„Malala braucht die Aufmerksamkeit des Nobelpreises nicht“

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Verhaltene Zustimmung zur Wahl des Nobelpreiskomitees. Alfred Nobels Anforderung entsprach sie wieder nicht.

Oslo. Der Friedensnobelpreis ist kein Preis für nette Menschen, die das Gute wollen. Er ist weder ein Preis für unterdrückte Kinder noch für sympathische Politiker, die geniale Reden halten können, wie Barack Obama. Alfred Nobel hat in seinem Testament unsentimentale, sehr konkrete Bedingungen formuliert, unter denen sein Geld verteilt werden sollte: Wer im abgelaufenen Jahr am meisten für die „Verbrüderung von Nationen“, für Demilitarisierung sowie für Friedenskongresse erreicht hat, sollte ausgezeichnet werden. Nichts anderes.

Dennoch konnten sich Thorbjørn Jagland, Chef des Friedensnobelreiskomitees, und Geir Lundestad, Direktor des Nobelinstitutes, vor der Journalistenmeute sicher fühlen, als sie gestern um 11.01 Uhr im dritten Stock des Osloer Nobelinstitutes vor das wirre Gestrüpp aus Kameras und Mikrofonen traten, um die diesjährigen Nobelpreisträger bekannt zu geben. Die neuen Preisträger sind zwar wieder nicht, was Nobel wollte, doch kein Mensch kann und will etwas gegen die junge Frau sagen, die in Pakistan mit einem Kopfschuss niedergestreckt worden war, weil sie sich den üblichen Umgang mit Kindern nicht gefallen lassen wollte. Und was soll man gegen den Inder haben, der friedliche Demonstrationen gegen Kinderarbeit organisiert hat?

Eine Muslima und ein Hindu

Während Lundestad im Hintergrund demütig lächelte, erklärte Jagland: Der Preis gehe wegen deren Kampf gegen die Unterdrückung und finanzielle Ausbeutung von Kindern an Malala Yousafzai und Kailash Satyarthi. 60 Prozent der derzeitigen Bevölkerung der armen Länder seien unter 25 Jahre alt. Der Respekt vor Kinderrechten sei eine Voraussetzung für die friedvolle, globale Entwicklung. Gewalt gegen Kinder bewirke die Weitergabe von Gewalt von Generation zu Generation. Malala habe zudem unter gefährlichsten Umständen vor Augen geführt, dass Kinder und junge Erwachsene auch selbst zur Verbesserung ihrer Umstände beitragen könnten.

Das Nobelkomitee betrachte es als wichtigen Punkt für einen Hindu und eine Muslima, am gemeinsamen Kampf für Bildung und gegen Extremismus teilzunehmen. Derzeit würden weltweit 168 Millionen Kinderarbeiter ausgebeutet. Die Welt sei dem Ziel nähergekommen, Kinderarbeit ganz zu eliminieren. Der Kampf gegen die Unterdrückung von Kindern und für deren Rechte gehe mit Alfred Nobels Wunsch nach einer „Verbrüderung von Nationen“ konform.

Falschere Preisträger

Hedda Langemyr, Vorsitzende des Osloer „Friedenshauses“, der Dachorganisation der norwegischen Friedensbewegungen, kann dem wenig entgegensetzen, wiewohl die beiden Preisträger nicht in die von Alfred Nobel festgesetzten Bedingungen passen. Schon deshalb, weil es in der jüngeren Vergangenheit schon falschere Preisträger gegeben habe, wie Obama, der als Oberbefehlshaber einer in zwei Kriegen verwickelten Armee zum Friedensnobelpreisträger gemacht wurde. Langemyr: „Außerdem braucht Malala die Aufmerksamkeit des Nobelpreises nicht, weil sie ohnehin viel Aufmerksamkeit hat. Zudem könnte sie die Auszeichnung in weitere Gefahr durch Neider bringen und ihr ein normales Leben als Teenage verunmöglichen.“

Fredrik Heffermehl, Osloer Jurist und Historiker, beschuldigt das Friedensnobelpreiskomitee seit Jahren der „Veruntreuung“ der Gelder der Nobel-Stiftung, weil es permanent ihre rechtliche Pflicht missachte und den im Testament deklarierten Willen Alfred Nobels ignoriere. Heffermehl: „Die beiden Preisträger sind couragierte, beeindruckende Personen und die Ausbeutung und Unterdrückung von Kindern ein absolut schlimmes Problem. Doch das Nobelpreiskomitee lenkt seinen Blick auf nette Personen und nicht auf die Friedensidee Nobels, der spezielle Maßnahmen zur Herbeiführung des Weltfriedens auszeichnen wollte. Nobel wollte mit seinen Preisen die Welt ändern. Doch das Komitee wird auf diese Art neimals etwas ändern.“

Doch auf den Straßen Oslos sah man gestern pakistanische und indische Gesichter strahlen wie nach einem großen Sieg.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2014)

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