Die Versprechen der "Losfee" sind Europas einzige Antwort

UEFA General Secretary and FIFA presidential candidate Infantino attends the regional meeting of National Football Associations in Belgrade
UEFA General Secretary and FIFA presidential candidate Infantino attends the regional meeting of National Football Associations in BelgradeREUTERS
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Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino hält Michel Platini die Treue und stellt WM-Aufstockung sowie mehr Entwicklungsgeld in Aussicht.

Fußballfans ist Gianni Infantino vor allem als Gesicht diverser Auslosungen bekannt. Ob Europacup oder EM, der glatzköpfige Italo-Schweizer führt als „Losfee“ mehrsprachig eloquent durch ein zumeist ungeheuer langatmiges Prozedere und steht bei Ziehung und Aufschrauben der Kugeln wachsam zur Seite. Eigentlich ist er ein Mann aus der zweiten Reihe, doch nun setzt der Uefa-Generalsekretär bei der Fifa-Präsidentenwahl am Freitag in Zürich zum Sprung an die Spitze des Weltfußballs an.

„Angesichts der Umstände war es einer dieser Momente im Leben, in denen du aufstehen und für etwas, an das du glaubst, einstehen musst“, begründete Infantino seine Kandidatur. „Ich glaube an die Fifa und daran, etwas für den Fußball tun zu können. Ich kann nicht einfach nur dasitzen und zuschauen, wie sich die Fifa selbst zerstört.“

105 der 209 Fifa-Mitgliedsverbände wähnt Infantino laut eigener Aussage hinter sich. Neben Südamerika und der Mehrheit Europas, darunter Deutschland, England oder Österreich, sind ihm auch Stimmen aus den umkämpften Konföderationen Afrikas, Nord-, Mittelamerikas und der Karibik (Concacaf) sowie Ozeanien sicher. Dabei hatte die Uefa Infantino nach den Ermittlungen gegen Michel Platini erst in letzter Minute offiziell ins Rennen geschickt. Zunächst als „Notnagel“ belächelt, gilt der 45-Jährige inzwischen als Co-Favorit. Nicht zuletzt, weil seine Wahl durchwegs „Vertrautes“ verspricht.


Wegbegleiter Platinis. Als Sohn italienischer Einwanderer 1970 wie Joseph Blatter im Wallis geboren, studierte Infantino Jus und beriet als Rechtsanwalt nationale und internationale Fußballgremien. 2000 startete der Doppelstaatsbürger seine Uefa-Karriere, leitete unter anderem die Rechts- und Klublizenzierungsabteilung, ehe er im August 2009 zum Generalsekretär aufstieg. Mit dem derzeit gesperrten Präsidenten Platini verbindet ihn eine enge Beziehung, gemeinsam setzten sie die Aufstockung der Euro auf 24 Teilnehmer sowie die Austragung der Endrunde 2020 in gleich 13 Ländern durch.

Zu Gunsten Platinis hätte Infantino seine Fifa-Kandidatur sofort wieder zurückgelegt, dem Franzosen hält er trotz des dubiosen Deals mit Blatter (siehe Artikel Mitte) nach wie vor die Treue, sieht sich aber nicht als dessen Marionette. „Nach neun Jahren Zusammenarbeit haben wir viele Gemeinsamkeiten, aber Platini hat seine Stärken und Schwächen, und ich habe meine.“ Dennoch herrscht Zweifel an Infantinos tatsächlichem Willen zur Erneuerung, ist er doch mit dem korrupten, verfilzten Fifa-System bestens vertraut und vernetzt.


Methode à la Blatter. Reformen, Demokratie und Entwicklung nennt Infantino die drei Säulen seines Wahlprogramms, mit dem er „Vertrauen in die Fifa aufbauen“ und den größten Sportverband der Welt zu einer „modernen, glaubwürdigen und transparenten Organisation“ machen will. Die konkreten Kernthemen erinnern jedoch frappant an eine Kampagne à la Blatter. 40 statt der bisher 32 WM-Teilnehmer, Endrunden in mehreren Austragungsländern auf abwechselnden Kontinenten und viel mehr Geld für „Entwicklungsprojekte“ – so hat jahrzehntelang der scheidende Fifa-Präsident seine Macht gewahrt.

Derartige Vergleiche wies Infantino zurück, betonte stattdessen, warum er der beste Kandidat sei: „Weil ich den Fußball liebe. Ich organisiere Turniere, seit ich elf, zwölf Jahre alt bin. Der Fußball hat mir viel gegeben, jetzt möchte ich etwas zurückgeben.“ Das Selbstvertrauen ist groß, eine Wahlschlappe keine Option: „Ich bin überzeugt, zu gewinnen. Deshalb habe ich mir nur bis zum 26. Februar Gedanken gemacht.“

Steckbrief

1970
wird Gianni Infantino als Sohn italienischer Einwanderer im Schweizer Wallis geboren. Der Doppelstaatsbürger absolvierte ein
Jus-Studium.

2000
heuert Infantino bei der Uefa an, leitet unter anderem die Rechts- und Klublizenzierungsabteilung.

2009
steigt Infantino unter Uefa-Chef Michel Platini zum Generalsekretär auf. Mit dem Franzosen pflegt er eine enge Beziehung.

2015
nominiert die Uefa nach Platinis Suspendierung quasi im letzten Moment Infantino als Kandidat für die
Fifa-Wahl.

Reuters

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2016)

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