Urlaub in Griechenland: Der Grexit spielt hier keine Rolle

Österreicher auf Urlaub in Griechenland
Österreicher auf Urlaub in GriechenlandPrivat, Montage: „Die Presse“
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Ob bewusst oder nicht: Heuer machen so viele Österreicher Urlaub in Griechenland wie schon lange nicht. Nur die Spontanbuchungen gingen in den letzten Tagen zurück. Ansonsten: Urlaub wie fast immer.

Es sind vor allem die Briten, die sich dieser Tage ins Zeug legen, wenn es darum geht, Stimmung für das Urlaubsland Griechenland zu machen. Im „Guardian“ erschien Anfang der Woche ein warmherziger Aufruf eines griechisch-britischen Journalisten zum Urlauben am Peloponnes oder sonstwo in seiner früheren Heimat. „Want to help Greece? Go there on holiday“ – so die Titelzeile. Im Text ließ er britische Griechenland-Heimkehrer zu Wort kommen, die von einer Krise kaum etwas bemerkt haben wollten, außer vielleicht Schlangen vor den Bankomaten. „Auch nicht mehr als in London in einer durchschnittlich betriebsamen Woche.“

Tatsächlich ist das Urlauben in Griechenland derzeit kaum anders als sonst, wie auch die Erfahrungsberichte von Österreichern zeigen, die wir eingeholt haben. Einen Grund zur Sorge gebe es auch nicht, betonen Reiseveranstalter. Manche Anbieter versuchen, aus der Krise gar kreatives Kapital zu schlagen und verschicken etwa Last-minute-Angebote mit folgenden Betreffzeilen: „Wir sagen Ja zu Griechenland“ oder „Enthüllung: Griechenland in Wirklichkeit reich“. (Nämlich „reich an Gastfreundschaft, schönen Stränden etc.“) Reiseveranstalter berichten unisono, es gebe keine Stornierungen bis jetzt. Was auch daran liegen mag, dass die Urlauber auf den Kosten sitzen bleiben würden, da keine Reisewarnung für das Land vorliegt.

Was allerdings zu spüren ist: Seit zwei Wochen gehen Last-minute-Buchungen zurück. Das habe zwei Gründe, sagt Kathrin Limpel, Sprecherin von TUI Österreich: „Natürlich weil Griechenland in den letzten Tagen so stark in den Medien war, aber schuld ist schon auch die Hitzewelle in Österreich.“ TUI hat vor allem große Hotels auf den Inseln Kreta, Rhodos und Kos. Man werde täglich von den Reiseleitern vor Ort über die Lage informiert, derzeit sei alles normal, sagt Limpel. Auf vielen kleineren griechischen Inseln sei man zudem gewohnt, sich selbst zu versorgen, weil dort auch sonst nicht jeden Tag eine Fähre ankomme. Es sei zwar spürbar, dass es schon einen größeren Informationsbedarf bei den Touristen gebe, aber mehr Rat als den einen („Bargeld mitnehmen“) könne man derzeit nicht geben.

Im Jahresvergleich zeige sich zudem, so Limpel, dass Griechenland heuer die sonst noch stärker gebuchte Türkei überholt habe. Das Gefühl, es würden noch mehr Österreicher nach Griechenland als sonst fahren, stimme also. Auch wenn sicher nicht alle aus Solidarität oder zum „Krise schauen“ dorthin fahren, sondern weil sie wissen, dass man dort ziemlich fein Urlaub machen kann.

Probleme mit Deutschen

Valentina Lenzbauer ist auf Maturareise auf Korfu. Die Österreicher seien hier beliebt, erzählt sie.

Sorgen hat sich Valentina Lenzbauer kaum gemacht. Schließlich war die Maturareise in den All-inclusive-Klub bereits seit Jahresbeginn gebucht – und auch bezahlt. Also erwartete sich die 18-Jährige aus Ried im Innkreis keine Probleme bei ihrem Urlaub in Lefkimi im Süden von Korfu. „Klar, das mit der Schließung der Banken und die Gerüchte, kein Geld mehr an den Bankomaten abheben zu können, waren schon ein Schreckmoment. Aber Stornieren war eigentlich nie ein Thema.“ Natürlich, einiges an Bargeld musste in den Urlaub mit – falls etwas dazwischenkommen sollte, „auch wenn laut Bankberater aus aktueller Sicht keine Gefahr gegeben ist, dass Touristen das Abheben von Bargeld gestrichen wird“.

