Neos vs. ÖVP: Der Kampf um die bürgerliche Stadt

GEMEINDERATSWAHL IN SALZBURG: UNTERKOFLER /STROLZ
GEMEINDERATSWAHL IN SALZBURG: UNTERKOFLER /STROLZ(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
  • Drucken

Ob in Wien oder Salzburg: Die Neos gewinnen, die ÖVP verliert. Neben der konservativen Volkspartei hat sich die liberale Strolz-Partei als moderne Alternative etabliert. Warum ist das so?

Auf Anhieb 12,4 Prozent, während die ÖVP 8,4 Prozentpunkte verlor: Bei der Gemeinderatswahl in der Stadt Salzburg setzten die Neos ihren Erfolgslauf fort. Bei der vergangenen Nationalratswahl bot sich in Wien ein ähnliches Bild: In den bürgerlichen Bezirken legten die Neos einen Senkrechtstart hin – in der Innenstadt 15,5 Prozent, in Währing 13 Prozent, in Döbling und Hietzing knapp zwölf Prozent. In erster Linie auf Kosten der ÖVP. In zweiter auf Kosten der Grünen.

Warum ist das so? Eine Antwort in fünf Thesen.

1. Die Stadt ist gesellschaftlich einfach liberaler.

Die Stadt ist gesellschaftlich liberaler als die ländlichen Gebiete. In Wien etwa sind laut Meinungsforschern 75 Prozent der Bevölkerung links-liberal eingestellt. Das wirkt sich letztlich auch auf das bürgerliche Wählerlager aus. Bemerkbar war dies etwa im Jahr 2010, als ÖVP-Spitzenkandidatin Christine Marek einen Law-and-Order-Wahlkampf absolvierte, der ihr von der Bundes-ÖVP aufgezwungen wurde– und damit bei den jungen, liberalen Bürgerlichen scheiterte.

Die Neos holen jene bürgerlichen Wähler ab, denen die ÖVP zu konservativ ist, gleichzeitig heben sie das schlummernde LIF-Potenzial. Bei der vorigen Nationalratswahl schnitten die Neos in Wien überdurchschnittlich gut ab – 7,5 statt österreichweit 5 Prozent.

Die Rechnung lautet: Die Jungen „stiehlt“ man den Grünen, die etwas Älteren der ÖVP. Das Neos-Ziel für die Wien-Wahl im Jahr 2015 ist ein zweistelliges Ergebnis – laut Umfragen ist dies nicht unwahrscheinlich. Die ÖVP erreichte 2010 übrigens 13,9 Prozent.

2. Die Neos laufen der ÖVP bei den Start-ups den Rang ab.

Neos ist die Partei der Start-ups – und davon gibt es in Wien viele. In Städten konzentrieren sich Ein-Personen-Unternehmen, viele sind als Selbstständige in der Kreativwirtschaft und in internetaffinen Branchen tätig. Diese Gruppe, die die ÖVP – wie man dort selbst eingesteht – vernachlässigt hat, nehmen die Neos nun ins Visier, konkret ist das der Job des Wiener Unternehmers Niko Alm (Werbewirtschaft, Medien), der sich, taktisch klug, für den Erhalt der GmbH light starkmachte. Die Zielgruppe passt quasi perfekt zu den Neos, denn sie hat in Wirtschaftsfragen eher liberale Ansichten – die Grünen sind ihr oft zu „links“ –, andererseits sind diese Wähler im Privatleben sehr modern und gesellschaftspolitisch liberal – also nicht unbedingt ÖVP-kompatibel.

3.Bürger wählen Bürger – und ein bestimmtes Lebensgefühl.

Bürger wählen Bürger. Die Neos schaffen es, den Eindruck zu vermitteln, sie wären Bürger, die in die Politik gestolpert sind – also „Menschen wie du und ich“, die selbige nun vertreten wollen. Dieses Frischegefühl wirkt anziehend – vor allem auch auf das politikverdrossene Nichtwählerlager. Dazu kommt, dass die Neos-Proponenten relativ jung sind und eine Sprache und einen Stil verwenden, der der internet- und konsumaffinen Stadtbevölkerung vertraut ist. Statt Parteizentrale sagt man „Neosphäre“, Auftreten und Werbung erinnern manchmal eher an Ikea als an eine politische Partei.

