Drei Bürovisiten: Raum, Stil, Arbeit

Worin liegt die Qualität ihres Arbeitsraums? Wie schaffen und nutzen sie Atmosphären? Mehr zum Thema Arbeitswelten in der "Presse"-Büroselektion.

Gründerzeithäuser mit klassischen Grundrissen, moderne Bürogebäude mit besten energetischen Kennziffern, repräsentative Türme, Industriearchitektur aus dem 19. Jahrhundert, Refurbishments aus der Nachkriegmoderne, aufgewertete Bürokästen in B-Lage, praktische Wirtschaftsparks an der Peripherie und kreative Zonen in der Erdgeschoßzone: Wer eine ganz bestimmte Art von Raum für sein Business sucht, kann es in Wien finden. Wir haben drei ganz unterschiedliche Büros unterschiedlicher Größenordnung und Stilistik besucht.

(c) Dimo Dimov



Das Bürohaus des Architekten. Jeden Tag fuhr Architekt Heinz Neumann an dem Backsteingebäude in der Muthgasse in Wien Döbling vorbei und betrachtete es mit wachsendem Interesse. Das einstige kalorische Kraftwerk der Wiener Stadtbahn lag schon länger brach. Die letzte Nutzung als Lehrlingswerkstätte der ÖBB war bereits aufgegeben. „Als irgendwann die Bäume und Sträucher aus den Fenstern herausgewuchert sind, beschloss ich einzudringen“, erinnert sich Neumann, wobei das nicht ganz ungefährlich war: „Drinnen waren ein paar Strotter, die meinten, ich soll mich schleichen.“ Schließlich erwarb Neumann das große Objekt und rüstete es komplett zu einem modernen Bürohaus um – so, dass es auch dem Bundesdenkmalamt gefiel.

Der Charakter dieser gründerzeitlichen Industriearchitektur von 1897/98 ist noch erhalten, die frühere Atmosphäre latent spürbar: die Gusseisenpfeiler, die großzügigen Raumverhältnisse, die technischen Details, das Ziegelwerk. An diesem Standort agiert das Büro Neumann und Partner mit rund 70 Mitarbeitern, die in den verschiedenen Stockwerken verteilt sind.

Eine der eindrucksvollsten Räumlichkeiten liegt im Souterrain, ein großer Besprechungssaal, der Möbeldesign der letzten Jahrzehnte versammelt: „Hier gibt es nur Klassiker“, zeigt Neumann auf das Ensemble, „da etwa ist ein Stück von Jorge Pensi, einem Designer, der mit Aluminiumguss arbeitet. Von ihm gibt es Lampen, die in ihrer Ästhetik unbeschreiblich sind.“ Dann weist er auf den großen Tisch mit Glasplatte und Metallbeinen von Norman Foster – „er ist Hightech, man kann an ihm viele Schrauben einstellen.“ Am stärksten im Raum fällt – nebst den rot gestrichenen Säulen und Trägern – die Sitzgarnitur von Walter Pichler ins Auge. Der Bildhauer und Architekt hat mit der „Galaxy“ 1966 für Aufsehen gesorgt – die Sitzmöbel sind gefedert wie ein Auto und sehen leicht spacig aus. Durch einen glücklichen Zufall kam eine „Galaxy“ zu Neumann: „Ich konnte diese Garnitur total zerfetzt aus einem Haus, das abgebrochen werden sollte, retten. Die Polsterung war – wie alles damals – in Orange und Schnürlsamt, also hab ich sie gemorpht. Die neuen Bezüge sind nun in sandsteinfarbenem Alcantara ausgeführt.“ Möbel interessieren den Architekten in jeder Hinsicht, er entwirft immer wieder neue Stücke (auch viele Gebrauchsgegenstände). Und er sammelt Teile, die ihm dort und da unterkommen, und deponiert sie gelegentlich in seinem Bürohaus. Es ist nicht zwingend, dass es wertvolle Stücke sind, sei’s ein altdeutsches Teil, sei’s ein Biedermeierkasten, die er dann herrichten lässt.

Als Architekt, der sowohl im großen Maßstab plant (Uniqa-Tower, Ares Tower, Rivergate) als auch mit Altbestand und denkmalgeschützter Substanz (etwa des Park Hyatt oder des Palais Fürth in Wien) arbeitet, beobachtet Neumann die regelmäßige Neubewertung bestimmter Stile und Epochen: „Jene Epoche, die gerade vergangen ist, scheint keinen Wert und keine Qualität zu haben. Nach zwei Generationen kommt sie wieder und wird als wertvoll erkannt.“ Ob dies auch für alle seine Möbel gilt? Ein Nierentisch zum Beispiel hat keinen Platz in seinen Räumlichkeiten. „Ein Nierentisch war in meiner Jugend State of the Art, und wenn ich einen sehe, zieht sich alles in mir zusammen.“ 

