Rosetta: "Wissenschaftlicher Durchbruch des Jahres"

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Die Daten der Weltraummission Rosetta könnten helfen herauszufinden, wie das Leben auf der Erde entstand. Österreichische Forscher waren an der Entwicklung mehrerer Messgeräte maßgeblich beteiligt.

Es ist noch relativ frisch im Gedächtnis, aber das schmälert die Bedeutung des Ereignisses nicht: Nach insgesamt zehnjähriger (!) Reise erreichte die europäische Mission Rosetta heuer im August den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, kurz Tschuri genannt. Der nächste, entscheidende Höhepunkt folgte im November: Die Landeeinheit Philae setzte auf dem Kometen auf – zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit. Das Magazin Nature wählte Flugdirektor Andrea Accomazzo kürzlich bereits zu einem der wichtigsten Forscher des Jahres. Und Sciencebezeichnet die Mission schon jetzt als „wichtigsten wissenschaftlichen Durchbruch des Jahres“.

Insgesamt sind 21 Messgeräte an Bord der Muttersonde und auf Philae, die mehr Wissen über die Beschaffenheit des Kometenstaubs liefern sollen. Findet man organisches Material, kann das Hinweise auf die Entstehung der Erde bringen. An gleich fünf Instrumenten war das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz beteiligt. Am Rasterkraftmikroskop sogar federführend.

„Vielleicht war es nicht der wissenschaftlich wichtigste, aber ein für mich persönlich faszinierender Moment, als Philae auf dem Kometen landete“, sagt Wolfgang Baumjohann, der das IWF leitet. Erst nach einem größeren und einem kleineren Hüpfer setzte Philae vor den Augen der Welt auf – die Harpunen, die sich im Boden des Kometen verhaken sollten, wurden nicht abgeschossen. Was der Grund war – ob die Zündladung vielleicht zu alt war – weiß man nicht. „Auf diese Distanz muss alles automatisch funktionieren“, sagt Baumjohann.

Alle Instrumente funktionieren

Die Harpunen wurden in Deutschland gebaut, die Österreicher waren am Instrument beteiligt. Verloren ist aber nichts: Ein kleines Hämmerchen an Bord von Philae führte dieselben Messungen durch, sodass die Wissenschaftler alle Werte bekommen, die ihnen wichtig sind.

Insgesamt ist Baumjohann zufrieden: „Alle Messinstrumente aus Österreich funktionieren und senden Daten.“ Viel verraten darf er aber noch nicht, bevor zu Jahresbeginn ein Sonderband von Sciencemit ersten Ergebnissen von Messungen der Muttersonde erscheint.

Wie geht es nun weiter mit der Mission? Philae steht derzeit vermutlich am Rand eines Steilhangs. Die Forscher nehmen an, dass der Schatten der Eiswand auf die Solarzellen fällt. Die Batterien brauchen Wärme, um sich aufzuladen. Die könnten sie bekommen, wenn sich Tschuri der Sonne weiter nähert. Dann wird es auch wissenschaftlich noch einmal richtig spannend: Denn dann bildet der Komet durch die zunehmende Temperatur nach und nach seinen Schweif aus. Und die Messgeräte liefern Daten dazu, die es noch nie gab.

Die Experten sind sich einig: Die Mission wäre auch ohne geglückte Landung schon ein Erfolg gewesen. Denn so nah war man einem Kometen noch nie. „Die Landung war die Sahnehaube“, sagt Baumjohann.

Der österreichische Anteil an der Mission kostet das IWF und seine Fördergeber – das Wissenschafts- und das Technologieministerium – übrigens insgesamt rund 15 Millionen Euro. Eine große Summe, die sich aber relativiere, wenn man die Gesamtkosten von 1,3 Milliarden Euro betrachtet, so Baumjohann: „Wir sind zu einem beträchtlichen Teil wissenschaftlich beteiligt, tragen aber nur ein Prozent der Kosten.“

An der Auswertung der Daten wird man am IWF noch bis Ende 2018 arbeiten, schätzt Baumjohann. Die Mitarbeit an weiteren großen Missionen ist aber schon im Gang.

LEXIKON

Rosetta. Am 2. März 2004 startete die Raumsonde Rosetta. Von 2011 bis 2014 war sie in einer Art Winterschlaf und wurde zu Jahresbeginn wieder geweckt. Im August erreichte Rosetta den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Am 12. November setzte die Landesonde Philae auf. Insgesamt befinden sich 21 Messinstrumente an Bord von Rosetta und Philae, an fünf ist das ÖAW-Institut für Weltraumforschung beteiligt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2014)

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