Kurz: Man verkauft ein Lebensgefühl, für das Städter sehr empfänglich sind – wie früher der Aufstieg der Grünen gezeigt hat, der in den großen Städten begann.

So war das mit den Neos auch in Salzburg: Die Inhalte waren vage, die Gesichter aber neu. Diese Aura des Unverbrauchten war der Hauptgrund, warum die Wähler in der Stadt Salzburg die Neos vom Fleck weg zu einer Partei mit fünf Mandaten im Gemeinderat und einem Sitz in der Regierung machten. Die pinken Kandidaten sind zudem im bürgerlichen Lager der Stadt fest verwurzelt. Neos-Spitzenkandidatin Barbara Unterkofler ist die Tochter der früheren ÖVP-Landesrätin Maria Haidinger. Und jüngere Konservative konnten mit dem Kurs der Stadt-ÖVP, die sich als Lobby für jene Autofahrer positionierte, die auf Biegen und Brechen in die Altstadt fahren wollen, wenig anfangen.

4. Die ÖVP in der Stadt ist eine zerrissene Partei.

Die ÖVP ist zerrissen – in der Stadt mehr als anderswo. Die ÖVP weiß, dass liberale Positionen in der Stadt gut ankommen, darf aber ihren konservativen Anteil nicht verärgern. Mit Law and Order à la FPÖ konnte man bisher nicht wirklich punkten, nun demonstrativ offener zu werden birgt wiederum die Gefahr, zur pinken Kopie zu verkommen. Und in Wien ist zudem die kleine Landespartei nicht stark genug, um sich gegen die konservativere Bundeslinie aufzulehnen.

5. Unter Josef Pröll als ÖVP-Chef hätte es die Neos nie gegeben.

Aufgrund seiner politisch-menschlichen Breite war Josef Pröll als ÖVP-Chef noch am ehesten in der Lage, die Stadt für sich einzunehmen – ohne dabei das Land zu verlieren. Mit seiner Perspektivengruppe sandte er Signale an moderne, urbane, liberale Wähler aus. Die Homo-Partnerschaft war ein Beispiel dafür. Viele der heutigen Neos-Funktionäre waren unter Josef Pröll Teil des Perspektivenprozesses, etwa Vize-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger. Die von Michael Spindelegger geführte ÖVP ist wieder ganz auf die konservative, christlich-soziale Kernwählerschicht zugeschnitten. „Die Spindelegger-ÖVP steht für Enge“, befand unlängst der steirische ÖVP-Landesrat Christopher Drexler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

THEMENBILD: GEMEINDERATS- B�RGERMEISTERWAHL IN SALZBURG / PLAKATE
Innenpolitik

Stadt Salzburg: Jeder Zweite wählte nicht

Nichtwähler stellten in der Landeshauptstadt die Mehrheit. Daran war nicht nur das Wetter schuld.
Experten: "Neos können gar nichts falsch machen"
Politik

Experten: Neos in der Stadt "bessere ÖVP"

Die Salzburg-Wahl habe bestätigt, dass die ÖVP in den Städten massiv an die Neos verliere, sagen der Politologe Filzmaier und der Politikberater Hofer.
GEMEINDERATSWAHL IN SALZBURG:  SCHADEN / PREUNER
Politik

ÖVP zur Salzburg-Wahl: "Gibt eben Stadt-Land-Gefälle"

VP-Chef Spindelegger will die Verluste seiner Partei in der Stadt Salzburg nicht überbewerten. Oberösterreichs Landeshauptmann Pühringer fordert "Schwerpunkte im urbanen Bereich".
Politik

"Ötzi"-Nachfahre erzielt bestes Ergebnis für Team Stronach

Sepp Wimmer stammt von dem Gletschermenschen ab. Bei den Salzburger Kommunalwahlen schaffte er in Mittersill 7,3 Prozent.
Innenpolitik

Salzburg: Neos-Glück, ÖVP-Elend

Die Neos triumphieren in der Stadt Salzburg, Rot-Grün behält knapp die Mehrheit, die ÖVP stürzt ab. Es wird bunter im Salzburger Gemeinderat.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.