Der Verfall des Rubels zwingt die russische Zentralbank, in die Offensive zu gehen: Der Wechselkurs ist seit Montag freigegeben, Interventionen sind nun nach Gutdünken möglich.
Wien. Im zuletzt schier hoffnungslosen Kampf, den rapiden Verfall der russischen Währung zu stoppen, ging die russische Zentralbank am Montag in die Offensive und gab kurzerhand den Wechselkurs frei. Konkret gab Notenbankchefin Elvira Nabiullina den Korridor auf, innerhalb dessen Kursschwankungen des aus Dollar und Euro bestehenden Referenzwährungskorbes zugelassen waren und bei dessen Überschreitung in einem vorgegebenen Ausmaß regelmäßig mit Währungsreserven interveniert wurde. Zwar sagen sich die Währungshüter nicht prinzipiell von Interventionen los, wollen diese aber nur noch situativ vornehmen. Statt der regelmäßigen Einmischungen „werden wir jeden beliebigen Moment in jenem Ausmaß intervenieren, das nötig ist, um eine spekulative Nachfrage abzuwehren“, sagte Nabiullina.
Rubel erholt sich
Der Schritt wurde am Montag weitgehend positiv aufgenommen und hat die Stärkung des Rubels, die sich am Montagfrüh erstmals seit Langem eingestellt hatte, unterstützt. Der Erholungskurs hatte gestartet, als Kreml-Chef Wladimir Putin in der Früh zwar die derzeit „signifikanten Schwankungen“ des Rubels eingestanden, aber doch versichert hatte, dass die Finanzbehörden alle nötigen Maßnahmen setzen werden, sodass die „spekulativen Kurssprünge“ demnächst ein Ende finden würden. Dass der Devisenmarkt in den vergangenen Tagen von Spekulanten bestimmt werde, weshalb der Rubel neue Tiefststände erreichte, hatte kurz zuvor Xenija Judajeva, Erste Zentralbank-Vizechefin, erklärt.
Wochenlange Talfahrt
Der Rubel befand sich freilich schon seit Wochen auf rasanter Talfahrt, wofür es zahlreiche Gründe gibt: Zum einen der unerwartet starke Verfall des für die russische Wirtschaft so entscheidenden Ölpreises. Zum anderen der in diesem Jahr rapid gestiegene Kapitalabfluss aus dem Land. Weiters die verschlechterte Zahlungsbilanz. Alles vor dem Hintergrund einer Stagnation an der Grenze zur Rezession und verstärkt durch die westlichen Sanktionen sowie den daraus resultierende Engpass an Devisenliquidität.
Unterm Strich hat die Zentralbank über Wochen und Monate weitgehend ergebnislos interveniert: Während nämlich die Währungsreserven von 510 Mrd. Dollar zu Jahresbeginn auf 428,6 Mrd. Dollar mit Ende Oktober geschrumpft sind, ist der Kurs des Rubels zum Währungskorb von 38,24 Rubel auf 53 Rubel gesunken – ehe er sich eben am Montag auf 50,99 Rubel erholte.
Verspäteter Strategiewechsel
Kritik kam denn am Montag auch von Russlands Finanzminister, Anton Siluanov: Die Entscheidung für den freien Wechselkurs komme „etwas verspätet“, sagte er: „Als der Druck auf den Rubel begann, gab es keine Notwendigkeit, den Preiskorridor beizubehalten und die Gold- und Währungsreserven zu verkaufen.“
Schon einmal hatte Russland Unsummen an Währungsreserven zur Stützung des Rubels auf den Markt geworfen – und zwar Ende 2008, als die Wirtschaft um 7,9 Prozent absackte. Damals schrumpften die Währungsreserven von zuvor 600 Mrd. Dollar um ein Drittel.
Jetzt sollte die neue Wechselkurspolitik laut Zentralbank auch dazu beitragen, dass sich die Wirtschaft schneller an die geänderten äußeren Bedingungen adaptiert und die Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen Schockmomenten erhöht. Um den Druck auf den Rubel zusätzlich zu verringern, hat die Zentralbank am Montag beschlossen, den Banken temporär weniger Rubelliquidität bereitzustellen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2014)