Brüssel-Briefing

Der Fall Pieper ist ein Geschenk für die Feinde der EU

Kommissionspräsidentin von der Leyen (rechts) lässt die Kritik an ihrer Nominierung eines Parteifreundes für einen hochbezahlten Beraterposten bisher recht nonchalant abperlen. Ihre Parteikollegin Parlamentspräsidentin Metsola (links) könnte noch in Erklärungsnotstand geraten.
Kommissionspräsidentin von der Leyen (rechts) lässt die Kritik an ihrer Nominierung eines Parteifreundes für einen hochbezahlten Beraterposten bisher recht nonchalant abperlen. Ihre Parteikollegin Parlamentspräsidentin Metsola (links) könnte noch in Erklärungsnotstand geraten.APA / AFP / John Thys
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Ein Selbstbedienungsladen für Freunderl und Parteikollegen, auf Rechnung der Steuerzahler: Kommissionspräsidentin von der Leyen liefert zwei Monate vor der Europawahl reichlich Stoff für diesen ältesten Vorwurf gegen die Brüsseler EU-Blase.

19.500 Euro Basisgage brutto pro Monat dafür, irgendetwas mit Klein- und mittelgroßen Unternehmen (KMU) zu machen: kein schlechter Job, vor allem, wenn man mit demnächst 61 und nach zwei Jahrzehnten im Europaparlament nur auf Listenplatz 5 der nordrheinwestfälischen CDU für die Europawahl steht. Markus Pieper, der designierte KMU-Beauftragte von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sorgt mit seinem Karriereavancement seit einigen Tagen für negative Schlagzeilen.

Rücken wir die grundsätzliche Frage zur Seite, wozu die Kommissionsvorsitzende einen solchen Berater benötigt, wo ihr doch eine ganze Generaldirektion Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU zu Diensten ist. Die Bestellung Piepers, obwohl zwei Frauen in der Endauswahl besser qualifiziert gewesen sein dürften, und eine von ihnen nun mit einer Klage droht, gibt den Feinden der Union Munition für den EU-Wahlkampf.

Johannes Hahn stellt sich einen Persilschein aus

Klar, dass Johannes Hahn, der in der Kommission für Budget und Personal zuständig ist, der Kommission, von der Leyen und letztlich sich selbst einen Persilschein ausstellt, wie „Politico“ unter Zitierung eines Schreibens von ihm berichtet. Pieper seit „auf Grundlage seiner weitreichenden Erfahrung und seiner Erfolgsbilanz im Bereich der KMUs“ ausgewählt worden, und das sei „innerhalb des üblichen Erwägungsspielraums für solchen hohen Ernennungen“ geschehen. Diesen Satz müsste man sich auf der Zunge zergehen lassen, wenn er nicht so einen unguten Beigeschmack hätte. Denn letztlich gibt Hahn, der übrigens auch einer der Vizepräsidenten der Europäischen Volkspartei ist, zu der von der Leyen und Pieper zählen, ziemlich offen zu, dass die Kommissionspräsidentin im Zweifelsfalle problemlos ihre Amigos ernennen kann – eben „innerhalb des üblichen Erwägungsspielraums“.

Die schiefe Optik kümmert von der Leyens Entourage nicht. Fragen nach der Korrektheit von Piepers Bestellung werden bei einer Pressekonferenz nach der anderen weggewedelt, und bisweilen kratzte von der Leyens Sprecher an der Grenze zur Unwahrheit, wenn er beispielsweise nach Ostern erklärte, dass noch offen sei, ob Pieper seinen Vertrag schon unterzeichnet hat, danach aber bekannt wurde, dass das just am Ostersonntag geschehen ist.

Notbremsung im Parlament?

Ob Pieper tatsächlich am 16. April seinen Dienst antritt, wird sich heute, Donnerstag, entscheiden. Da stimmt das Europaparlament in Brüssel im Rahmen seines Mini-Plenums über die Budgetentlastung 2022 ab. Ein Zusatz zu diesem Beschlussentwurf sieht vor, dass die Kommission zur Neuausschreibung des KMU-Postens aufgefordert wird. Die Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen haben ihn eingebracht. Wie die Abstimmung ausgeht, ist offen, zumal bei dieser Plenarsitzung viele Abgeordnete fehlen (meine Kollegin Anne Rovan von der französischen Zeitung „Le Figaro“ schrieb, nur rund 450 der 705 Mandatare seien anwesend).

So oder so hat von der Leyen sich, der Kommission und der EU an sich ein Ei gelegt. Die europapolitische Debatten sind ohnehin großteils von nationalen Themen oder dem Animus gegen „die von der EU“ getrieben. Die Affäre um die Bestellung von Pieper verleiht den Feinden der EU zusätzlichen Rückenwind.

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