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Womit uns Wien 2024 überraschen wird

Wien wird 2024 zur Demokratierhauptstadt.
Wien wird 2024 zur Demokratierhauptstadt.APA / Comyan / Roland Schlager
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Wer hätte das gedacht: dass Wien einmal Demokratiehauptstadt Europas oder all seine Projekte einem Klimacheck unterziehen wird? Das Jahr birgt Potenzial für Überraschungen. Doch nicht alles ist ein Grund zur Freude.

Manches ist vorhersehbar. Wien wird vermutlich wieder lebenswerteste Stadt der Welt oder zumindest auf Platz zwei oder drei in dem Ranking landen. Anderes birgt Überraschungen, seien es neue Stadtgebiete oder alteingesessenes Inventar, das endlich ausgemustert wird. Eine Auswahl.

Stadtpolitik

Im Jahr 2024 wird Wien einen Status erreichen, den die meisten Wienerinnen und Wienern der Stadt(politik) nicht zugetraut hätten: Wien wird zur amtierenden Demokratiehauptstadt Europas. Gewählt wurde die Bundeshauptstadt von europäischen Experten und europäischen Bürgern, Wien folgt hier auf Barcelona. Im Spätherbst 2024 beginnt Wiens „Demokratiejahr“, in dem der Fokus auf demokratiestärkenden Veranstaltungen, Initiativen und Projekten liegt. Während der Zeit, in der Wien Demokratiehauptstadt ist, sollen demokratische Innovationen entwickelt werden, die auf „Ideen und Bedürfnissen“ von Bürgern aufbauen, wird es formuliert. Beispielsweise werden auch Beteiligungsprojekte wie das „Wiener Klimateam“ weitergeführt. Es soll auf kooperative Art weitere Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise entwickeln.

Gesundheit

Das österreichische Gesundheitssystem ist maroder, als die meisten glauben. Mit zahlreichen Schwachstellen, die im kommenden Jahr gnadenlos offengelegt werden. Die sinkende Qualität der medizinischen Versorgung der Bevölkerung ist vielen nur deswegen nicht aufgefallen, weil der schleichende Verfall von einem sehr hohen Niveau aus begonnen hat.

Insbesondere in den Krankenhäusern werden Patienten zu spüren bekommen, dass Österreich längst im europäischen Mittelfeld angelangt ist – zeigen wird sich diese Tatsache bei Wartezeiten auf Termine ebenso wie bei Wartezeiten auf Operation und bei den raschen Entlassungen nach Eingriffen oder Behandlungen, um Betten für die nächsten Patienten freizumachen. So manche an die Öffentlichkeit gelangende Nachricht über Missstände, die in neun von zehn Fällen dem Fachkräftemangel bei Ärzten sowie Pflegekräften geschuldet sind, wird die Bevölkerung sprachlos zurücklassen. Die Spitäler Österreichs, ganz besonders aber jene in Wien, nähern sich nach und nach einem Zustand, in dem sie nur eine Basisversorgung anbieten werden. Wem dieser Zustand bisher weitgehend verborgen geblieben ist, wird 2024 sehr wahrscheinlich Bekanntschaft damit machen. Persönlich als Patient oder aus zweiter Hand – über Freunde, Bekannte, Familienmitglieder und natürlich über die Medien.

Klima

Auch wenn es schon länger angekündigt wurde – zunächst hätte es schon 2023 kommen sollen, nun ist es für das erste Halbjahr 2024 geplant –, das Wiener Klimagesetz hat durchaus Potential zu überraschen, zumindest wenn es es so ambitioniert wird wie angekündigt: So will die Stadt darin ihre gesteckten Klimaschutzziele noch genauer festschreiben, kommen soll auch ein verpflichtender Klimacheck für alle öffentlichen Projekte. Interessant wird auch das angekündigte Treibhausgasbudget. Neben Geldmittel soll jede Geschäftsgruppe auch die zu erwartenden Emissionen budgetieren. Wirksam soll das Klimabudget aber erst mit dem Budget 2026 werden.

Potenzial für Überraschungen bergen auch die Klimaaktivisten. Straßenblockaden sorgen zwar immer noch für Empörung, aber nicht mehr für die gewünschte Aufmerksamkeit in den Medien. Was kommt als Nächstes?

Verkehr

Für Erstaunen könnte die umgestaltete Argentinierstraße sorgen – zumindest bei jenen, die die herausfordernden Radverhältnisse im Wiener Stadtgebiet gewöhnt sind oder die Straße umgekehrt als (Auto-)Schleichweg benützt haben. Das wird künftig schwierig, die Argentinierstraße soll nämlich bis zu ihrer Fertigstellung Ende 2024 eine Fahrradstraße nach holländischem Standard sein, quasi das Nonplusultra in der Fahrradwelt. Man darf also gespannt sein.

Bei der U3 kennt man sie ja schon. 2024 sollen die neuen X-Wägen aber auch auf der U2 Passagiere transportieren. Weil sie sich bewährt haben, haben die Wiener Linien bereits zehn weitere Garnituren bestellt. Im kommenden Jahr sollen sie dann zum Einsatz kommen und schrittweise die alten Silberpfeile ersetzen.

Stadtplanung

Trotz allen Zupflasterns gibt es Brachen, hässliche, tote Flecken in Wien, die noch immer für Überraschungen gut sein könnten: So dürfte sich 2024 zum Beispiel die Zukunft des Alten Landgutes konkretisieren: Wie es mit diesem Areal innerhalb des Verteilerkreises weitergeht, ist seit mehr als zehn Jahren in Diskussion. Vom Standort für Hochhäuser bis zum „lebendigen Grätzelzentrum“ inklusive einem Ring aus Bäumen ist vieles in Debatte. Nun gibt es bereits erste Pläne für das Areal, auch auf Basis von Anrainerwünschen: Sie beinhalten einen grünen Ring aus Bäumen, eine teilweise Bebauung, Grünflächen, Nahversorger, Hotel, Platz, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, klimafreundliche Mobilität und so weiter – irgendwie also alles und nichts. 2024 soll der Wettbewerb für die Neugestaltung des Areals starten.

Eine Betonwüste, die auf ihre Belebung wartet, ist auch die Gegend um den Westbahnhof. Eine Bürgerinitiative fordert dort schon lang einen Park. Im kommenden Jahr soll das Stadtentwicklungskonzept konkretisiert werden: Ob der geforderte Park kommt oder das Areal entlang der Felberstraße doch, wie befürchtet, zugebaut wird, ist offen.

Justiz

Die Anklagebank könnte ausgedient haben. Echt jetzt? Keine Angeklagten mehr? Moment. Nein, die Menschen werden aller Voraussicht nach auch 2024 nicht braver werden. Kriminalität bleibt uns leider erhalten. Es geht tatsächlich um das Möbelstück. Gehört es bald zum nutzlosen Inventar, weil Angeklagte in den Gerichtssälen vor ganz normalen Schreibtischen sitzen? Nun, der größte Gerichtsschauplatz Österreichs, der historische Große Schwurgerichtssaal des Straflandesgerichts Wien, verfügt zwar über zwei alte Anklagebänke aus dunklem Holz, immer öfter bleiben diese aber leer, weil die Beschuldigten eben vor zusätzlich aufgestellten Schreibpulten Platz nehmen dürfen. Das Beispiel könnte überraschend schnell Schule machen.

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