Und übrigens . . .

Currentzis und britische Pazifisten, Lyniv und der Holocaust: Milo Rau hatte den Mut, es „falsch“ zu machen

Ein rotes Tuch: Der griechisch-russische Dirigent Teodor Currentzis bei der Entgegennahme des Russian National Creative Industries Award 2021.
Ein rotes Tuch: Der griechisch-russische Dirigent Teodor Currentzis bei der Entgegennahme des Russian National Creative Industries Award 2021.Pavel Kashaev via www.imago-images.de
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Der Leiter der Wiener Festwochen hat sich nicht in naiver Symbolpolitik verfangen, er hätte sie durchbrochen. In seiner Kriegs-Thematisierung hat er wohl die Öffentlichkeit überschätzt.

„My subject is War, and the pity of War (…) All a poet can do today is warn“, schrieb der britische Dichter Wilfried Owen, bevor er wenige Wochen vor Ende des Ersten Weltkriegs in eben diesem umkam. Eine solche künstlerische Warnung intendierte Benjamin Britten mit dem „War Requiem“, dem Owens Zeilen vorangestellt sind. Bei den Wiener Festwochen hätte es zu hören sein sollen, in Jahr drei des Ukrainekriegs, außerdem das ukrainische Requiem „Babyn Jar“, dirigiert von der ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv. Auf Milo Raus Idee musste man einmal kommen: Brittens erschütternde Klage über den Krieg ausgerechnet von Teodor Currentzis zum Klingen bringen zu lassen, dessen Schweigen zu Putins Krieg von seinen Verteidigern mit der Autonomie der Kunst gerechtfertigt worden war. So ganz allgemein spricht er dann doch (durch die Musik), nach dem Motto „Ach, wie schlimm ist doch der Krieg . . .“?

Doch auch wenn es für viele zu Recht schwer erträglich gewesen wäre, Currentzis in dieser Rolle zu sehen und zu hören: Schade, dass Lyniv mit ihrer Weigerung, unter diesen Umständen bei den Festwochen aufzutreten, deren Leiter Milo Rau dazu brachte, Currentzis wieder auszuladen. Hat sich Milo Rau denn wirklich rettungslos naiv in Symbolpolitik verfangen, hatte er tatsächlich auf russisch-ukrainische Handreichungen auf der Bühne der Festwochen gehofft? Oder hatte er nicht viel eher den Mut, nach simplen öffentlichen Diskursmaßstäben es ziemlich falsch zu machen?

Denn nicht nur die Kombination Currentzis-Lyniv, auch die Parallel-Programmierung gerade der zwei Requiems hätte nicht auflösbare Widersprüche ergeben. Die sind jetzt eliminiert, schade. Gerade hier wäre es interessant geworden.

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