Morgenglosse

Wenn Schulen mehr verlangen, als sie vermitteln können

17 Prozent der Schüler gehen in bezahlten Nachhilfeunterricht.
17 Prozent der Schüler gehen in bezahlten Nachhilfeunterricht. (c) Clemens Fabry
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Kostenlose Nachhilfe ist gut: Weil sie dazu beiträgt, dass Schulerfolg nicht davon abhängt, ob Eltern Zeit für das Lernen mit den Kindern freimachen oder sich Hilfe leisten können. Das Grundproblem löst das aber nicht.

In Skandinavien würden Lehrkräfte die Frage ganz einfach nicht verstehen, hat unlängst Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger im Zuge ihrer Grundsatzrede erzählt. „Was soll das heißen, wie viel die Kinder zu Hause lernen? Das ist doch unser Job“, würden sie sagen.

Elke Larcher, Bildungsexpertin der Arbeiterkammer, berichtet im Gespräch mit der „Presse“ nun ganz Ähnliches: Es gebe Länder in Europa, da gelte es schlicht als unhöflich, wenn Eltern sich zu Hause mit den Kindern hinsetzen und lernen. Das würde nämlich heißen, man vertraue der Lehrperson nicht, traue ihr nicht zu, ihre Arbeit entsprechend zu machen.

Glaubt man den Zahlen der Arbeiterkammer, ist in Österreich das genaue Gegenteil Alltag. 78 Prozent der Schüler würden zumindest hin und wieder mit ihren Eltern lernen, ein Viertel sogar täglich. 17 Prozent nehmen bezahlte Nachhilfe in Anspruch.

Der Schluss liegt nahe, dass Schulen in Österreich mehr verlangen, als sie vermitteln können. Darauf angesprochen, hat Bildungsminister Martin Polaschek zu Beginn seiner Amtszeit noch erklärt: „Ich sehe, dass es hier Änderungsbedarf gibt, mittelfristig müssen wir uns da etwas überlegen. Aber das ist ein Langzeitprojekt, das wahrscheinlich fünf oder zehn Jahre braucht.“

Drei Jahre später, die Mittelfrist ist inzwischen eingetreten, hat sich das Bildungsministerium gemeinsam mit der EU etwas überlegt und stellt nun Gelder für 200.000 Gratisnachhilfestunden zur Verfügung.

Das ist gut, weil es innerhalb des bestehenden Systems dazu beiträgt, dass Schulerfolg nicht so stark davon abhängt, ob sich die Familien Nachhilfeunterricht leisten oder Zeit für das Lernen mit den Kindern freimachen können.

Nur: Das grundlegende Problem, dass in den Schulen offenbar nicht ausreichend gut vermittelt werden kann, was es für den Bildungserfolg braucht, löst das freilich keineswegs. Wenn wir wollen, dass irgendwann auch in Österreich Lehrkräfte verständnislos mit dem Kopf schütteln, wenn es ums Lernen zu Hause mit den Eltern geht, dann ist es höchste Zeit, das von Polaschek genannte Langzeitprojekt anzugehen.

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