Als sie am Dienstag, zwei Tage nach dem Referendum in Griechenland, mit vier Schulkolleginnen und einem Kollegen ankam, war da jedenfalls nichts allzu Ungewöhnliches. Nur einige Kleinigkeiten fielen ihnen auf: etwa ein Plakat an einem Zaun auf dem Weg vom Flughafen, auf dem sinngemäß stand, dass die Griechen sich nicht erpressen lassen dürften. Und dass das Land nicht zum Verkauf stehe. Und ja, in einigen Geschäften, da sei nicht allzu viel los. Doch der Urlaub selbst läuft weitgehend ungestört ab – wenn auch mit Zwischentönen.

Österreicher, Gott sei dank. „Zwei Mitarbeiter des Hotels fragten uns, ob wir Deutsche sind.“ Als sich die Urlauber als Österreicher outeten, waren die Griechen beruhigt. Deutsche, sagten sie, würden sie derzeit nicht so gern mögen – „da sie ja derzeit ein kleines Problem miteinander hätten“. Mit Österreichern dagegen gehe alles klar. „Sie wirkten etwas erleichtert, dass wir keine Deutschen sind.“

Hauptsache Bargeld

Verena und Simon Latzer genießen ihre Hochzeitsreise auf Kea – und rechnen auch weiter nicht mit Schwierigkeiten.

„Kea. Wie Ikea, nur ohne I.“ Dass Verena Latzer genauer erklären muss, wo sie gerade ist, mag daran liegen, dass es sich nicht um eine typische Ferieninsel handelt. Die westlichste bewohnte Kykladen-Insel, etwa 60 Kilometer südöstlich von Athen, beherbergt eher Ferienhäuser von Festlandgriechen. Darum sind Verena und Simon Latzer auch hierhergefahren – weil sie es ganz ruhig haben wollten auf ihrer Hochzeitsreise. „Wir waren nicht auf Griechenland fixiert“, sagt Verena. „Aber im Mai hat Simon ein Haus hier gefunden und gebucht.“ Dass man den Urlaub noch stornieren könnte, war nie ein Thema. „Wir haben nur geschaut, dass wir genügend Bargeld haben.“

Und jetzt? Liegt das Paar entspannt am Strand und genießt die Sonne. „Uns geht es gut. Auf den ersten Blick merkt man überhaupt nichts.“ Und viel bekommt man auf der kleinen Insel ohnehin nicht mit. „Wir sind hier ziemlich weitab vom Schuss.“ Deutsch- oder englischsprachige Zeitungen gibt es nicht. Doch selbst der Blick auf eine österreichische Nachrichtenseite in einem Lokal mit WLAN sorgte nicht für Sorgenfalten. „Die Griechen sind ein entspanntes Volk. Sie sind schon andere Krisen gewohnt“, sagt Simon Latzer. „Auf der Insel sowieso.“

Es gibt Sorgen. Natürlich, Sorgen haben die Menschen. Das Ehepaar, das sie am Hafen kennengelernt haben. Oder der Taxifahrer mit der deutschen Frau. Doch in erster Linie steht die Gastfreundschaft – wie es die beiden Wiener auch schon bei früheren Urlauben in Griechenland schon erlebt haben. Bis zum 20.Juli bleibt das Paar noch in Griechenland. Dann geht es wieder zurück nach Österreich. Dass bis dahin noch etwas Unangenehmes passieren könnte, glauben sie nicht. Und außerdem, meint Simon: „Wir sind schon in ganz andere Länder gereist als Griechenland.“

Ein Konto in Österreich

Sein Apartment auf Milos konnte Fritz Mühlbek per Überweisung bezahlen – doch diesmal nicht auf ein griechisches Konto.

