Baustoffrecycling

Fliesen, Balken und Parkett: „Viel zu wertvoll, um sie zu verschwenden“

Aus dem Holz eines alten Türrahmens wird beispielsweise ein neues Regal, die Materialnomaden beim Abbruch des ÖBB-Bahnhofsgebäudes in Gedersdorf.
Aus dem Holz eines alten Türrahmens wird beispielsweise ein neues Regal, die Materialnomaden beim Abbruch des ÖBB-Bahnhofsgebäudes in Gedersdorf.ÖBB/WeXplore
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Baustoffe mit Patina und Geschichte setzen nicht nur gestalterische Akzente. Sie sind darüber hinaus ein starkes Signal für Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit.

Historische Baustoffe wie Holzbalken, (Dach-)Ziegel, Fliesen, Stein- oder Holzböden, Stiegen und Geländer waren schon in der Vergangenheit gefragt. Sei es, weil deren Fans sich mit diesen von industrieller Massenfertigung abheben wollten, sei es, weil sie die Wertigkeit der Stücke zu schätzen wussten. Seit Kurzem kommt mit Nachhaltigkeit ein weiterer Beweggrund dazu: Denn mit der Wieder- und Weiterverwendung der Materialien werden wertvolle Ressourcen erhalten und neue geschont.

Im Wertekreislauf behalten

Gleichzeitig wird das Abfallaufkommen reduziert, fallen doch allein durch den Abriss von Gebäuden österreichweit mehr als zehn Millionen Tonnen Abfall pro Jahr an. „Baumaterialien sind definitiv eine viel zu wertvolle Ressource, um sie zu verschwenden“, sagt Andrea Kessler von den Materialnomaden. Deren Vision ist es, die Bauwirtschaft im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu revolutionieren und so viele Materialien und Teile wie möglich aus Abbruchhäusern zu retten, um sie wiederzuverwenden. Gemeinsam mit Weitzer Parkett wurde beispielsweise Mitte des Vorjahres das Produkt Re-Parkett auf den Markt gebracht.

»Altes Parkett ist so wertvoll, dass es sich lohnt, dieses vor der Entsorgung zu bewahren und – neu aufbereitet – wieder in den Wertekreislauf zurückzuführen.«

Michaela Mayr 

Weitzer Parkett

„Altes Parkett ist so wertvoll, dass es sich lohnt, dieses vor der Entsorgung zu bewahren und – neu aufbereitet – wieder in den Wertekreislauf zurückzuführen“, sagt Michaela Mayr von Weitzer Parkett. Dazu komme, dass beispielsweise 70 Quadratmeter Parkett eine Tonne CO2 binden. „Wir bauen alte Eichen-Parkettböden, denen die Entsorgung droht, ab, und liefern sie zu Weitzer Parkett“, erzählt Kessler. Dort werden die massiven Parkettbretter, die bis zu 200 Jahre alt sind, händisch abgeschliffen, auch die Kanten werden geschärft. Weiters erhalten die Bretter ein neues Profil an den Seiten sowie eine neue Nut-Feder-Verbindung. Danach werden sie an Liebhaber von Baustoffen mit Geschichte verkauft. „Noch handelt es sich aber um ein Nischenprodukt“, sagt Mayr.

Ausschuss mitberechnen

Nicht zuletzt, da historische Baumaterialien ihren Preis haben. „Wertige historische Baustoffe sind teurer als Massenware“, sagt Patrick Kropik von der Baustoffmanufaktur. Dafür gibt es jedoch gute Gründe: Die alten Böden, Ziegel, Fliesen und andere Materialien müssen nämlich in zeitaufwendiger Handarbeit demontiert werden. „Trotz aller Sorgfalt kann dabei etwas kaputtgehen, oder man entdeckt, dass bereits etwas kaputt ist. Das heißt, man hat einen gewissen Ausschuss“, sagt Kropik, dessen Fokus auf alten Holzböden liegt. Dazu würden Transport- und Lagerkosten, eventuell auch noch Ausgaben für Reinigung, Restaurierung und Aufbereitung kommen. Darüber hinaus würde sich auch die Tatsache, dass es sich um Raritäten handelt, auf den Preis schlagen.

»Wertige historische Baustoffe sind teurer als Massenware. «

Patrick Kropik

Baustoffmanufaktur

An die Baustoffe mit Geschichte heranzukommen, ist nämlich nicht immer einfach: Als größte Herausforderung bezeichnet Kessler die verschiedenen Epochen, aus denen die Gebäude stammen. „Ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert ist sehr gut zerlegbar, während bei jenen, die ab den 1960er-Jahren errichtet wurden, vieles auf der Strecke bleibt, da sie viele verklebte Materialien enthalten“, erzählt die Architektin. Weiters seien sich, anders als etwa in England oder den Beneluxstaaten, viele Eigentümer hierzulande nach wie vor dessen nicht bewusst, dass auch dem Abbruch geweihte Gebäude wertvolle Materialien enthalten. „Da braucht es noch Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung“, sagt Kessler. Hilfreich könnten dabei Ansätze im Regulativ sein, wonach Bauteile, die für die Wiederverwendung geeignet sind, ausgewiesen werden müssen.

Kessler weist hierbei noch auf einen weiteren wichtigen Punkt hin – nämlich die Notwendigkeit, möglichst frühzeitig beigezogen zu werden: „Wenn die Bauteile in der Mulde liegen, ist es für uns zu spät. Dann sind sie nämlich Abfall – und den dürfen wir aus abfallrechtlichen Gründen nicht weiterverwenden“, erklärt sie. Dazu komme, dass in diesem Fall die Baustoffe auch nicht fachgerecht abgebaut und häufig beschädigt wurden.

Zeitgerecht involviert wurden die Materialnomaden beispielsweise von den ÖBB beim Abbruch des Bahnhofsgebäudes in Gedersdorf (NÖ). „Wir haben gemeinsam einen Katalog erstellt, welche Teile wiederverwendet werden konnten“, erzählt Kessler. So wurden beispielsweise Ziegel oder der alte Dachstuhl weitervermittelt, während kleinere Teile, wie etwa Hutablagen, von den Materialnomaden zu Designobjekten verwandelt wurden.

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