Industrie

Metaller fordern 11,6 Prozent mehr Lohn

Auf die Unternehmen in Österreichs Metallindustrie kommen saftige Lohnsteigerungen zu.
Auf die Unternehmen in Österreichs Metallindustrie kommen saftige Lohnsteigerungen zu. Reuters / Wolfgang Rattay
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Mitten im Wirtschaftsabschwung startete am Montag die Herbstlohnrunde. Ein Lohnabschluss unter der Inflation ist für die Metallergewerkschaften „undenkbar“. Doch die Arbeitgeber sehen „keine Spielräume“.

Die Metallergewerkschaften fordern eine Lohnerhöhung um 11,6 Prozent. Das kündigten sie am Montag am späten Vormittag an. Voriges Jahr hatten die Gewerkschaften eine Lohnsteigerung von 10,6 Prozent gefordert. Am Ende wurde es eine Lohnerhöhung um durchschnittlich 7,4 Prozent. Es geht um die Löhne und Gehälter von rund 200.000 Beschäftigten in der Metallindustrie.

Der neue Kollektivvertrag, der in den kommenden Wochen ausgehandelt wird, gilt ab 1. November. Auf der Agenda der Verhandler steht auch das Thema Arbeitszeit. Beschäftigte in der Metallindustrie sollen das Recht erhalten, Teile der vereinbarten Lohnsteigerungen in zusätzliche Freizeit umzuwandeln. Außerdem fordert die Gewerkschaft eine die leichtere Erreichbarkeit einer sechsten Urlaubswoche. Derzeit gilt, dass Beschäftigte zumindest 25 Jahre beim selben Arbeitgeber beschäftigt sein müssen, um die sechste Urlaubswoche zu erhalten. Daher sei die sechste Urlaubswoche für die meisten Arbeitnehmer unerreichbar, argumentieren die Arbeitnehmervertreter .

Am Montag um 11:00 Uhr kamen die Gewerkschaften in der Wirtschaftskammer mit den Arbeitgebervertretern der Metallindustrie zusammen. Die Metaller machen den Anfang in der Herbstlohnrunde. Diese Lohnrunde gilt als eine der bedeutendsten seit Langem. Denn die die Inflation schlägt voll zu: 9,6 Prozent waren es im Durchschnitt der zurückliegenden zwölf Monate. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich über die letzten Monate zusehends verschlechtert. Im zweiten Quartal schrumpfte Österreichs Wirtschaft um 1,1 Prozent. Vor allem Handel und Industrie schwächelten.

Die hohe Lohnforderung argumentieren die Vertreter der Gewerkschaften Pro-Ge und GPA mit der Sicherung der Kaufkraft. Die Arbeitnehmer hätten in den vergangenen Monaten einen der größten Reallohnverluste in der Geschichte der Zweiten Republik erlitten.

Sehr viel deutet daher darauf hin, dass die Verhandlungen hart werden. Die Verhandler haben die Fronten bereits abgesteckt: Die Gewerkschaften wollen jedenfalls die Inflation abgegolten haben. Die Industrievertreter verweisen auf die schlechte wirtschaftliche Lage, Auftragsrückgänge und Kostensteigerungen. Es gebe daher keine Spielräume in den Lohnverhandlungen, und die Arbeitgeber seien auch nicht dafür zuständig, die Kaufkraft zu erhalten.

Die heikelste Lohnrunde seit Langem

Mehr denn je haben die Lohnverhandlungen heuer auch eine gesamtwirtschaftliche Komponente. Das liegt an der Inflation, die in Österreich deutlich höher ist als in der Eurozone. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI), der Indikator, der die Inflationsraten international vergleichbar macht, lag im Euroraum im August bei 5,3 Prozent. In Österreich waren es 7,6 Prozent.