(c) Dimo Dimov



Das Glashaus der Technologen.
Mit historischem Industriecharme hat der Technologiekonzern Samsung nichts am Hut. Das südkoreanische Unternehmen residiert mit seinem Wiener Headquarter lieber im gläsernen Galaxy Tower, einem der vielen modernen Bürotürme der Stadt. Während die klassischen Arbeitsplätze auf vier der fünf Samsung-Etagen in der Praterstraße zusammengefasst wurden, entstand Ende 2012 auf der mittleren Ebene ein komplett neu designter Kommunikations- und Konferenzbereich. „Das Ziel war, eine inspirierende Arbeitsatmosphäre zu schaffen, die den spontanen Austausch in gleichem Maß unterstützt wie vernetztes und kreatives Arbeiten“, beschreibt SangHo Jo, Präsident bei Samsung Electronics Austria, die Mixtur aus Intimität und offener Kommunikation, Transparenz und Abgeschiedenheit. Geworden sind es 750 Quadratmeter Bürofläche, die dem heutigen mobilen Arbeiten und somit den hauseigenen Produkten Rechnung tragen soll, geplant und gestylt vom Grazer Architekturbüro Innocad, das schon für die Gestaltung des Headquarter Microsoft Vienna verantwortlich zeichnete.

(c) Paul Ott

Wer sich jetzt eine knallbunte Bürolandschaft und Etagen verbindende Rutschen für die Mitarbeiter ausmalt, wird enttäuscht. Schwarz, Weiß, Braun, Blau und Grau sind die dominierenden Farbtöne, schlicht, zurückgenommen, entschleunigt und gedämpft die charakteristischen Raumattribute. Das wird bereits im Foyer klar, das mit der Verbindung von asiatischen und österreichischen Elementen spielt. Auf der einen Seite ein kleiner Zengarten mit Bonsais, auf der anderen Böden aus heimischem Holz. Rechts und links des Eingangsbereichs reihen sich, jeweils an die gläserne Außenfassade des Gebäudes angelehnt, Räume aneinander, von denen jeder seine eigene Funktion erfüllt. Lounges zum gemeinsamen Arbeiten, Ruhe- und Rückzugsräume, Meeting Points, eine Cafeteria samt Küche, ein Playground-Zimmer mit Wuzler, Spielekonsolen und E-Gitarre oder ein knapp zwei Quadratmeter großes Telefon- und Videokonferenzkämmerchen, das laut Samsung- Kommunikationsagentin Reka Balint „trotz oder wegen seiner intimen Enge besonders gern und häufig genutzt wird“.

(c) Paul Ott

Als gemeinsamer Nenner fungieren auf der gesamten Ebene die Materialien Holz und Glas sowie die Ausstattung der Räumlichkeiten mit moderner Konferenztechnologie. „Die Wünsche der Mitarbeiter wurden bei der Gestaltung berücksichtigt. Wesentliche Elemente aus der Befragung ,Great Place to Work‘ flossen in die Planung ein“, betont Balint. Dementsprechend gut werde die neue Arbeitsumgebung, in der die einzelnen Räume über ein Intranetsystem täglich nach Bedarf gebucht werden, angenommen.

Der Altbau der Bürogemeinschaft. Von Raumbuchungen via Intranet und Hightech- Interieur ist bei Liberty Incentives & Congresses Vienna keine Rede. „Ich mag moderne Gebäude nicht und fühle mich hier sehr wohl“, hat Dagmar Oegg damit kein Problem. Seit 2003 ist sie mit der Geschäftsführung eines Büros betraut, das sich auf die Organisation von Meetings und Events für internationale Firmen, vornehmlich aus Frankreich und Russland, spezialisiert hat.

(c) Dimo Dimov

Die 180 Quadratmeter Arbeitsfläche im Erdgeschoß eines Gründerzeithauses in der Bechardgasse im dritten Wiener Gemeindebezirk versprüht den Charme einer klassischen Altbauwohnung – mit Fischgrätenparkett als Bodenbelag, zweiflügeligen Türen, Doppelfenstern und kleinem Raucherbalkon samt Blick auf den Innenhof. An den Wänden hängen mit privaten Postkarten und Fotos bestückte Korkpinnwände, auf Design-Schnickschnack wird weitgehend verzichtet. Einzig das Besprechungszimmer mit dem glänzenden Holztisch, den grünen Sesseln und der bronzenen Büste bringt Farbe und Style in ein Sechs-Frauen- Büro, in dem das Klima vor allem arbeitsam ist. „Wir haben ja wenig Kundenbetrieb und müssen somit nicht oft repräsentieren“, so Oegg, die ihren Standort nahe dem Bahnhof Wien Mitte nicht zuletzt wegen der guten Infrastruktur und Verkehrsanbindung mag.

(c) Dimo Dimov


Vorteile, die auch von Kristin Allwinger geschätzt werden. Vor Kurzem hat sie sich in einem rund zwölf Quadratmeter großen Zimmer des Agenturbüros eingerichtet und es sich mit ein paar kleinen Gegenständen – zwei bunten Blumenvasen etwa, einem Glaskaraffenservice – gemütlich gemacht. Von hier aus führt die Geschäftsfrau ihr strategisches Kommunikationsberatungsunternehmen Akonsult, bei dem Zielgruppen untersucht und analysiert sowie Unternehmen und Institutionen dabei unterstützt werden, sich in Medien wahrnehmbar zu machen. In der Altbaubürogemeinschaft genießt sie in erster Linie das persönliche Ambiente. „Man braucht schlussendlich nicht sehr viel, um kreativ zu sein“, ist Allwinger überzeugt.

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