Islamgesetz: Es gärt unter Österreichs Muslimen

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Rund um das neue Islamgesetz regt sich unter den Muslimen großer Unmut. Vor allem IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac steht in der Kritik, zuletzt gab es sogar offene Rücktrittsforderungen.

Wien. „#SanacMussWeg“. In einen griffigen Twitter-Hashtag verpackt hat die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) vergangene Woche einen Angriff auf Fuat Sanac, den Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), gestartet. Ihm wird vorgeworfen, bei den Verhandlungen rund um das neue Islamgesetz nicht die Wünsche und Forderungen der Basis berücksichtigt zu haben. Was nun in einem Gesetz gipfeln könnte, das viele Muslime als problematisch sehen – weil es als Religionsgesetz angesehen wird, das gegen eine Religionsgesellschaft gerichtet ist.

Am vergangenen Mittwoch hat ein – nach der Begutachtungsphase leicht abgeänderter – Entwurf des Gesetzes den Ministerrat passiert, der Anfang 2015 im Nationalrat zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Ein Entwurf, der nach wie vor Passagen enthält, die von muslimischer Seite heftig kritisiert werden. Dass das Gesetz etwa sowohl für die Islamische Glaubensgemeinschaft als auch für die Aleviten gelten soll – schließlich gebe es ja auch nicht nur ein Gesetz für alle Christen. Dass in weiterer Folge die beiden muslimischen Glaubensrichtungen gemeinsam eine Fakultät an der Universität bekommen sollen. Dass der Bundeskanzler die Möglichkeit hat, die Rechtspersönlichkeit einer Islamischen Religionsgesellschaft aufzuheben. Und nicht zuletzt, dass einige Punkte im Gesetz über den Umweg der Religion letztlich sicherheits- und integrationspolitische Agenden behandeln – etwa mit dem Finanzierungsverbot aus dem Ausland.

Gerade die MJÖ hat sich schon in den vergangenen Monaten mehrfach zu Wort gemeldet und dabei auch die Konfrontation mit der IGGiÖ gesucht. Die Rücktrittsforderung an Sanac ist nun der vorläufige Höhepunkt des Aufbegehrens. Zuletzt schlossen sich auch die Islamischen Religionsgemeinden Linz und Salzburg via Facebook der Rücktrittsforderung an. Auch das Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft, das im Herbst erstmals an die Öffentlichkeit getreten ist, wünscht sich Konsequenzen. Viel wird in diesem Zusammenhang von einem Generationenkonflikt gesprochen, weil der Protest gegen das Islamgesetz und gegen Sanac bisher vor allem von jüngeren Muslimen getragen wird, die in Österreich aufgewachsen sind – und sich von den großen und stark männlich dominierten muslimischen Vereinen nicht ausreichend repräsentiert sehen.

Stellungnahme der Vereine

Doch auch bei den etablierten Vereinen regt sich einiger Unmut über das neue Islamgesetz. So ist eine Pressekonferenz geplant, bei der unter anderem Vereinigungen wie Atib, die Islamische Föderation, der schiitische Verband Ahlulbayt und die Initiative Muslimischer Österreicher zum Gesetz Stellung beziehen wollen. Dem Vernehmen nach soll es bei inhaltlicher Kritik am Gesetz bleiben, ein Rücktritt von Sanac kein Thema sein. Wenn auch hinter den Kulissen Murren zu hören ist. Dass die Verhandlungen zum Islamgesetz von Seiten der IGGiÖ schlecht geführt worden seien, dass Sanac die Mitglieder nicht ausreichend informiert habe und man nun mit einem Gesetz konfrontiert sei, das so niemand wollte.

IGGiÖ-Präsident Sanac wollte die Rücktrittsforderungen und das weitere Vorgehen im Gespräch mit der „Presse“ nicht näher kommentieren. Nur so viel: Man werde noch am Montag eine schriftliche Stellungnahme veröffentlichen. Was den Gesetzesentwurf angeht, der den Ministerrat passiert hat, hält Sanac fest: „Es ist immer noch ein Entwurf, und wir brauchen noch einige Veränderungen.“ Geplant ist, dass sich am Mittwoch, 17. Dezember der Oberste Rat, das Exekutivorgan der IGGiÖ, und am kommenden Sonntag, dem 21. Dezember der Schurarat, das legislative Organ, mit dem Thema befasst.
Kommenden Montag soll es schließlich eine Stellungnahme an das Kultusministerium geben. Ob sich durch die Stellungnahme, wie immer sie auch ausfällt, noch Änderungen im Gesetz ergeben werden, ist fraglich. Denn von Seiten der Regierung wurde betont, dass es an den Eckpunkten keine Änderungen mehr geben wird.

Mit Sanacs Zukunft verknüpft

Mit der Ausgestaltung des Islamgesetzes verknüpft ist auch die Zukunft von Sanac selbst. 2015 sind Wahlen in der IGGiÖ angesetzt. Sind die Muslime unzufrieden, dürfte der Rückhalt für Sanac enden wollend sein. Wobei hier ohnehin noch eine Frage offen bleibt – ob nämlich nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes die bisherige Verfassung und die Wahlordnung der IGGiÖ, die noch unter Sanacs Vorgänger Anas Schakfeh in jahrelanger Kleinarbeit erarbeitet wurden, überhaupt noch gelten.

Auf einen Blick

Islamgesetz. Der Ministerrat hat einen Entwurf zum Islamgesetz beschlossen, der im Jänner im Nationalrat verabschiedet werden soll. Von muslimischer Seite regt sich nun Unmut über das Gesetz, das wegen mehrerer Punkte (z. B. Finanzierungsverbot aus dem Ausland) als diskriminierend gesehen wird. Und auch gegen Fuat Sanac, den Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich – ihm wird vorgeworfen, bei den Verhandlungen kein gutes Ergebnis für Österreichs Muslime erzielt zu haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2014)

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