Justizpolitik

Cybermobbing wird EU-weit strafbar

Aufstachelung zu Hass und Gewalt im Internet wird künftig europaweit strafrechtlich verfolgt.
Aufstachelung zu Hass und Gewalt im Internet wird künftig europaweit strafrechtlich verfolgt. Imago / Luna Via
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Eine Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen schafft neue EU-Straftatbestände – Vergewaltigung zählt nach langem Ringen nicht dazu.

Brüssel/Straßburg. Die Einigung der Verhandler von Europaparlament und belgischem EU-Ratsvorsitz auf die Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom Dienstag bringt einige wesentliche justizpolitische Neuerungen. So werden Genitalverstümmelung, Zwangsehen, Cyberstalking, Cybermobbing, Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet sowie die nicht-einvernehmliche Weitergabe von intimem oder manipuliertem Material zu europaweit als Straftat zu ahndenden Verstößen. Die Mitgliedstaaten müssen, wenn sie diese Richtlinie in ihr nationales Strafrecht umsetzen, bestimmte Definitionen und Mindeststandards einhalten. Auch der Schutz von Opfern dieser Straftaten und generell sexuellen Missbrauchs wird verstärkt. Sie müssen überall in der Union wirkungsvollen Zugang zu Rechtsschutz und Entschädigung erhalten. Auch die Organisation von Prävention gegen sexuelle Gewalt wird zur Pflicht für die 27: von Hilfsnotnummern für Opfer bis zu Bildungsangeboten und Schutzeinrichtungen.

Doch beim Thema Vergewaltigung kamen Parlament und Rat nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Der im Vorschlag der Europäischen Kommission vorgesehene Artikel 5, welcher einen EU-weit einheitlichen Straftatbestand geschaffen hätte, wurde gestrichen. 14 Mitgliedstaaten lehnten ihn ab, allen voran Frankreich und der deutsche Justizminister Marco Buschmann (FDP).

Ja heißt ja, nein heißt nein

Laut der Vizepräsidentin des Europaparlaments, Evelyn Regner (SPÖ), wäre es ein Ausweg gewesen, in der Richtlinie die Zustimmung zum Sex festzuschreiben: „Ja, heißt Ja, Nein heißt Nein“. Damit hätte auch das Problem der unterschiedlichen nationalen Definitionen von Vergewaltigung umgangen werden können. „Es ist bedauerlich, dass keine Mehrheit im Rat zustande gekommen ist“, sagte Regner am Mittwoch. Sie wies darauf hin, dass die österreichische Justizministerin Alma Zadić (Grüne) „auf der Seite der Guten war“.

Das Problem fußte erstens in der Begriffsdefinition der Kommission. „Die Einwilligung kann während der Handlung jederzeit widerrufen werden“ hieß es hinsichtlich der Zustimmung der Frau zum Geschlechtsverkehr. Diese Einwilligung wäre jedoch das einzige Kriterium gewesen – anders als beispielsweise im französischen Strafrecht, wo es nicht auf die Einwilligung des Opfers ankommt, sondern darauf, ob ein geschlechtlicher Akt mit Gewalt, unter Zwang, mit einer Drohung oder durch Überraschung vollzogen wird.

Die auf Frauenrecht spezialisierte Anwältin Anne Bouillon erklärte im Dezember gegenüber dem Fernsehsender France 24, bei einer Definition, die auf dem Nicht-Vorliegen von Zustimmung basiere, entstehe das Risiko, dass ein Opfer vor Gericht dazu aussagen muss, wie und wann genau es zugestimmt hat, oder nicht.

Das zweite Problem war die Rechtsgrundlage, Artikel 83 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Er sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Straftaten, die ihrer Art oder ihren Auswirkungen nach eine grenzüberschreitende Dimension haben, zu „Eurocrimes“ beschließen. Inwiefern Vergewaltigung darunter fällt, ist aber fraglich. Zudem hätte es, anders als die nun politisch vereinbarte Richtlinie, dafür Einstimmigkeit erfordert.

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