„Wir haben ganz normal gebucht und die Bestätigung bekommen, dass wir mit Kreditkarte zahlen können.“ Doch kurz, bevor es dann tatsächlich so weit war, kam dann eine Anfrage aus Griechenland, ob man nicht vielleicht doch in bar zahlen könnte – oder per Überweisung auf ein Konto. Allerdings auf keines in Griechenland, sondern eines in Österreich, erzählt Fritz Mühlbek. Der Anzeigenverkäufer der „Presse“ verbringt schon zum sechsten Mal seinen Urlaub mit seiner Familie auf der kleinen Insel Milos in der südlichen Ägäis. Und das sehr entspannt. „Wir fahren mit dem Auto herum, baden, lesen – man merkt überhaupt nichts.“ Es gibt keinen Mangel an irgendetwas, in den Geschäften bekommt man alles, was man braucht. Auch das letzte Volltanken ging ohne Probleme vonstatten. Natürlich, ein bisschen Unruhe gebe es schon unter den Einheimischen. „Aber sie reden nicht gern drüber“, sagt Mühlbek. „Wenn man sie dann fragt, sagen sie, dass sie jetzt nur sitzen und warten können.“

Die Griechen bleiben aus. Und dann ist da noch etwas: Die Touristen kommen aus den verschiedensten Gegenden der Welt – nur die griechischen Touristen sind ausgeblieben. „Auf der Insel sind sonst eher gut situierte Athener, die hier ein Haus mieten. Jetzt sieht man hier vor allem Italiener und Franzosen.“ Und bei aller Entspanntheit, ein bisschen von der angespannten finanziellen Situation des Landes bekommen auch die Gäste mit – wenn auch nur indirekt. „Freunde, die ein Haus gemietet haben, sollen der Vermieterin das Geld nun doch in bar geben. Sie heben jetzt jeden Tag 400Euro ab, damit sie am Ende die Miete zahlen können.“

Athen ist weit weg

Zum 26. Mal ist Ewald Hauft in Finikounda. Er sieht seinen Campingurlaub als „persönliches Hilfspaket“ für die Bevölkerung.

„Wir fahren seit über 30 Jahren jedes Jahr nach Griechenland. Da haben wir viele Freunde aus ganz Europa.“ Und auch diesen Sommer ist Ewald Hauft mit seiner Frau wieder für sechs Wochen da. Zum mittlerweile 26. Mal auf einem Campingplatz in Finikounda, einem kleinen Badeort auf dem Südpeloponnes, etwa 50 bis 60 Kilometer südlich von Kalamata. Dass man wegen der Krise den Urlaub in ein anderes Land verlegen könnte, stand nie zur Debatte. „Wir haben uns natürlich informiert, haben auch mehr Bargeld mit als sonst. Und versuchen, das Auto voll getankt zu haben, damit wir die 250 Kilometer bis Patras schaffen, wo die Fähre abfährt.“ Ganz neu ist die Krise außerdem ohnehin nicht, schon vor zwei oder drei Jahren hatte das Land ja finanzielle Probleme. „Gut, heuer ist es vielleicht etwas kritischer.“

Doch die Situation trübt die Urlaubsfreuden überhaupt nicht. „Mein Urlaub ist mein persönliches Hilfspaket.“ Auf dem Campingplatz ist man ja Selbstversorger. „Und wir gehen zum Einkaufen eben nicht in den Supermarkt, sondern zu den kleinen Minimärkten, die von Griechen geführt werden, oder kaufen direkt bei Bauern ein – etwa Öl oder Oliven.“ Und die Bevölkerung freut sich, dass Menschen kommen. „Dieses Gefühl geben sie einem hundertprozentig.“

Angst? In Tunesien vielleicht. Angst, dass irgendetwas schiefgehen könnte, hat Ewald Hauft nicht. „Angst hätte ich, wenn ich nach Ägypten oder Tunesien fahre, aber die wirtschaftlichen Probleme in Griechenland, die treffen, glaube ich, keine Touristen.“ Vor allem nicht hier, 350 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. „Diese Schreckensbilder mit Schlangen vor den Bankomaten habe ich hier jedenfalls noch nicht gesehen.“ Und das ist es auch, was die Griechen hier in Finikounda sagen: „Athen ist weit weg.“ EKO

Es ist von allem zu viel da: Im Hotel gibt es keine Krise

In Kreta hat man trotz der Krise keine Angst, dass es eng werden könnte. Zumindest nicht für die Touristen.

