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„Anne Will“, zum allerletzten Mal: „Das war schon stilprägend“

Zu Gast waren der deutsche Wirtschaftsminister, Robert Habeck, der Schriftsteller Navid Kermani, der Historiker Raphael Gross und die Politikwissenschaftlerin Florence Gaub.
Zu Gast waren der deutsche Wirtschaftsminister, Robert Habeck, der Schriftsteller Navid Kermani, der Historiker Raphael Gross und die Politikwissenschaftlerin Florence Gaub.
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16 Jahre lang war „Anne Will“ die relevanteste Polit-Talkshow im deutschen Fernsehen. In ihrer letzten Sendung wurde es recht allumfassend.

In Deutschland, wo das Wort Debattenkultur nicht nur ein Problembegriff ist, gilt sie als prägend: Anne Will, die 16 Jahre lang sonntagabends auf dem wichtigsten Sendeplatz die Lage des Landes oder der Welt besprach. Und zwar ruhig, nüchtern, professionell und unaufgeregt. Manchen Zusehern zwar deutlich zu ruhig und nüchtern. Aber insgesamt doch auf eine Art und Weise, die Grund für viele Respektbekundungen gab.

Eine wichtige etwa live in der Sendung, am Ende. „Danke Ihnen für 16 Jahre Aufklärung. Das war schon stilprägend“, sagte der deutsche Wirtschaftsminister, Robert Habeck, gegen Ende der ARD-Talkshow. Auch die anderen Gäste würdigten die Moderatorin, sprachen von Respekt. Und Will, kurz und klar: „Und auch wenn’s ein bisschen pathetisch klingen mag: Das war mir auch eine echte Ehre.“

Aber Aufgeregtheit war ja der (gesellschaftliche) Zustand, den Will tunlichst vermeiden wollte. Sie habe im Laufe der Jahre „mehr und mehr verstanden, wie sehr diese Sendung die Debattenkultur in Deutschland prägt“, sagte Will kürzlich in einem Interview mit der „FAZ“. Weil der „Empörungswille“ in den sozialen Medien immer stärker wurde, machte sie die Sendung „gleichsam als Gegenentwurf“ in der Tonalität nüchterner.

„Anne Will“ wollte und sollte einordnen. Wobei das Thema Ordnung, generell in Deutschland wohl präsenter als anderswo, am Ende der letzten Sendung auch eine Rolle spielte: „Die Welt in Unordnung“ lautetet der Titel. Mit der nachgestellten Frage: „Ist Deutschland den Herausforderungen gewachsen?“ Angesichts der vielen Krisen, war gemeint, also: Russland und Ukraine, der Israel-Krieg, die Klimakrise (wofür keine Zeit blieb) und natürlich der deutsche Bundeshaushalt. „Wir sind umzingelt von Wirklichkeit“, sagte Habeck einmal und sprach wohl vielen aus dem Herzen.

Weiter mit NDR und ARD: „Ist ja klar“

Wobei freilich nicht nur das (in seinem Umfang unmöglich auf den Boden zu bringende) Thema mit irgendwie allem interessierte, sondern auch der Abschied der 57-jährigen Moderatorin. Die schon kundtat, dass sie „nach all den Jahren, die ich ungefähr immer das Gleiche gemacht habe“, nun wieder verschiedene Spielformen des Journalismus in Angriff nehmen wolle. „Ich will wieder rausgehen, Reporterin sein, Dokumentationen drehen, Einzelinterviews führen. Ich werde ausgesuchte Veranstaltungen moderieren. Ich will Podcasts machen, ich kann mir Radio vorstellen“, sagte sie kürzlich in der „FAZ“. Und kündigte nun an, sie werde die Zusammenarbeit mit dem NDR und der ARD fortsetzen: „Das ist ja klar.“

Es folgten noch Blumen und ein Zusammenschnitt aus früheren „Anne Will“-Ausgaben. In völliger Unaufgeregtheit, ohne Gottschalkisches Selbstmitleid oder Weltenschelte. Denkbar unspektakulär kündigte Will außerdem ihre Nachfolgerin, Caren Miosga, so an: „Seien Sie nett zu ihr, sie ist es auch.“ Man kann gespannt sein. Denn so leicht, wie es klingt, ist es nicht: eine Runde von Menschen zu versammeln, die zu einem aktuellen Thema ein spannendes Gespräch mit klugen Gedanken führen. Und dabei noch so etwas wie eine Debattenkultur bewahren.

>> Die Sendung zum Nachschauen

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