Sündenböcke und Schuldige

KAeRNTEN: HCB-BELASTUNG / INFORMATIONSVERANSTALTUNG DES LANDES
KAeRNTEN: HCB-BELASTUNG / INFORMATIONSVERANSTALTUNG DES LANDES(c) APA/GERT EGGENBERGER
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Auf der Suche nach den Schuldigen: Wen der Umweltskandal im Kärntner Görtschitztal politisch schädigen könnte.

Wien/Klagenfurt. Das ist eine neue Situation für die rot-grün-schwarze Dreierkoalition in Kärnten: Die Landesregierung steht vor einem handfesten Skandal – und die Freiheitlichen trifft keinerlei Schuld daran. Als wären das Hypo-Desaster und die budgetäre Schieflage des Landes nicht genug, muss man sich jetzt auch noch mit einem Umweltproblem herumschlagen, dessen tatsächliches Ausmaß immer noch schwer abschätzbar ist.

Genauso schwer abschätzbar ist, wen die Belastung der Umwelt mit HCB politisch beschädigen wird. Die Angelegenheit ist komplex, ob auf Beamtenebene Fehler gemacht wurden, steht noch nicht fest. Und noch viel weniger, wie sehr diese den politisch Verantwortlichen zuzuschreiben sind. Und welche Fehler diese selbst gemacht haben. Es kann aber durchaus passieren, dass unabhängig von der Schuldfrage politische Sündenböcke an den öffentlichen Pranger gestellt werden.

Ein logischer Kandidat dafür wäre Rolf Holub: Ein Grüner, der als Umweltlandesrat Verantwortung trägt, wird sich schwertun, unbeschädigt aus der Sache hervorzugehen. Und natürlich kommt auch der Landeshauptmann selbst in die Ziehung: Auch wenn Peter Kaiser persönlich nirgends zuständig war, trägt der Regierungschef Verantwortung für das, was im Land geschieht.

Aber versuchen wir, die politische Verantwortung anhand der tatsächlichen Ereignisse nachzuvollziehen: Am Beginn stand ein Bescheid des Landes Kärnten aus dem Jahr 2010, wonach die Zementfabrik in Wietersdorf belasteten Blaukalk verbrennen darf. Zuständig war als damalige Umweltlandesrätin die SPÖ-Politikerin Beate Prettner. Hätte sie anders handeln müssen? Die Verbrennung selbst ist an sich unproblematisch, weil das Umweltgift HCB im Zementofen rückstandslos verbrennt – wenn es an der richtigen Stelle eingebracht wird. Genau das ist aber nicht passiert, sagt die Landesregierung jetzt. Hätte das kontrolliert gehört? Oder wären regelmäßige Abgasmessungen angebracht gewesen? Laut Prettner hätten die Beamten damit argumentiert, die Messung von Dioxinen würde auch Auffälligkeiten bei HCB anzeigen. Und dass sie sich da wohl auf ihre Beamten verlassen können muss.

Der nächste entscheidende Punkt: Im März dieses Jahres tauchten HCB-verseuchte Lebensmittelproben auf. Ob Höchstwerte überschritten wurden, ist inzwischen umstritten und wohl auch eine Frage von Definitionen. Eine Molkerei sperrt zwei Lieferanten, die Behörden sind informiert, unternehmen aber nichts, damit die zwei Lieferanten ihre Milch nicht anderswo anbieten können. Weitere Proben werden angeordnet, die Öffentlichkeit aber nicht informiert. Das hätte aber passieren müssen. Damals zuständig: ÖVP-Agrarlandesrat Wolfgang Waldner. Ebenso informiert war die Umweltabteilung, nicht aber deren Chef. Begründung: Man könne den Landesrat nicht bei jeder Erhöhung von Grenzwerten informieren, da gebe es tausende.

Am 6. November wurde Holub tatsächlich informiert – und stoppte sofort die Verbrennung von Blaukalk in Wietersdorf. Hätte er damals auch sofort die Öffentlichkeit informieren müssen? Vermutlich ja, auch wenn er damals von seiner Beamtenschaft die Auskunft bekam, es gebe keine Gesundheitsgefährdung und man müsse noch zusätzliche Daten einholen. Damals wurden auch Kaiser und Prettner eingebunden. Die tatsächliche Information der Öffentlichkeit passierte dann unkoordiniert und offensichtlich wenig durchdacht. Agrarlandesrat Christian Benger (ÖVP), der angibt, von seinem Vorgänger Waldner nicht informiert worden zu sein und erst am 25. November von der Sache erfahren zu haben, ging am Tag danach an die Öffentlichkeit. Die Landesregierung wirkte, als sei sie am falschen Fuß erwischt worden und hatte tagelang keine Antworten auf wichtige Fragen. Ein fehlendes Krisenmanagement, das das HCB-Problem erst zu einem richtigen Skandal auswachsen ließ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2014)

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