Parlamentsreportage

Rauch legt Sobotka Rücktritt nahe

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) saß am Mittwoch zunächst fest in seinem Chefsessel im Nationalrat.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) saß am Mittwoch zunächst fest in seinem Chefsessel im Nationalrat.APA/Eva Manhart
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Bei der Sitzung am Mittwoch saß wie gewohnt Wolfgang Sobotka am Vorsitz. Die Budgetdebatte geriet ob der Vorwürfe gegen ihn in den Hintergrund. Am Abend gab es dann doch eine Sonderpräsidiale.

Für sein Sitzen ist Wolfgang Sobotka bekannt. Etwa seit 2017 fest am Vorsitz des Nationalrats. So auch am Mittwoch, um die unterbrochene Budgetdebatte zu eröffnen. Anders als am Tag zuvor aber stand er plötzlich selbst im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Denn neuerlich wurden schwere Vorwürfe gegen ihn bekannt, die ein Audiomitschnitt wiedergibt, der am Vortag von mehreren Medien veröffentlich worden war: Sobotka soll in seiner Zeit als Innenminister enormen Druck auf den verstorbenen Justizbeamten Christian Pilnacek ausgeübt haben. Das sagte Pilnacek selbst in dem Gespräch in einem Wiener Lokal, das geheim aufgenommen worden sein soll.

Grüne: „ÖVP soll intensiv nachdenken“

Wer deshalb damit gerechnet hatte, dass sich Sobotka durch Doris Bures (SPÖ) oder Norbert Hofer (FPÖ) vertreten lassen würde, täuschte sich. Er saß betont entspannt in seinem Sessel, kratzte sich mit einem Lächeln zuweilen am Kopf und tippte auf seinem Handy.

Am Vormittag hatte die Opposition – angeführt von der SPÖ – eine Sonderpräsidiale gefordert. Die hatte es erst am Abend gegeben. In dieser kam auch die Rücktrittsforderung der Opposition an Sobotka zur Sprache. Diese aber lehnte er ab, die Vorwürfe seien unwahr.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hatte Sobotka gegenüber der „Kleinen Zeitung“ zuvor den Rücktritt nahegelegt. „Wäre ich in der Situation von Sobotka, ich hätte meinen Hut genommen. Ich habe einen klaren moralischen Kompass“, wurde Rauch in der Online-Ausgabe der „Kleinen Zeitung“ Mittwochabend zitiert.

Opposition pochte auf Präsidiale

Am Vormittag hatte sich zunächst SPÖ-Klubchef Philip Kucher zur Geschäftsordnung gemeldet, um von Sobotka eine sofortige Sonderpräsidiale (Beratung zwischen den drei Nationalratspräsidenten und den Kluobobleuten, Anm.) einzufordern. Das hatte Sobotka zunächst unbeeindruckt gelassen. Kucher argumentierte in seine Richtung, dass „neuerlich Vorwürfe gegen Ihre Amtsführung und Sie als Person öffentlich bekannt geworden sind“. Neuerlich deshalb, weil schon im Zuge der Causa Thomas Schmid der Vorwurf rund um Sobotkas inzwischen aufgelöstes Alois-Mock-Institut erhoben wurde. Die Ermittlungen rund um unrechtmäßige Zahlungen wurden rechtskräftig eingestellt.

Dass nun im Raum stehe, dass Sobotka „Einfluss auf die Justiz“ genommen habe, „macht es unmöglich für uns alle, zur Tagesordnung überzugehen“, sagte Kucher. Um Schaden von der Republik zu halten, solle Sobotka die Sitzung unterbrechen und sich erklären. „Es kann nicht sein, dass dieses wichtige Amt durch Sie beschädigt wird“, sagte Kucher, der parteiübergreifend für seinen korrekten Umgang im Hohen Haus geschätzt wird. Erst am Mittwochabend gab es eine solche Sonderpräsidiale schließlich.