Ab Mitte 2021 zog die Inflation in Österreich an, getrieben durch die hohen Energiepreise als Folge von Russlands Angriff auf die Ukraine. Ab Mitte 2022 traten sogenannte „Zweitrundeneffekte“ ein und steigende Unternehmensgewinne verstärkten den Preisauftrieb, schreibt die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) in einer aktuellen Analyse. Im zweiten Quartal 2023 wurden die Löhne zum bedeutendsten Inflationstreiber, heißt es darin weiter. „Bis Ende 2024 ist eine anhaltend hohe Rolle der Löhne für die Inflation zu erwarten“, schreiben die Ökonomen.

„Jeder dritte Betrieb schreibt Verluste“

Voriges Jahr brauchte es vier Verhandlungsrunden bis zum Metaller-Abschluss. 2021 gab es mehrstündige Warnstreiks in 350 Betrieben. 2022 lediglich Betriebsversammlungen – die erste Stufe des Arbeitskampfes. Die große Frage ist, ob die Lohnrunde heuer eskalieren wird. Im Vorfeld der Verhandlungen wollte offiziell niemand das Wort Streik in den Mund nehmen. „Wir müssen das Pferd schon von der richtigen Seite aufzäumen“, sagte Reinhold Binder, Chefverhandler der Industriegewerkschaft Pro-Ge, zur „Presse“. Zunächst werde man mit den Arbeitgebern die Sichtweisen austauschen. „Wenn wir respektvoll miteinander umgehen, kann natürlich sehr schnell eine Einigung herbeigeführt werden“, sagte Binder. Falls nicht, werde man im Zuge der Verhandlungen die Arbeitnehmer mitbeteiligen müssen und die Belegschaften darüber informieren, was der Verhandlungsstand ist, also Betriebsversammlungen abhalten. Die Gewerkschaft stehe auf jeden Fall für nachhaltige Lohnabschlüsse, so Binder. „Ein Lohnabschluss unter der Inflation ist für uns undenkbar.“

Die Presse / PW

Arbeitgebersprecher Knill hielt dagegen, dass viele Unternehmen derzeit um Aufträge ringen. „Jeder dritte Betrieb schreibt Verluste, die Industrie steckt in der Rezession, und wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz.“ Die Industrie könne „nur verteilen, was wir erwirtschaften“, stellte er klar. Die Abgeltung der Inflation wollte er im Vorfeld nicht zusagen. Stattdessen pocht er auf „neue Lösungen“ in den Lohnverhandlungen. Knill ist Fachgruppenobmann der metalltechnischen Industrie, mit 137.000 Beschäftigten die größte Sparte der Metallunternehmen.

„Die Kuh melken, aber nicht derschlagn“

Im Vorfeld der Lohnrunde kam es zu einer verbalen Eskalation, ausgelöst durch ein Interview von ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Dieser hatte in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ gesagt, die Gewerkschaften hätten immer eine sehr verantwortungsvolle Lohnpolitik gemacht und geschaut, „dass wir die Kuh melken, aber nicht derschlagn.“ Darüber empörte sich Metaller-Sprecher Christian Knill: Er sei „fassungslos über die vulgäre und niveaulose Rhetorik des ÖGB-Präsidenten“. Es sei „inakzeptabel“, Unternehmer pauschal als Melkkühe zu bezeichnen.

Voriges Jahr einigten sich die Metaller-Verhandler auf eine durchschnittliche Lohnerhöhung um 7,4 Prozent. Basis war eine Inflation von 6,3 Prozent.

Österreich in der Stagflation

Die Logik der Kollektivvertragsverhandlungen will es, dass die Löhne rückwirkend verhandelt werden: Laut der zugrunde liegenden Benya-Formel soll den Beschäftigten die Inflation abgegolten werden – plus ein Anteil am Produktivitätszuwachs. Gleichzeitig sind die wirtschaftlichen Aussichten finster. Österreich befindet sich in der Stagflation – hohe Inflation (7,4 Prozent im August) bei gleichzeitig stagnierender bzw. schrumpfender Wirtschaft. Die Industrie steckt bereits in der Rezession. Ökonomen halten sogar eine gesamtwirtschaftliche Rezession für heuer für realistisch. Das war in Österreich zuletzt in der Pandemie 2020 und davor 2009 der Fall.

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