Gemeinderäte sind nah am Bürger. Wegen der örtlichen Machtverhältnisse fehlt es vor allem Kleinparteien an Personal.
St. Pölten. Kein gewählter Mandatar im demokratischen System Österreichs ist näher am Souverän als der Gemeinderat. Umgekehrt ist kein anderer Politiker von den lokalen Machthabern selbst so abhängig wie er. Insbesondere dann, wenn er der politischen Opposition angehört und der üblichen „feindlichen“ Übermacht, bestehend aus dem Bürgermeister und seinen unterstützenden Gemeinderäten, gegenübersteht. Die Konsequenz dieses nur allzu menschlichen Dilemmas ist, dass auf dieser Ebene der Volksvertretung insbesondere mittlere und kleine Parteien mitunter arge Probleme haben an Kandidaten zu kommen, die sich trauen, sich für diese wichtige Aufgabe bewerben.
Das Problem zeigt sich insbesondere in Bundesländern, in denen das vorherrscht, was die wirklich Mächtigen gerne als „klare Verhältnisse“ bezeichnen. Bei den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich, die am Sonntag stattfinden, schafft es mit der ÖVP nämlich nur eine einzige Partei in allen 570 Gemeinden Kandidaten aufzustellen. Die SPÖ bewarb sich mit immerhin 558 Listen. Bei der FPÖ macht sich der Personalmangel mit 341 Listen schon deutlich bemerkbar. Grüne (126), Neos (45) und KPÖ (6) folgen mit Respektabstand. Warum eigentlich?
Schwerer Stand für Kritiker
„Personen, die beispielsweise gerade ein Bauverfahren in ihrer Gemeinde anhängig haben, zeigen selten ein Interesse daran, sich gegenüber der politischen Spitze zu exponieren“, sagt Dominik Berghofer, Sprecher der Neos in Niederösterreich. Was er damit meint, ist, dass die politische Macht nirgendwo sonst so unmittelbar wirkt wie auf Gemeindeebene.
Fast immer erklärt ein Blick in die Namenslisten der örtlichen Funktionsträger, warum sich mit den Regierenden kaum jemand anlegen will, der nicht von Haus aus streitbar ist. Häufig wird dabei der Bürgermeister, der gleichzeitig – siehe oben – oberste Baubehörde ist – von seiner mit absoluter Mehrheit regierenden Riege aus Gemeinderäten unterstützt. Eine Riege, die nicht selten deckungsgleich mit der Gruppe der größten Unternehmer im Ort ist. Dagegen anzukommen, aufzudecken und zu kritisieren ist Knochenarbeit.
Diese Form des Respekts kennt A. nur allzu gut. Die Mittdreißigerin ist in ihrer Ortschaft Gemeinderätin der SPÖ, der ÖVP-Bürgermeister und seine Fraktion erhielten bei der letzten Wahl mehr als zwei Drittel der Stimmen. Kritik, erzählt sie, werde in der Regel derart forsch niedergeschlagen, dass sich die undankbare Arbeit, für die es im Monat eine Aufwandsentschädigung von 187 Euro brutto gibt, kaum noch wer antun möchte. Und schon gar nicht öffentlich darüber sprechen. „Eine Kollegin legt ihr Mandat aus beruflichen Gründen nach dieser Periode zurück. Es brauchte viel Überredungskunst, um einen neuen Kandidaten zu finden.“
Sollte ihrer Fraktion nach der Wahl ein sechstes Mandat zufallen, bliebe es unbesetzt. „Weitere Kandidaten aufzutreiben war schlichtweg unmöglich.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2015)