Zuvor war Stocker rund um die Gerüchte einer baldigen Enthüllung bzw. nach der anschließenden Berichterstattung ausgeritten, um Sobotka zu verteidigen. Auch am Mittwochvormittag verteidigte Stocker den Parteikollegen im Plenum. Man erhebe „am Rücken eines Menschen, der sich nicht mehr wehren kann“, Vorwürfe, die bereits im U-Ausschuss geklärt worden seien.

Auch Kanzler und ÖVP-Parteichef Karl Nehammer erklärte etwa zeitgleich im Foyer nach dem Ministerrat, dass Sobotka „sein Vertrauen“ habe. Die ganze Affäre sei „pietätlos“ und störe die Totenruhe Pilnaceks, der sich dazu nicht mehr äußern könne. Im ÖVP-Klub aber klingt das da und dort anders. Eine Mischung aus Resignation und Zynismus macht sich breit. Vor allem bei jüngeren Mandataren wächst die Frustration mit Sobotka. Strategisch mache es aber wenig Sinn, ihn so kurz vor den Wahlen noch hinauszudrängen, heißt es.

FPÖ fordert „cordon sanitaire“

Die Grünen äußerten sich nicht zur Geschäftsordnung. Sehr wohl aber im Hintergrund, wo Sobotka für viele inzwischen als untragbar gilt. Auch deshalb, weil er auf den letzten Metern der Koalition wichtige Aufmerksamkeit für beschlossene Reformen (Gesundheit, Pflege, Transparenz, Finanzausgleich) absauge, wie es im grünen Klubs heißt. Justizministerin Alma Zadić kündigte am Mittwoch unterdessen an, eine Untersuchungskommission zur Causa einrichten zu wollen.

Wie die Haltung der Grünen zu einem neuen U-Ausschuss der Opposition gegen die ÖVP aussieht, beantwortete Nina Tomaselli, im letzten U-Ausschuss Fraktionsführerin, auf Nachfrage so: „Sollte es dazukommen, wäre das sinnvoll“. Sobotka habe das „Vertrauen in die Demokratie beschädigt“. Die ÖVP müsse „intensiv darüber nachdenken, wie lange sie diesem Mann noch die Mauer macht.“

Die Opposition stand geschlossen hinter der Forderung Kuchers, die schlussendlich ins Leere verlief, weil nur der Präsident selbst eine Präsidiale einberufen kann.

FPÖ-Herbert Kickl forderte am Mittwoch einen „cordon sanitaire“ gegen Sobotka, „der auch das Hohe Haus in Geiselhaft genommen hat“. Kickl appellierte an die „integren Persönlichkeiten in der ÖVP“, die Tragweite zu erkennen; den Bundespräsidenten forderte er auf, das Schweigen zu beenden und die anderen Fraktionen forderte er auf, Sobotka ebenfalls das Misstrauen auszusprechen.

Neos: „Können so nicht weitermachen“

Der zweithöchste Mann im Staat stehe im Verdacht, staatliche Institutionen „zur Durchsetzung der ÖVP-Machtinteressen zu missbrauchen“, das sei „Anstiftung zum Amtsmissbrauch“ in einer Zeit, in der er „oberster Chef über alle Ermittlungsbehörden war“. Sobotka betreibe einen „tiefen Staat“ und baue diesen aus. Angesichts der „moralischen Entrüstung der ÖVP“ infolge des Ibiza-Videos der FPÖ, die schlussendlich Schwarz-Blau die Koalition kostete, sei das Wegschauen so „heuchlerisch“, dass es beim Zuschauen wehtue.

Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger zeigte sich am Mittwochvormittag „irritiert“ über die Art, wie die Vorwürfe publik geworden sind, jedoch irritierter über Sobotka: „So können wir doch nicht weitermachen und zur Tagesordnung übergehen“, sagte sie. „Es ist nichts widerlegt worden im U-Ausschuss“.

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