Nach Schottland-Votum werden Stimmen nach Flamen-Premier lauter.
Antwerpen. Nur kurz nach Bekanntgabe des schottischen Abstimmungsergebnisses meldete sich der noch amtierende belgische EU-Kommissar, Karel De Gucht, von den flämischen Liberalen (Open VLD) zu Wort: Er forderte, dass nun ein Flame neuer Ministerpräsident Belgiens werden müsse. Nur dann könne die Einheit des Landes erhalten werden, meint de Gucht. Bisher ist noch der wallonische Sozialist Elio Di Rupo als Ministerpräsident Belgiens geschäftsführend im Amt.
Bei der belgischen Parlamentswahl im Mai war die flämische Separatistenpartei Neue Flämische Allianz (N-VA) stärkste Partei geworden. König Philippe hatte danach den wallonischen Liberalen Charles Michel und den flämischen Christdemokraten Kris Peters mit der Regierungsbildung beauftragt. Die beiden wollen eine Mitte-rechts-Koalition aus vier Parteien zusammenstellen: Die flämischen Nationalisten wäre darin die größte Partei.
Separatist als Premier?
Der Vorstoß von Karel De Gucht ist ein kluger Schachzug: Durch seine Forderung sollen die flämischen Nationalisten „gezähmt“ – und ihr separatistisches Streben eingedämmt werden. De Gucht schlug sogar vor, dass Separatistenchef Bart De Wever Premier werde.
Seit Jahren lähmt der Streit zwischen den frankofonen Wallonen und den nach Unabhängigkeit strebenden, niederländischsprechenden Flamen das Königreich Belgien. Letzteres hat neben kulturellen auch ökonomische Gründe: Flandern ist der bevölkerungsreichere und wohlhabendere Teil von Belgien – und will die „ärmeren“ Wallonen nicht mehr mittragen. Nach einem lähmenden Sprachenstreit 2010, der mehr als ein Jahr lang die Regierungsbildung verhinderte, schien die Teilung Belgiens in Flandern und Wallonien schon in Greifweite – bevor es doch noch zur Einigung inklusive Staatsreform kam. (htz.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2014)