Nepal-Erdbeben: "Die Situation vor Ort ist schrecklich"

Aufräumarbeiten in Nepal
Aufräumarbeiten in Nepal APA/EPA/HEMNATA SHRESTHA
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In Nepal fehlt es nach der beendeten Suchaktion an allen Ecken und Enden. Laut Innenministerium stieg die Zahl der Toten auf mehr als 6600.

Eine Woche nach dem verheerenden Erdbeben in Nepal rechnet die Regierung nicht mehr damit, noch weitere Überlebende in den Trümmern zu finden. "Wir geben unser Bestes, aber ich glaube nicht, dass wir noch Überlebende finden werden", sagte der Sprecher des Innenministeriums, Laxmi Prasad Dhakal, am Samstag. Nach seinen Angaben stieg die Zahl der Todesopfer inzwischen auf mehr als 6600.

Die Zahl der Verletzten wurde mit über 14.000 angegeben. Das Beben der Stärke 7,8 hatte am Samstag vergangener Woche weite Teile des Landes zerstört. Trotz der Bemühungen von Bergungsteams aus 20 Ländern wurde seit Donnerstagabend niemand mehr lebend aus den Trümmern geborgen. Regierung und Hilfsorganisationen gehen daher davon aus, dass sich die Zahl der Todesopfer weiter erhöhen wird. Allein tausend EU-Bürger werden nach Angaben von Diplomaten noch in dem Himalaya-Staat vermisst.

Zehntausende leben in Zeltstädten

Besonders verheerend ist die Lage in abgelegenen Regionen. Dort warten immer noch viele Menschen auf Hilfsgüter und Bergungsteams, wie der Leiter der Katastrophenschutzbehörde, Rameshwor Dangal, sagte. Allein in den Bezirken Sindhupalchowk und Rasuwa müssten schätzungsweise noch tausend Menschen gerettet werden, darunter auch Verletzte und gestrandete Touristen.

In Kathmandu leben nach dem Beben zehntausende Menschen in Zeltstädten. "Wir leben nicht freiwillig in diesem Zelt", sagt Dhiraj Thakur, der mit seiner Familie auf dem Tundi Khel, einem Platz im Stadtzentrum, ausharrt. Seine Wohnung liegt in Trümmern, auch beruflich steht der 24-Jährige vor dem Nichts: "Der Mann, für den ich als Fahrer gearbeitet habe, ist tot, ich weiß also nicht, wo ich Geld herbekommen soll, um eine neue Wohnung zu mieten."

Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides, hat am Samstag an die EU-Staaten appelliert, ihre Unterstützung für die Menschen in Nepal zu verstärken. "Es besteht dringender Handlungsbedarf, die Situation vor Ort ist schrecklich", sagte er der Zeitung "Die Welt" aus Berlin. Das Land brauche jetzt am dringendsten Hilfsgüter wie Zelte, Decken, Hygieneartikel und Generatoren - aber auch "mobile Krankenstationen, Schwestern und Ärzte" würden benötigt.

Stylianides kündigte weitere Hilfen der EU-Kommission an, konkrete Zahlen nannte er aber nicht. Die Vereinten Nationen hatten um Hilfe in Höhe von 380 Millionen Euro gebeten.

Zerstörte Tempel: Unesco optimistisch

Trotz der immensen Erdbebenschäden ist die UN-Kulturorganisation Unesco optimistisch, dass viele zerstörte Tempel wieder aufgebaut werden können. Es seien zwar sehr viele Ziegelmauern eingestürzt, sagte der Unesco-Vertreter Christian Manhart im Deutschlandradio Kultur. "Sehr viele architektonische Teile" seien aber "relativ gut erhalten" und könnten "wieder verwendet werden". "Wir haben jede Menge Leute und auch sehr viel guten Willen hier", sagte Manhart.

Zahlreiche Skulpturen und geschnitzte Holzbalken seien gerettet worden, sagte der Unesco-Vertreter weiter. Es gebe zudem gute Dokumentationen der historischen Bauten im Kathmandu-Tal. Experten hätten inzwischen einen ziemlich genauen Überblick über die Schäden in Kathmandu und Umgebung. Es gebe aber bisher noch keine Aufstellung der Kosten für den Wiederaufbau, sagte der Archäologe. "Das wird sicher in die zig Millionen, vielleicht sogar hunderte von Millionen Euro gehen."

(APA/Reuters)

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