Bühne

Die Bilanzmagie des René Benko: Regisseur Calle Fuhr über die Signa-Saga im Theater

Calle Fuhr rechnet auf der Bühne mit allen ab, die das „System Benko“ unterstützt haben.
Calle Fuhr rechnet auf der Bühne mit allen ab, die das „System Benko“ unterstützt haben.Jana Madzigon
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Das Wiener Volkstheater bringt mittels Recherche-Theater den „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ auf die Bühne. Dabei werden knallharte Fakten über die Signa-Saga zur Unterhaltung und Aufklärung.

Wien. Ein Zaubertrick wird die Bilanzmagie von Signa-Gründer René Benko erklären. Was so mancher Investor des inzwischen insolventen Immobilienkonzerns immer noch nicht ganz begriffen hat, wird auf der Bühne ganz simpel ins große Ganze gesetzt. „Und die Theaterbühne ist ein Raum für Zauber“, sagt Calle Fuhr im Interview mit der „Presse“. Der Regisseur und Schauspieler am Wiener Volkstheater hat sich dem Recherche-Theater verschrieben. Kunst und Journalismus sollen sich ergänzen.

Diesen Samstag feiert sein neues Stück „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ im Wiener Volkstheater Premiere. In Form eines Monologs rechnet er mit jedem ab, der zur Signa-Misere beigetragen hat. Fuhr will auf der Bühne hervorkehren, was das „System Benko“ ausgemacht hat. Seine Erkenntnis? „Dass es ganz viele Menschen gegeben hat und gibt, die Benko möglich gemacht haben, die den Tiroler Immobilieninvestor größer gemacht haben und die sich jetzt aus der Bredouille ziehen.“ Er wolle weggehen von der Einzelperson Benko. Klares Ziel sei aufzuzeigen, wie der „nächste Benko“ verhindert werden könne.

Komplexes einfach erklärt

Dafür begeht er einen Drahtseilakt zwischen hundertprozentiger Faktentreue und einer Inszenierung mit viel Humor. „Es wäre natürlich erst einmal verlockend, ein bisschen auf die Dramadrüse zu drücken.“ Doch vom Boulevard wolle er sich fernhalten. „Wir wollen journalistisch präzise sein.“

»Das Stück ist ein Dienst für die Demokratie.«

Calle Fuhr

Regisseur

Angesichts der täglichen Artikelflut zum Thema stellt das eine gewisse Herausforderung dar. Die Recherchen zu dem Stück entstanden in Kooperation mit der Rechercheplattform Dossier. Als die gemeinsamen Arbeiten bereits begonnen hatten, sei die Tragweite der Insolvenz noch nicht absehbar gewesen. „Bei der Signa ist sehr viel passiert, und viele Menschen haben den Überblick verloren“, sagt Ashwien Sankholkar, Chefreporter bei Dossier, zur „Presse“. „Das Stück erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Wir liefern eine Orientierungshilfe“, sagt Sankholkar, der an dem Skript mitgewirkt und die Inhalte überprüft hat. Dossier-Journalistinnen und -Journalisten sind auch auf der Bühne zu sehen. „Journalismus soll komplexe Sachverhalte einfach erklären. Diese Aufgabe erfüllen wir im Stück. Wir analysieren und kommentieren das Wichtigste über die Signa und beschreiben René Benkos Achterbahnfahrt. Wenn etwas Fiktion ist, weisen wir darauf hin oder machen es erkennbar.“

Ein „Dienst für die Demokratie“

Ziel ist Aufklärung. „Das Stück ist ein Dienst für die Demokratie“, sagt Fuhr. „Die Annahme, die Wirtschaft wird sich freiwillig regulieren, ist in dem Fall komplett misslungen.“ Fuhr verweist auf die Aufsichtsräte, die gleichzeitig Signa beraten haben und dafür millionenschwere Honorare kassiert haben. Das sei der Interessenkonflikt. „Vielleicht muss man dann in Zukunft verbieten, dass jemand gleichzeitig Aufsichtsrat und Berater oder Beraterin in einem Firmen-Konvolut sein kann. Rein freiwillig scheint das nicht zu klappen.“

Der Regisseur und Schauspieler Calle Fuhr verbindet die Kunst der Unterhaltung mit faktentreuem Journalismus.
Der Regisseur und Schauspieler Calle Fuhr verbindet die Kunst der Unterhaltung mit faktentreuem Journalismus.Jana Madzigon

Für den Düsseldorfer ist es nicht das erste Stück über einen aktuellen Skandal. Er kam 2020 mit dem künstlerischen Direktor des Volkstheaters Kay Voges nach Österreich, der in Deutschland bereits mit dem Recherchemedium Correctiv kooperierte. Auf der Suche nach einem österreichischen Pendant stieß man auf Dossier, das auch schon Impulsgeber für das 2021 uraufgeführte Schauspiel „Heldenplätze“ war, welches sich mit den Vergewaltigungsvorwürfen gegen die Skilegende Toni Sailer auseinandersetzt.

»Wir analysieren und kommentieren das Wichtigste über die Signa und beschreiben René Benkos Achterbahnfahrt.«

Ashwien Sankholkar

Chefreporter bei Dossier

Und seit April 2023 läuft im Volkstheater „Die Redaktion“, ein Bühnenwerk über den Ölkonzern OMV. Eine Geschichte darüber, wie Recherchen auf Ungereimtheiten bei der milliardenschweren Borealis-Übernahme und auf Geldflüsse nach Russland stoßen. Es wird gezeigt, wie die Journalistinnen und Journalisten mit Drohungen, Abhörversuchen und Einschüchterungsklagen umgehen – und wie ihre Arbeit dazu führt, dass OMV-Chef Rainer Seele zurücktreten muss.

Der Dossier-Journalist Ashwien Sankholkar hat am Theater-Skript mitgewirkt.
Der Dossier-Journalist Ashwien Sankholkar hat am Theater-Skript mitgewirkt. APA / HolyScreen Media / Alexander Lechner

Was Fuhr von journalistischer Arbeit zu Signa und Benko hält? Er nimmt inzwischen journalistische Berichte ganz anders wahr. Liest überhaupt nun den Wirtschaftsteil. Jetzt verstehe er erst, wie viel Arbeit hinter einem Artikel steckt. Einer dürfte wohl wenig Begeisterung für das Werk zeigen. „Ich fände es ganz toll, wenn Herr Benko sich bereit erklären würde, uns auf der Bühne Rede und Antwort zu stehen.“ Allerdings glaube Fuhr nicht, dass Benko sich das Stück anschauen wird.

Zur Person

Calle Fuhr (29) war bis 2023 Teil von Kay Voges’ Leitungsteam des Wiener Volkstheaters. Der freischaffende Regisseur widmet sich der Verschränkung von Theater und journalistischer Recherche. Das Stück „Aufstieg und Fall des Herrn René Benko“ entstand in Kooperation mit Dossier und ist ab 16. März im Volkstheater zu sehen.

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