Zwischentöne

Wie viele Primadonnen braucht man für eine Premiere?

Am Tag des Hl. Ambrosius eröffnet seit Menschengedenken die Mailänder Scala ihre Saison. Notizen zu einem „Opernduell“, das keines war.

Eine Premiere in der Wiener Staatsoper am 7. Dezember? Gewiss: Asmik Grigorian als Turandot, das sorgte im Vorfeld für Neugier. Aber das Datum, den Tag des Hl. Ambrosius, assoziieren geeichte Opernfreunde doch mit der Eröffnung der Saison an der Mailänder Scala. Sie wird international live übertragen, die Aufzeichnung ein halbes Jahr lang auf „Arte“ abrufbar sein.

Da standen diesmal in Verdis „Don Carlos“ gleich zwei Primadonnen auf der Bühne: Anna Netrebko als Elisabeth und Elīna Garanča als Prinzessin Eboli, Hausherr Riccardo Chailly dirigierte. Und Lluís Pasqual hat eine Inszenierung beigesteuert, die in recht realistischen Bildern die Geschichte jenes Librettos erzählt, das Giuseppe Verdi vertont hat. Früher fand man das normal. Heute verachten das deutsche Feuilletonisten als „billige Bebilderung der Handlung“. Das Publikum freilich – die Reaktion der Scala-Besucher lässt es ahnen – mag das immer noch. Zumindest gab es kaum Proteste gegen den Regisseur, dafür umso lauteren Jubel für die mehrheitlich glänzend disponierten Sänger.

Netrebko und Garanča gelten ohnehin längst als Klasse für sich, die Sopranistin nach wie vor souverän, mit den bei reifen Primadonnenstimmen üblichen, metallischer werdenden Spitzentönen, aber in ihrer souveränen Beherrschung fein modellierter, ausdrucksstarker und in weiten Bögen geschwungener Phrasen nach wie vor konkurrenzlos. Das lässt sich auch via Rundfunkübertragung genießen und würdigen, ebenso die Tatsache, dass die Garanča im dramatischen Mezzo-Fach erst ihre gesamte, immense expressive Potenz zu entfalten scheint: Auch im Furor forciert dies Eboli nicht. Vom Ziergesang des „Schleierlieds“ bis zum krönenden, dramaturgisch vernichtenden „Don fatale“ eine Interpretation aus einem Guss.

Unter den durchwegs zumindest soliden Herren können Wiener mit Freude Jongmin Park ausmachen, der den Mönch/Karl V. sang, einspringenderweise zusätzlich den Groß­inquisitor gab: sonor und orgelnd – manch einer hört da schon den kommenden König Philipp, den diesmal Michele Pertusi meisterte, mit Anstand, doch fernab großer Vorbilder.

»Opernfreunde sollten hie und da auch fernsehen – und Bücher lesen …«

Eine Beobachtung am Rande der Wiener „Turandot“: Thomas Cubasch, findiger Chef des Verlags Der Apfel, publiziert jenseits des Mainstreams interessante Musikbücher, rettet aber auch ältere Exemplare vor der Makulierung. So etwa den exzellenten Katalog, den die Brüder Láng für die Ausstellung „Puccini an der Wiener Staatsoper“ gestaltet haben.

Da findet sich allerhand Wissenswertes über den Komponisten und seine Beziehung zur Staatsoper, wo seiner Meinung nach unter anderem einst die große Maria Jeritza die rechte Position für die Darstellerin seiner Tosca während des „Gebets“ im Mittelakt gefunden hat. Durch einen kleinen Übersetzungsfehler ist dieser Passage beinahe, aber gottlob nur beinahe die Pointe verloren gegangen. Lesenswert, jedenfalls!

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