahr 2000 vom damaligen Adidas-Chef, Robert Louis-Dreyfus, fünf Millionen Mark bekommen. Geborgt. Eingezahlt auf ein Konto der Vontobel Bank in der Schweiz. Und noch weitere 15 Millionen Mark bekam er als Bürgschaft. Mit diesem Geld, umgerechnet zehn Millionen Euro, zockte Hoeneß an der Börse – und vergaß dabei, die Kapitalerträge zu versteuern.

Das ist die eine Seite der Geschichte. Hoeneß hat im Jänner beim Finanzamt Selbstanzeige erstattet und drei Millionen Euro gezahlt. Bekannt wurde dies, weil die bayrischen Finanzbehörden trotzdem bei dem Fußballweltmeister von 1974 eine Hausdurchsuchung durchgeführt hatten. Dabei wurde er laut „Süddeutscher Zeitung“ vorläufig festgenommen. Nur gegen die Zahlung einer Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro ist Hoeneß überhaupt auf freiem Fuß. Das ist ungewöhnlich. Irgendwas scheint mit dieser Selbstanzeige schiefgelaufen zu sein, mutmaßen deutsche Medien.

Und das ist die andere Geschichte: Da wird aus einer Steueraffäre eines Prominenten ganz schnell ein Wirtschaftskrimi. Denn warum „borgt“ der Chef eines großen Sportartikelkonzerns dem Manager eines großen Fußballklubs zehn Millionen Euro?

Auf jeden Fall stieg Adidas im Jahr 2001 beim deutschen Rekordmeister ein, kaufte um 75 Millionen Euro ein Zehn-Prozent-Aktienpaket an der Bayern München AG. Louis-Dreyfus zog in den Aufsichtsrat ein, und die Bayern hatten aus einem Sponsor einen Miteigentümer gemacht und damit finanziell ausgesorgt. Laut „Süddeutscher Zeitung“ lagen dem Klub damals viele lukrativere Angebote vor. Etwa vom US-amerikanischen Adidas-Konkurrenten Nike. Doch Hoeneß argumentierte, er wolle lieber „mit einem deutschen Unternehmen“ zusammenarbeiten.

Ob der Aktiendeal und die geborgten Millionen in irgendeinem Zusammenhang stehen? Es gibt bisher keine Hinweise. Und Uli Hoeneß schweigt auf Anraten seines Anwalts Michael Nesselhauf, wenn es um Details geht. Nur „seiner“ „Bild“-Zeitung teilt er mit, dass es ein „schwerer Fehler“ gewesen sei, das Geld nicht zu versteuern.


Bevor das deutsche Fußball-Wunderkind Sebastian Deisler im Jänner 2007 seine Karriere beendete, weil er unter Depressionen litt, hatte es sich Uli Hoeneß anvertraut. Nächtelang habe er mit dem Manager geredet, irgendwann sei er nach einem dieser stundenlangen Gespräche in Hoeneß' Hotelzimmer eingeschlafen, erzählte Deisler später der „Zeit“. Geschichten wie diese machen aus dem 61-jährigen Hoeneß eine moralische Instanz über den Sport hinaus. In Talkshows sprach er sich gegen die Finanzjongleure an den Börsen aus, und still und heimlich zockte er selbst. Offenbar nicht ohne Erfolg, wie die „Süddeutsche“ erfahren hat. Nach ein oder zwei Jahren soll er Louis-Dreyfus die zehn Millionen Euro schon wieder zurückgezahlt haben. Da hatte er offenbar schon so viel Geld an der Börse gewonnen, dass er mit dem Gewinn weiterzocken konnte.

Wenn es um Börsenspekulationen geht, ist der 2009 verstorbene Louis-Dreyfus übrigens kein unbeschriebenes Blatt. In den 1990er-Jahren wurde er von der US-Börsenaufsicht SEC wegen Insiderhandels zu einer Geldstrafe von 213.740 Dollar verurteilt. Aber das ist nur eine Geschichte am Rande.

In Deutschland geht die Causa Hoeneß längst in die Verlängerung. Denn mittlerweile kritisieren Kommentatoren und Politiker, dass die Selbstanzeige bei Steuerbetrug einen völligen Straferlass zur Folge hat. Wenn sich ein Verbrecher der Polizei stellt, könne er zwar mildernde Umstände geltend machen, er werde aber dennoch bestraft. Dies solle auch für Steuerflüchtlinge gelten. Tatsächlich droht Hoeneß, sollte seine Selbstanzeige nicht anerkannt werden, eine Haftstrafe. Ab einem Steuerbetrug von einer Million Euro kennt die deutsche Rechtsprechung keine Strafe auf Bewährung mehr, sondern nur noch Haftstrafen bis zu zehn Jahren.

Für Politiker wie den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ist der Fall Hoeneß ein aufgelegter Elfmeter. Immerhin gilt der CSU-Sympathisant Hoeneß als Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel. Diese distanzierte sich von ihm und gab sich „enttäuscht“. Steinbrück sprach sich dafür aus, dass bei Steuerhinterziehern „die Daumenschrauben weiter angezogen werden“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolbild
Wirtschaftsrecht

Sonderfall Schweiz: Offenlegen oder anonym bleiben?

Aufgrund des Steuerabkommens müssen sich Kontoinhaber bis Ende Mai für eine von zwei Varianten entscheiden.
Zwei Drittel Deutschen erwarten
International

Zwei Drittel der Deutschen erwarten Rücktritt von Hoeneß

Der Druck aus der Politik auf den Bayern-Präsidenten nimmt zu. Hoeneß rechnet nur mit einem persönlichem Imageschaden aus dem Steuerfall.
GERMANY SOCCER BUNDESLIGA
International

Steuersünder Hoeneß nur auf Kaution frei

Angeblich wurde er am 20. März festgenommen und nur gegen Zahlung einer Millionen-Kaution auf freiem Fuß gelassen. Der Bayern-Boss will reinen Tisch machen.
Briekasten Finanzamt
International

Selbstanzeigen bringen deutschem Fiskus Milliarden

Die Parteien sind sich uneinig über Amnestien bei Selbstanzeige in Steuerfällen. Steinbrück möchte den Druck auf die Steueroasen verstärken.
AdidasChef Hoeness Millionen DMark
International

Affäre: Hoeneß und die mysteriösen Adidas-Millionen

Der damalige Adidas-Chef gab dem Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß im Jahr 2000 offenbar rund zehn Millionen Euro für Spekulationsgeschäfte.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.