Urheberrecht: "Es ist schwierig, Amazon zu boykottieren"

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Amazon(c) Bloomberg (Bartek Sadowski)
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Bestseller-Autorin und Urheberrechtsaktivistin Nina George hat nichts gegen E-Books, wohl aber gegen die Geschäftsmodelle von Amazon. Und gegen "Digitalversteher", die für freie Inhalte im Netz eintreten.

Die Presse: Wie ungerecht ist der Buchmarkt?
Nina George: Er verengt sich. Es ist so, dass immer weniger Autoren sehr viel verdienen und die große Masse sehr wenig. Von hundert Autoren verdienen einer oder zwei richtig viel Geld, und die anderen krebsen bei etwa 17.000 Euro brutto pro Jahr herum.

Woran liegt das?
Die Konzentration auf Stars ist viel größer als früher. Nicht der Inhalt zählt, sondern der Name. Ein Grisham wird gekauft, eine Rowling, ein Coelho – das ist eine sichere Bank. Wer sagt, ein gutes Buch wird auch ein Bestseller, der ist ein bisschen naiv. Dieser Beruf ist grundsätzlich ungerecht und unglaublich demütigend. Das muss man ertragen lernen.

Hätten Sie eine Strategie, wie man diese Ungleichheit ausgleichen könnte?
Ich bin mir nicht sicher, ob das nötig ist. Sollen wir eine Kulturverordnung erstellen? So dass jeder jedes Jahr 50 Bücher lesen muss, und das hübsch verteilt – sowohl die Hochliteratur als auch Jerry Cotton? Das wäre zutiefst antidemokratisch. Mit dieser Ungerechtigkeit, die Geschmack und Interesse heißt, müssen wir leben. Und es gibt auch eine versteckte Gerechtigkeit darin: Ich bin Bestsellerautorin, meine Bücher wurden in 32 Sprachen übersetzt, ich habe meinem Verlag in den letzten Jahren sicher Millionenbeträge eingebracht. Von diesen Millionenbeträgen wird der Verlag neue Debütautoren engagieren und andere Autoren weitertragen, auch wenn sie nicht erfolgreich waren. Die großen Namen garantieren, dass es überhaupt eine Vielfalt gibt.

Es gibt Schätzungen, wonach der E-Book-Markt den gedruckten Buchmarkt in wenigen Jahren eingeholt haben wird. Ihr Bestseller „Das Lavendelzimmer“ ist auf Amazon auch als E-Book erhältlich. Bereitet Ihnen das Bauchschmerzen?
Überhaupt nicht. Es bereitet mir keine Bauchschmerzen, dass Leute E-Books lesen, auch nicht, dass ich bei Amazon angeboten werde. Ich lehne es zwar ab, aber Amazon besorgt sich meine Bücher beim Grossisten, ich kann dagegen nichts machen, mein Verlag auch nicht. Es ist schwierig heutzutage, ein großes Unternehmen zu boykottieren.

Sind E-Books denn richtige Bücher?
Ja, natürlich. In E-Books steckt dieselbe Arbeit drin, dieselbe Konzentration, dasselbe Handwerk. Ich kämpfe sehr darum, dass E-Books auch als Wert anerkannt werden.

Ein gedrucktes Buch kann ich meiner Freundin leihen oder gebraucht weiterverkaufen. Soll ich das mit einem E-Book, für das ich bezahlt habe, auch dürfen?
Nein. Ich verstehe den Impuls, der dahinter steckt, weil man das Gefühl hat, ein Eigentum erworben zu haben. Hat man aber nicht. Man hat nur eine Leselizenz erworben. Ein gedrucktes Buch können Sie ein-, zweimal verkaufen, schon beim zweiten Mal kostet es nur noch 50 Cent, und niemand will es mehr haben – nicht einmal eine Bibliothek, die arm dran ist. Ein E-Book aber altert nie. Wenn man die erste Marge an E-Books verkauft hat, würde ein großer legaler Zweitmarkt entstehen, der den Erstmarkt komplett auffressen würde. Und davon profitieren sehr viele, nur nicht die, die das Buch hergestellt haben.

