Protest in Wien

Warum (und wofür) das Kindergartenpersonal heute streikt

Schon im Oktober 2021 wurde in den Kindergärten gestreikt (im Bild). Jetzt ist es wieder so weit.
Schon im Oktober 2021 wurde in den Kindergärten gestreikt (im Bild). Jetzt ist es wieder so weit. APA / Comyan / Hans Punz
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Die meisten Kindergärten in Wien sind heute, Dienstag, geschlossen. Bis zu 100.000 Kinder sind betroffen. Woran das System seit Jahren krankt und was helfen könnte.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Elementarpädagoginnen in Wien auf die Straße gehen. Zuletzt gab es vor zwei Jahren große Proteste, bei denen vor allem mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen gefordert wurden, um die Kinder ordentlich betreuen zu können. Viel getan hat sich seitdem nicht. Jetzt protestiert das Kindergartenpersonal also wieder: Die meisten Kindergärten in der Hauptstadt sind am Dienstag geschlossen, bis zu 100.000 Kinder und ihre Familien sind von dem Streik betroffen.

Worum es geht? Polemisch gesagt: Immer um dieselben Themen. Während der Kindergarten seit Jahren als erste Bildungseinrichtung gepriesen wird und die Herausforderungen immer mehr geworden sind – Sprachförderung zum Beispiel sollte am besten auch schon im Kindergarten passieren, damit am Ende nicht die Volksschulen mit immer mehr Kindern ohne gute Deutschkenntnisse dastehen – haben die Rahmenbedingungen nicht entsprechend mitgezogen.

Geld ist nicht genug

Zwar hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zuletzt 4,5 Milliarden Euro bis 2030 in Aussicht gestellt und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) hat für Wien einen Stufenplan präsentiert, bei dem aktuell die Zahl der Assistenzstunden erhöht werden soll, das ist dem Kindergartenpersonal aber nicht genug: Die Gewerkschaft Younion, die die Mitarbeiter der öffentlichen Kindergärten vertritt, fordert ein Prozent des BIP für den Elementarbereich.

Worüber seit Jahren diskutiert wird: die Arbeitsbedingungen. Die Probleme reichen von der Gruppengröße – Experten fordern statt einer Pädagogin auf 15 Kinder ein Verhältnis von eins zu sieben –, bis zur Tatsache, dass Elementarpädagoginnen kaum Zeit für Vor- und Nachbereitung haben: Laut der Plattform EduCare haben sie in der Regel 36 Kinderstunden – und nur vier Stunden für Elterngespräche, Vorbereitung, Reflexion und so weiter.

Frust bei Pädagoginnen

Das führt zu Frust: Viele Pädagoginnen haben das Gefühl, unter diesen Bedingungen weder den eigenen Ansprüchen noch den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden und steigen daher oftmals nach kurzer Zeit wieder aus dem Beruf aus. Die Gewerkschaft fordert daher neben einem besseren Betreuungsschlüssel u.a. mehr Reinigungspersonal, damit Assistentinnen freigespielt werden, administrative Unterstützung, mehr Psychologinnen und überhaupt: eine Ausbildungsoffensive.

Nicht explizit angesprochen, aber definitiv auch ein Thema: der eher niedrige Verdienst des Kindergartenpersonals, der viele potenzielle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ebenfalls abschreckt. Das gewerkschaftsnahe Momentum Instituts geht von einem durchschnittlichen Nettolohn für Elementarpädagoginnen von 1464 Euro aus, am höchsten ist dieser demnach in Wien (1661 Euro), am wenigsten verdient man als Pädagogin oder Pädagoge in Tirol (1312 Euro).

Ein Pingpong-Spiel

Ein Grundproblem, das seit Jahren diskutiert wird: die Tatsache, dass die Verantwortung für die Kindergärten bei den Ländern liegt. Nicht nur, dass daher einheitliche Rahmenbedingungen fehlen: Das ist auch der Boden dafür, dass sich Bund und Länder das Thema Elementarpädagogik gerne wechselseitig zuschupfen. Auch das ist daher eine der Forderungen, die das Kindergartenpersonal am Dienstag vor sich herträgt: ein einheitliches Bundesrahmengesetz.

Protest

Die Kindergärten, Horte und die schulische Freizeitbetreuung der meisten privaten Träger in Wien sind wegen der Betriebsversammlungen von 6 bis 15.30 Uhr geschlossen, auch das Personal der städtischen Kindergärten hat sich dem Protest angeschlossen: Zwei Drittel der städtischen Standorte sind geschlossen, an den übrigen gibt es Notbetrieb, weil das Gesetz eine Versorgung vorschreibt. Die Protestierenden treffen einander im Sigmund-Freud-Park, um zehn Uhr beginnt von dort aus der Demozug durch die Innenstadt.

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