Aus Österreich kommt ein SMS, ob wir genug zu essen haben. In der Zeitung steht, dass es auf den Inseln vereinzelt zu Engpässen komme. Im Restaurant unseres Hotels im Nordwesten von Kreta ist von allem zu viel da. Wie immer bei Buffets, auch um zu zeigen, dass die Gäste etwas bekommen für ihr Geld, sogar noch mehr, als sie brauchen können.

In der in sich geschlossenen Hotelwelt ist wenig von einer Krise zu bemerken. „Irgendwie wird es gut ausgehen“, sagt Yannis, der die Hotelgäste fotografiert, in Pose, vor dem tiefblauen Meer, neben der leuchtenden Bougainvillea, auf dem satten, grünen Rasen. Die Sprenkler laufen die ganze Nacht.

Yannis stammt aus Athen. Wenn er mit seinen Freunden telefoniert, sei es wie ein Anruf in eine andere Welt, sagt er. Sie seien verunsichert, wüssten nicht, wie es weitergehen könne. „Kreta ist ein Land im Land, hier ist alles gut.“ Kreta lebt vom Tourismus und von der Landwirtschaft. Sicher könnte man mehr Olivenöl produzieren, meint Yannis. Wenn man nur wolle. Kreta brauche nichts von außen, das war schon immer so. Auch im Hotel will man nichts davon wissen, dass es mit Lieferungen in den nächsten Wochen knapp werden könnte. Man habe für alles vorgesorgt. Das Hotel gehört zu einem internationalen Reisekonzern.

In dem kleinen Fischerdorf ist es vor allem eines: sehr ruhig. Vor den Tavernen und Kafenions sitzen vereinzelt griechische Männer, gestikulieren, diskutieren. Einer lacht die Kinder an, die Fußballleiberln der österreichischen Nationalmannschaft tragen. „Austria, very good.“ Die Post ist geschlossen, auf dem Bankomaten hängt ein Zettel, auf dem in mehreren Sprachen erklärt wird, dass das Abhebungslimit nicht für Urlauber gilt. In den engen Straßen ist sonst kaum jemand unterwegs. Kleine, liebevoll gestaltete Geschäfte bieten griechische Schuhe an, griechische Kosmetik, griechische Spezialitäten. Aber nicht viele Menschen verlassen die Hotels. Auch wenn die Preise da draußen niedriger sind als sonst, Ausverkauf, überall. Bezahlt werden muss mit Bargeld. Drei Ansichtskarten kosten 75Cent. Die Frau an der Kasse kann auf den Zehn-Euro-Schein nicht herausgeben. „Ich schenk sie Ihnen.“ Als der Urlauber später mit einem Euro zurückkommt, kann sie es gar nicht glauben.

Windeln sind aus. Die Regale im Supermarkt sind gut gefüllt. Nur Pampers-Windeln und Nüsse sind aus. Vorübergehend. Unter die Touristen, die Wasser, Wein, Kekse kaufen, mischen sich wenige Einheimische. Eine deutsche Familie lässt einem alten Mann den Vortritt, der seinen Korb umständlich mit Brot, Milch und tiefgefrorenem Fisch gefüllt hat. Sie schauen betreten, wie er nach Kleingeld kramt. Die Krise wird persönlich genommen, zumindest auf Seiten derer, die nach Griechenland auf Urlaub fahren. Vor allem deutsche Gäste bemühen sich um ein behutsames Auftreten, sie sind als Freunde gekommen.

Die ausländischen Zeitungen auf den Ständern vor dem Kiosk haben Griechenland auf den Titelseiten. Drama. Krise. Hellas im Elend. Szenen aus Athen. Wir Urlauber lesen in den Zeitungen aus unserer Heimat, wie es den Menschen geht, in deren Heimat wir uns gerade aufhalten. Wir können uns nicht selbst ein Bild machen. Wer verlegen fragt, wie es denn gehe, hört Sätze wie: „Das wird schon wieder. Hoffentlich.“ Wir fragen nicht weiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2015)

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