Wien

In den Schulen: Wer spricht hier (kein) Deutsch?

Wer nicht genügend Deutsch spricht, kann dem Unterricht nicht folgen.
Wer nicht genügend Deutsch spricht, kann dem Unterricht nicht folgen. Imago / Imago Stock&people
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Die Zahl der außerordentlichen Schüler wächst. Die Stadt hat daher die Fördermaßnahmen erhöht. Ein Tropfen auf einem brennenden Thema, mit dem Wien seit Jahren gefordert ist. Doch wie schlecht steht es um den Spracherwerb wirklich?

Die Entwicklung ist eine schwierige. Die Zahl der außerordentlichen Schüler hat sich im Schuljahr 2022/23 um 27 Prozent erhöht, das gab der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) Anfang des Jahres bekannt. Außerordentlich sind Schüler in erster Linie, wenn ihr Deutsch nicht gut genug ist, um dem Unterricht zu folgen.

Die Stadt hat nun eine „Deutschoffensive“ für Kinder und Jugendliche vorgestellt. Sie zielt auf jene rund 17.900 (Stand Oktober 2023) außerordentliche Schüler und Schülerinnen ab, die im vorherigen Schuljahr registriert waren.

Ausschlaggebend für den Anstieg sind der Ukrainekrieg und damit die Zahl an ukrainischen Kinder, die im heimischen Schulsystem aufschlagen, aber vor allem Familienzusammenführungen von anerkannten Flüchtlingen wie Syrern, die nun ihren Nachwuchs nachholen. Kinder von nach Österreich geflohenen Personen, die jetzt nach Wien kommen, haben laut Wiederkehr oft nicht nur kaum Deutschkenntnisse, sondern auch häufig wenig Schulbildung. Der Alphabetisierungsgrad sei oft gering.

78 Prozent der Mittelschüler spricht Deutsch nicht als Umgangssprache

Diese neu ankommenden Kinder treffen dann auf eine ohnehin angespannte, multikulturelle Situation. Daten der Statistik Austria aus dem Schuljahr 2021/2022 zeigen, dass die Hälfte (53 Prozent) der Wiener Schüler Deutsch nicht als Umgangssprache spricht. Da sind Gymnasien und Berufsbildende Höhere Schulen (BHS), wo der Anteil geringer ausfällt, aber hineingerechnet. Sieht man sich die Volksschule an, dann liegt der Anteil dort bei 59 und an Mittelschulen bei 78 Prozent.

In einigen Wiener Bezirken sind die Werte laut Statistik Austria Zahlen, die die Gratiszeitung „Heute“ im Oktober 2023 veröffentlicht hat, noch deutlich höher. Demnach haben 84 Prozent der Volksschüler in Margareten, 82 Prozent der Volksschüler in der Brigittenau und 75 Prozent der Volksschüler in Favoriten Deutsch nicht als Umgangssprache. Sieht man sich die Mittelschulen an, dann sind es in Margareten sogar 96 Prozent, in Ottakring 93 Prozent und in Hernals 92 Prozent. In Hietzing, Währing und Liesing sind es laut „Heute“ jeweils 57 Prozent.

Die Umgangssprache alleine sagt noch nicht viel aus

Diese Zahlen alleine sagen allerdings noch nichts über das vorhandene Deutschniveau der Schüler aus. Immerhin können gerade Jugendliche mit Migrationshintergrund, die mehrsprachig aufwachsen, oft fließend zwischen mehreren Sprachen hin- und herwechseln und tun das auch. Eine Tatsache, die die Statistik Austria, aber auch die Stadt Wien in ihrem Integrationsmonitor betont.

Trotzdem sind diese Zahlen weder schönzureden (es sprechen trotzdem alle fließend Deutsch), oder nur negativ zu sehen (niemand spricht Deutsch). Fest steht, dass in einer Klasse, in der 70 oder 80 Prozent der Kinder in der Pause nicht miteinander Deutsch sprechen, auch neu ankommende Kinder weniger Chancen haben, Deutsch gut zu lernen. Einfach, weil sie mit der Sprache dadurch weniger in Kontakt kommen oder Mischformen (ein halber Satz auf Türkisch, ein halber Satz auf Deutsch) hören.

Die Zahl der außerordentlichen Schüler wächst seit Jahren

Indiskutabel belastend ist die Zahl der außerordentlichen Schüler für ein Schulsystem – und die wächst seit Jahren. Bereits im Schuljahr 2021/2022 konnten 14 Prozent der Volksschüler wegen mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nicht folgen und galten als außerordentliche Schülerinnen und Schüler. An der Fluchtbewegung alleine lag es damals nicht. Mehr als die Hälfte wurde in Österreich geboren, 80 Prozent waren hier über zwei Jahre im Kindergarten.

Vieles deutet also daraufhin, dass die Sprachförderung im Kindergarten nicht ideal funktioniert. Laut einer parlamentarischen Anfrage der Neos hätte zwischen Jahren 2018 bis 2022 die Zahl der außerordentlichen Schüler durch den Ausbau der Sprachförderungen im Kindergarten österreichweit um 20 Prozent sinken sollen.

Die Sprachprobleme lassen sich im Kindergarten (alleine) nicht lösen

Doch sie erhöhte sich: im Schnitt um 20 Prozent. Wobei besonders das Burgenland (140 Prozent) und Tirol (105 Prozent) hohe Zuwächse verzeichneten. Wien lag als Land mit der mit Abstand höchsten Zahl an außerordentlichen Schülern im Österreich-Schnitt (plus 17 Prozent) – ist aber von jeher am stärksten mit Zuzug und Zuwanderung belastet.

Warum auch vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine die Zahl der außerordentlichen Schüler gewachsen ist, wird auch mit der Pandemie erklärt. Das verpflichtende Kindergartenjahr wurde ausgesetzt, die betroffenen Kinder nahmen noch weniger Förderung in Anspruch.

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