Bauentwurf: Gut simuliert

Die Welt des Bauentwurfs wird mit der Technologie Building Information Modeling dreidimensional und kommunikativ. Zum Vorteil aller am Planungsprozess Beteiligten.

Das iPad einschalten und ein File des Architekten anschauen – das könnte schon bald für Bauherren reichen, wenn sie wissen wollen, zu welchen Resultaten ihre Umplanungen führen werden.

Ein dreidimensionaler Spaziergang durch das künftige Büro, der Check der Materialien von Wänden und Fußböden, die Antwort auf die Frage, wie viel Strom die Beleuchtungskörper verbrauchen oder wo um welche Zeit die Sonne hineinscheint – alles ist möglich. BIM – Building Information Modeling – nennt sich die Technologie, die einen grundlegenden Wandel beim Entwerfen von Hightech-Gebäuden bringen soll. Ausgangspunkt der Entwicklung ist die steigende Komplexität bei der Planung und das enorme Ressourceneinsparungspotenzial. Zwar werden dabei längst Computer eingesetzt. Aber der gesamte Prozess ist oft noch in Teilbereiche aufgegliedert. Im eigentlichen Planungsprogramm sind dann nur rudimentäre Daten und Eigenschaften von Bauteilen vermerkt. „Vergleicht man die Effizienz in den Prozessabläufen und den Grad der Automatisierung anderer Wirtschaftszweige mit der des Hoch- und Tiefbaus, wird klar, dass herkömmliche Planungs- und Bauabläufe einer Reform bedürfen“, schlussfolgert Franz Gruber, Architekt und Mitglied der Geschäftsführung der BEHF Corporate Architects. Sein Büro hat sich in Zusammenarbeit mit Softwareindustrie und der TU Wien mit dem Thema BIM intensiv auseinandergesetzt.

Licht in die Planung. „Building Information Modeling ist eine Möglichkeit, diese komplexe Materie zu beherrschen, weil alle Informationen des Gebäudes in einem zentralen Modell und einem gemeinsamen elektronischen Datensatz zusammengefasst werden“, erläutert Christoph Eichler, BIMOperations- Director bei BEHF. Für den Planer eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten. Eichler erzählt beispielsweise von Tageslichtsimulationen, mit denen sich darstellen lässt, wie viel Licht in die im unteren Bereich eines Innenhofes gelegenen Büros fällt. „Solche Qualitäten eines Objekts lassen sich verlässlich darstellen. Die Ergebnisse werden sogar von den Baubehörden akzeptiert“, freut sich Eichler.

„Simulationen erlauben es, Bauwerke in allen Bereichen zu optimieren“, ergänzt Architekt Gruber: „Das bringt klare Vorteile für den Auftraggeber, weil er ein besser verwertbares Objekt erhält.“ Verbessert werde auch die Zusammenarbeit mit allen am Prozess beteiligten Planern sowie den Bauausführenden. Schließlich erhalten sie über standardisierte Schnittstellen sämtliche aktuelle Informationen des Projektes und können ihre Eingriffe im umgekehrten Weg wieder in das Kernmodell des Architekturbüros einfließen lassen: „Die Koordination und die Integration komplexer Aufgabenstellungen wird durch die systematische Synchronisierung im aktuellen Datensystem nicht nur einfacher, sondern vor allem treffsicherer“, berichtet Gruber.

