Nach vernichtender Kritik von Finanzminister Schäuble an den Mautplänen gehen innerhalb der Union die Wogen hoch: CSU-Chef Seehofer spricht von „Sabotage“ und will einen Treueschwur der CDU.
Berlin/Wien.Was als Auffrischung für die marode Staatskasse gedacht war, wird nun zu einer immer größeren Zerreißprobe für die Union in Deutschland: die nicht nur in Österreich heftig umstrittenen Mautpläne der deutschen Bundesregierung.
Anlass für die Zuspitzung am Wochenende war eine äußerst kritische Stellungnahme aus dem Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu den Mautplänen. In einer sechsseitigen Bewertung warnt das Ressort vor den Plänen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Laut den Experten des Finanzressorts könnte die Maut sogar zu einem Minusgeschäft werden, weil das Konzept in der Verwaltung schlicht zu teuer sei. Angesichts der komplizierten Ausgestaltung der Bemessung der Maut bestünden „erhebliche Zweifel, ob die veranschlagten Systemkosten nicht zu niedrig angesetzt sind". Sollte es tatsächlich zu Mehrkosten kommen, müssten die aus dem Budget des Verkehrsministerium finanziert werden. Die Folge: Am Ende könnten „im Ergebnis erheblich weniger als 600 Millionen Euro pro Jahr für die Straßeninfrastrukturfinanzierung übrig bleiben", heißt es in dem Papier.
"Will die CDU oder will sie nicht?"
CSU-Chef Horst Seehofer, der die Pkw-Maut auf Autobahnen für Ausländer in den deutschen Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hatte, holte daraufhin erzürnt zum Gegenschlag aus: Er warf Schäuble „Sabotage" vor. Der Finanzminister wolle offenbar „alles tun, um das (die Maut, Anm.) zu verhindern", meinte Seehofer in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung". Der bayerische Ministerpräsident forderte von der Schwesterpartei CDU einen Treueschwur und ein klares Bekenntnis zur Maut: „Will jetzt die CDU oder will sie nicht?"
In der heutigen „Bild"-Zeitung (Montag-Ausgabe) wird Seehofer noch deutlicher und kündigt eine härtere Gangart an: In einer Woche seien die Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg vorbei - „und die politische Schonzeit ist es damit auch". Die CSU habe bisher alle Koalitionsvorhaben mitgetragen bis hin zum Mindestlohn „und wir haben keines dieser Projekte vorher zerredet. Eine solche Unterstützung erwarten wir auch bei der Maut." Die CSU sei jedenfalls nicht die FDP, die 2009 mit dem Versprechen der Steuersenkungen angetreten war und nicht geliefert habe. Die FDP flog bei der Wahl im vergangenen Jahr aus dem Bundestag.
Doch innerhalb der CDU gibt es neben den Zweifeln an der Finanzrechnung auch noch weitere: Innenminister Thomas de Maiziere hegt verfassungsrechtliche Bedenken. Der Hintergrund ist, dass Pkw, Kleinlaster und Lkw ungleich behandelt werden. „Fahrzeuge zwischen 3,5 und zwölf Tonnen wären nach der vorgesehenen Regelung sowohl von der Pkw-Maut als auch von der Lkw-Maut ausgenommen, obwohl sie in mindestens gleicher Weise zum Verschleiß der öffentlichen Infrastruktur beitragen wie Pkw und Lkw", heißt es in einer Expertise des Verkehrsministeriums. Diese Ausnahme von Kleinlastern sei nicht grundrechtskonform.
In Österreich sowie anderen Nachbarländern Deutschlands ist man schon seit Ankündigung der Pläne der Meinung, dass eine einseitige Maut nur für Ausländer gegen den Gleichheitsgrundsatz der EU verstößt (deutsche Fahrzeughalter würden über die Kfz-Steuer entlastet werden). Auch im Ressort von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wird die Europatauglichkeit des Dobrindt-Konzepts bezweifelt.
Seehofer will all das nicht gelten lassen: „Das von Alexander Dobrindt vorgelegte Modell ist das beste, das ich kenne." Der Verkehrsminister selbst wies die Kritik aus dem Finanz- und Innenministerium zurück: „Mein Konzept ist grundgesetzkonform und es ist europarechtskonform", meinte er im „Tagesspiegel" (Montag-Ausgabe). Die Straßenmaut bringe keine Ungleichheit, sondern beseitige eine „eklatante Ungleichheit".
88 Euro pro Jahr
Nach Dobrindts Vorschlägen sollen Autofahrer ab 2016 im Schnitt 88 Euro im Jahr für die Vignette bezahlen. Deutsche Fahrzeughalter erhielten ihren Beitrag über eine Senkung der Kfz-Steuer zurück. Die zusätzlichen Einnahmen durch ausländische Nutzer sollen jährlich 600 Millionen Ero bringen. (ag/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2014)