Wie stehen Sie dazu, in Bibliotheken E-Books zu verleihen?
Grundsätzlich befürworte ich das, aber es muss zu einem guten Preis geschehen. Die Bibliotheken sind die einzigen legalen Nutzer von Leihmodellen – alle anderen handeln mit Rechten, die sie nicht haben. Amazon unterläuft etwa die Buchpreisbindung mit seiner E-Book-Flatrate. Bibliotheken haben einen Staatsauftrag, sie müssen Bücher verleihen. In Deutschland ist es aber so, dass sie die Autoren nicht ausreichend vergüten wollen. Zurzeit kommen nur zwei Cent pro Ausleihe beim Autor an – das ist viel zu wenig. Davon können wir kein Einkommen bestreiten. Die Bibliotheken sagen, sie haben kein Geld. Also gehe ich zum Staat und sage: Mach es den Bibliotheken möglich, ihren Auftrag zu erfüllen und zahl denen mehr Geld, damit wir nicht ungerecht behandelt werden.

Warum sollen die Bibliotheken E-Books verleihen dürfen und Amazon nicht?
Weil Amazon damit unendlich viel Geld verdient. Bei einer Bibliothek mit Bildungsauftrag ist das anders: Da endet meine Freiheit als Autorin, da beginnt die Freiheit der Allgemeinheit. Aber Amazon ist ein Unternehmen, es verdient diese Freiheit nicht.

Sehen Sie einen Interessenskonflikt zwischen den Rechten der Autoren und dem Recht auf Zugang zu Wissen und Kultur?
Da gibt es ein großes Missverständnis. Wir haben Zugang zu allem Wissen der Welt, aber es muss kein kostenfreier Zugang sein. Es gibt auch kein Menschenrecht auf kostenfreies „Game of Thrones.“

In Österreich wurde die Festplattenabgabe beschlossen. Wie stehen Sie dazu?
Das ist normal und das ist nötig. Dass sich Hersteller von kopierfähigen Geräten ihrer Verantwortung entziehen, empfinde ich als hoch unmoralisch.

Ist die Abgabe denn zielführend in einer Welt von Streaming und Cloud-Computing?
Es wird ja trotzdem gelesen. Es geht nicht nur um das Kopieren, sondern um die Werknutzung. Jede Werknutzung muss eine Wertschöpfung sein. Der Wert der Dinge scheint sich verringert zu haben: Nur weil es leicht möglich ist, etwas zu kopieren, ist die Arbeit, die dahinter steckt, nicht weniger leicht gemacht. Mich stört es, dass alles, was technisch möglich ist, dazu ausreicht, ein Internetrecht über das Urheberrecht zu stellen.

Netzaktivisten bemängeln, die Verlagsbranche sperre sich gegen alles, was nutzerfreundlich ist.
Niemand sperrt sich. Die Digitalversteher haben eine Nähe zu Intermediären wie Google, Amazon, Facebook, Apple, die davon profitieren, wenn sie unseren sogenannten „Content“ kostenfrei und urheberrechtsfrei bekommen. Über Google erreichen etwa 75 Prozent aller Neupiraten wunderbar die Links zu illegalen Quellen von E-Books. Diese sogenannten Netzaktivisten sind eine laute Minderheit, und sie benutzen Phrasen, die sich sexy anhören, aber wenn man dahinterschaut, sieht man: Das ist alles heiße Luft. Das stimmt alles nicht. Wenn uns irgendwer vorwirft, wir seien Innovationsverhinderer, dann lache ich sehr herzlich, weil: Wir machen das Internet. Die Digitalversteher nutzen es nur. Wir sind eigentlich auch sexy. Wir sind die coolen Leute, die super Musik machen, tolle Romane schreiben, fantastische Fotos schießen. Wir sind die Widersprüchler, wir sind die Avantgarde. Wir hängen nur nicht ständig im Internet herum und twittern uns von morgens bis abends was zu. Wir arbeiten.

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