Nachhaltig verknüpft. „Früher hat jeder Beteiligte aus einem zweidimensiona len Plan im Kopf seinen eigenen dreidimensionalen Plan gemacht. Mit BIM passiert das nicht mehr, weil im BIM-Modell das Haus mit allen notwendigen Informationen sichtbar ist“, bestätigt Michael Haugeneder von ATP Sustain, einer Forschungsgesellschaft für nach haltiges Bauen von ATP Architekten In genieur. Sinnvoll ist BIM nicht zuletzt auch, um die Flut an Informationen handhaben zu können, die mit nachhaltigem Bauen verbunden sind. „Bei Nachhaltigkeit geht es beispielsweise nicht nur um einen schadstoffarmen Teppich, sondern ebenso um die Fragen, wie er wo produziert wurde, wie er verlegt, gepflegt und letztlich entsorgt wird“, erläutert Haugeneder. In einem Forschungsprojekt mit der TU Wien untersucht ATP Sustain die mit BIM verknüpfbaren Simulationen. Gearbeitet wird etwa an der Möglichkeit einer thermischen Simulation bzw. Licht-, Material- und Prozesssimulation eines Industriebaus. Es gilt, hochkomplexe Algorithmen, die von verschiedensten Faktoren beeinflusst werden – etwa Wärmedämmung, Fenstergröße, Sonneneinstrahlung, aber auch Bewegungen von Menschen und vom Materialfluss im Gebäude –, miteinander zu verknüpfen. „Auf diese Weise lässt sich exakt simulieren, welche Auswirkungen Veränderungen auf den Energiebedarf oder auf die CO₂-Bilanz haben. Das sind beste Voraussetzungen, um ein ausbalanciertes Gebäude zu schaffen“, sagt Haugeneder.

Ein weiterer Vorteil. Die Daten können nach Fertigstellung des Gebäudes dem Bauherrn bzw. dessen Facility-Management übergeben werden. So sind im BIM, grafisch verknüpft mit der Datenbank, etwa sämtliche Leuchten mit allen Eigenschaften enthalten, was die Instandhaltung wesentlich erleichtert. Technisch möglich wäre es auch, dass eine Leuchte dem System meldet, wenn sie nicht funktioniert. Sogar der Bestellvorgang ließe sich dann automatisieren. „Diese Verknüpfung von der Planung in den Betrieb ist aber teilweise noch Zukunftsmusik“, so Haugeneder.

Noch nicht ins BIM eingebunden sind Zertifizierungssysteme. „Das ist ein sehr komplexes Thema, da hier qualitative und quantitative Kriterien sowie bauphysikalische Berechnungen verknüpft werden müssen“, erläutert Haugeneder. Was im US-amerikanischen System LEED einfacher sei, da dort mit eindeutig zuordenbaren Kennzahlen gearbeitet wird, gestaltet sich bei den europäischen Systemen wie DGNB/ÖGNI oder BREEAM noch schwierig. ÖGNI-Präsident Philipp Kaufmann ist dennoch überzeugt, dass sich dafür Lösungen finden lassen: „BIM-Datenbanken sind die besten Voraussetzungen, um die Parameter einer Zertifizierung zu implementieren und dann sofort zu sehen, ob man gut oder schlecht baut.“ Das werde auch bald funktionieren: „Dann kann man simulieren, welche Auswirkungen die Verwendung unterschiedlicher Materialien auf die ökologischen und ökonomischen Qualitäten eines Bauwerks hat.“

Kein Allheilmittel. Laut Architekt Franz Gruber von BEHF werden auch die Bauherren von BIM wesentlich profitieren: „Sie sehen, wie wir das Gebäude modellieren, und verstehen damit Entscheidungen besser. Das Verständnis füreinander wächst und das Produkt wird am Ende viel besser.“ Das Modell zwingt auch alle Beteiligten, zeitgerecht Entscheidungen zu treffen. Womit sich viele Unwägbarkeiten verhindern lassen.

Ein Allheilmittel ist es allerdings nicht. Probleme wie bei Skylink oder beim Berliner Flughafen können trotz BIM passieren, warnt Haugeneder: „Das BIM-Modell ist nur so klug wie derjenige, der die Daten eingibt. Ein gutes Qualitätsmanagement und sicheres Prozessmanagement im Planungsteam kann es niemals ersetzen.“

Komplex bauen

In den Planungsprozess eines großen Bürobaus sind Dutzende Planer verschiedener Disziplinen mit ihren Teams involviert. Tausende Materialien, Bauteile und technische Einrichtungen von der Lüftung über die Beleuchtung bis zu den Aufzügen müssen zu einem harmonischen Ganzen zusammengefügt werden. Dabei stehen viele Elemente in unmittelbarer Wechselwirkung zueinander. Dazu kommen ökonomische und ökologische Ziele sowie die Anforderungen an das Facility-Management nach einer reibungslosen und effizienten Betriebsführung des Hightech-Gebäudes. Jedes größere Gebäude ist im Grunde genommen eine völlig neue Entwicklung, quasi ein Prototyp.

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