Arbeitsplatz: Mehr Freiraum

Mit der Tischleuchte und dem Schreibtischsessel ist es nicht mehr getan. Wer Mitarbeiter binden möchte, setzt auf Raum für Freizeitaktivitäten am Arbeitsplatz.

(c) Teamgnesda
(c) Schönherr

Die Zeiten, in denen mehr oder weniger erfolgreich die Losung „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps“ ausgegeben wurde, sind lang vorbei. Immer stärker vermischen sich Arbeit und Freizeit, lösen sich Strukturen wie Nine to five oder Freitagfrühschluss zugunsten einer ständigen Erreichbarkeit auf; Bedenken, jemanden beruflich zu kontaktieren, gibt es bestenfalls noch zwischen 22 Uhr nachts und sechs Uhr früh. Im Gegenzug finden aber immer mehr Freizeitaktivitäten während der Dienstzeit statt, wird in den Begegnungszonen moderner Firmengebäude gewuzelt, in eigenen Massageräumen entspannt oder im hauseigenen Fitnessstudio geschwitzt. Und das alles in Räumlichkeiten, die von der Unternehmensleitung gern dafür zur Verfügung gestellt werden.

Heimatfunktion erfüllen. „Gerade in jüngeren Unternehmen gehören solche Einrichtungen zur Kultur“, weiß Andreas Gnesda, Inhaber von Teamgnesda, „da will man ein starkes Sozialgefüge haben; Austausch, Kommunikation und Beziehungen ermöglichen.“ Das Unternehmen soll hier durchaus eine Heimatfunktion wahrnehmen, so der Büroeinrichter, ein Beziehungspunkt für die Mitarbeiter sein.

Damit das gelingt, wird inzwischen in weit mehr als nur die amtlich vorgeschriebene Beleuchtung des Arbeitsplatzes und ergonomische geformte Schreibtischsessel investiert. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala der Zusatzräume zur Mitarbeiterbindung stehen der Betriebskindergarten und die Kantine – die heute aber unter der gleich viel appetitlicher klingenden Bezeichnung Betriebsrestaurant firmiert. Allerdings gebricht es im Land der Klein- und Mittelunternehmen dafür oft an der schieren Größe. „Ein Restaurant ist für Unternehmen mit weniger als 200 Mitarbeitern schwierig, wenn dort qualitativ hochwertiges Essen angeboten werden soll“, so Gnesda, „und auch ein Betriebskindergarten funktioniert erst ab einer gewissen Größe, da ja auch eine Kontinuität gewährleistet sein soll. 30 bis 40 Kinder sollten es schon sein“, so der Bürodesigner.

Ein Unternehmen, das diese kritische Menge erreicht, ist die OMV. Hier arbeiten im 2009 bezogenen Head Office im zweiten Bezirk 1700 Mitarbeiter, die ihren Nachwuchs im nur zwei Gehminuten entfernten OMV-Betriebskindergarten betreuen lassen können.

In insgesamt vier Gruppen zu maximal 21 Kindern wird hier ein bilinguales Konzept umgesetzt, und das – mit Ausnahme von zwei Wochen im Jahr – täglich von sieben bis 18 Uhr. Außerdem gibt es im OMVHauptquartier einen Viva-Shop mit ähnlichen Produkten wie an den Tankstellen, eigene Räume für Fitnesskurse und -veranstaltungen und ein großes Betriebsrestaurant zur Verköstigung der Mitarbeiter.

Schwitzen am Arbeitsplatz. Service wird auch in der neuen ÖBB-Zentrale am Hauptbahnhof (siehe Seite 16) großgeschrieben, in die derzeit gerade insgesamt 1700 Mitarbeiter aus acht Standorten übersiedeln. Hier gibt es neben dem Betriebsrestaurant noch eine Caféteria und ein sogenanntes Flying Service, das die Mitarbeiter direkt am Arbeitsplatz mit Essbarem versorgt. „Außerdem gibt es Begegnungszonen im ganzen Gebäude“, freut sich Pressesprecher Michael Braun über die neuen Räumlichkeiten, die bis Ende November bezogen sein sollen, „damit kommen wir dem stark gestiegenen Bedarf an Kommunikation nach und vermitteln die neue Unternehmenskultur und Werte wie Transparenz, Offenheit und Zukunftsorientierung.“ Dem soll ebenfalls mit einer besonderen Einrichtung beim Gebäude Rechnung getragen werden: 150 Fahrradparkplätze werden die ÖBB-Mitarbeiter in Sachen persönlicher Mobilität unterstützen, die dahinter befindlichen Duschen und Spinde beim Frischmachen für den Büroalltag danach behilflich sein. Der Wunsch nach körperlicher Ertüchtigung nahe dem Arbeitsplatz ist groß in der neuen Arbeitswelt. Die Möglichkeit, das ausgefallene Meeting spontan für die Fitness nutzen zu können, hätten viele Mitarbeiter gern. Allerdings birgt die Einrichtung eines firmeneigenen Studios auch einige Fallstricke. „Zum einen muss so etwas professionell eingerichtet und geführt werden“, so Gnesda, „zum anderen hat es doch oft etwas sehr Intimes, neben wem man da schwitzend auf dem Laufband steht.“ Viele Firmen weichen daher eher auf Kooperationen mit bestehenden Studios aus, in denen vergünstigte Mitgliedschaften für die Mitarbeiter angeboten werden. Erfolgreich über diese Bedenken hinweggesetzt haben sich jüngst die Schönherr Rechtsanwälte, die im neuen Wiener Hauptquartier am Schottenring ein eigenes Fitnessstudio in Kooperation mit John Harris eröffnet haben.

24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche können die insgesamt 270 Mitarbeiter das 200 Quadratmeter große Studio im Halbstock des Gebäudes nutzen. „Dreimal pro Woche ist außerdem ein Trainer für Kurse im Haus“, erklärt Schönherr-Partner Peter Konwitschka, „und es gibt sogenannte Ladys Hours nur für Damen.“ Ein Konzept, das aufzugehen scheint, finden sich doch im Schnitt 14 Rechtsexperten zu den Kursen und auch sonst zahlreiche Nutzer der Räumlichkeiten ein. „Wir wollten einfach ein lebenswertes Umfeld für unsere Mitarbeiter schaffen“, erklärt Konwitschka. „Alles andere ist nicht mehr zeitgemäß, schließlich erschöpft sich Entlohnung heute nicht mehr in der Bezahlung.“

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