Zum Zweck von Zins und Zierde Hausgeschichten: "Wiener Gold" Zinshäuser

Die Nachfrage nach dem klassischen Zinshaus ist hoch. Über einen Typus, der nicht nur sichere Anlage, sondern Tradition, Nostalgie und Wiener Identität verkörpert.

Zinshäuser aus der Gründerzeit verstehen sich auf die Kunst der Mimikry: Die Fassade sagte nur wenig darüber aus, wie das Leben drinnen aussah, beziehungsweise sind die gesellschaftlichen Codes im und am Gebäude für uns heute weniger erkennbar. Hinter den Friesen, Giebeln und Girlanden konnten also Herrschaften in Zimmerfluchten genauso residieren wie mehrere Arbeiterfamilien sich einfachsten Raum teilen. Nach außen zeigen die Zinskasernen zumeist ihr dekoratives Gesicht, eine Zierde für den Eigentümer – und eine Art Bank, keine Sparkassa. Freilich fielen die Dimensionen in der Nähe zu Ringstraße und Hofburg großzügiger aus als innerhalb des Gürtels oder in der Vorstadt, dort reichten die Türschnallen dann eben nicht bis zum Bauch, sondern bis über den Scheitel. Doch selbst das Nobelzinshaus verfügte um die Jahrhundertwende nicht zwingend über Mindest-Nasszellenstandards.

Bestand nimmt ab

Identitätsstiftend ist die Optik der bei Käufern so begehrten Häuser – Zinshausexperte Eugen Otto nennt sie „Wiener Gold“ – bis heute. Würde man die Objekte aus dem Bestand herausnehmen, sähe die Stadt wohl ganz anders aus, lautete der Tenor bei der Präsentation der Frühjahrsausgabe des „Ersten Wiener Zinshausmarktberichtes“ von Otto Immobilien. Laut dessen Zählung existieren noch 14.890 Zinshäuser aus den Jahren 1848 bis 1918 in Wien, an die 640 Häuser gingen in den letzten fünf Jahren verloren. Der Schwund liegt in der Natur der Sache, Gründerzeitarchitektur ist nicht reproduzierbar. Dass an die 50 Mietobjekte jedes Jahr vom Markt verschwinden, liegt aber selten daran, dass man sie abreißt und den Platz nutzt, um darauf die doppelten Flächen zu errichten. Diese Zinshäuser bleiben nicht in der Hand eines privaten oder institutionellen Vermieters, sie werden gekauft, um sie herzurichten, zu parifizieren und als Wohnungseigentum zu veräußern. Bei Unternehmen wie der 3S Immogroup ist dies Praxis, aktuell etwa ein Bau von Johann Evangelist Hattey aus 1904 (Bild unten). Mit seinen Türmen und Erkern gehört er zu den architektonisch anspruchsvolleren seiner Gattung. Denn zumeist gleichen die historistischen Wohnhäuser strukturell einer Schachtel, denen die Dekorelemente bloß vorgehängt, ab der Jahrhundertwende dank industrieller Fertigung sogar nur aufgeklebt wurden. Nicht unbedingt die anspruchsvollste Bauaufgabe für die führende Riege der nachrevolutionären habsburgischen Architekten. Der rasante Bevölkerungszuwachs in Wien erforderte eben Pragmatik: Um die Grundstücksfläche maximal zu kapitalisieren, teilten sich die Räume nicht nur innen, sondern wuchsen die Häuser durch Hoftrakte und Spangen.

Die Wohnqualität in den sanierten Häusern ist heute groß, weil sie das Traditionelle und Moderne verbindet: luftig durch große Geschoßhöhen, großzügig in den Grundrissen, übersichtlich durch wenige Einheiten. Wenn ein Zinshaus auf den Markt kommt, kann es aber noch vieles sein: „Von der Bruchbude bis zur Perle, von komplett leer stehend bis zu topsaniert“, schildert Richard Buxbaum von Otto Immobilien.

Die geplante Novellierung der Wiener Bauordnung dürfte Einfluss auf die Lust am Sanieren nehmen, denn sie erlaubt etwa den Anbau von Balkonen und vergrößert den Spielraum im Dachgeschoß. Das kann ein zusätzliches Kaufargument sein: „Dadurch werden Zinshäuser auch wieder für professionelle Investoren interessanter“, meint auch Markus Arnold, dessen Immobilienunternehmen sich in Österreich auf diese Anlageform fokussiert hat.

INFO

Der Run auf klassische Zinshäuser ist groß, das Angebot aber gering. Die meisten Zinshäuser (85 Prozent) rangieren in einer Preisklasse von einer bis fünf Millionen Euro. Hohe Transaktionen und Ausnahmeobjekte in der inneren Stadt. Aufstrebend auf dem Markt sind die Bezirke 12, 14, 16 und 20. (Quelle: „Erster Wiener Zinshaus-Marktbericht“, Frühjahr 2014 von Otto Immobilien) www.otto,at

Links: www.arnold-immobilien.at, www.3si.at,

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2014)

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