Angela Merkels Stellvertreterkrieg

Kanzlerin Merkel mit Spitzenkandidatin Julia Klöckner
Kanzlerin Merkel mit Spitzenkandidatin Julia Klöckner(c) REUTERS (WOLFGANG RATTAY)
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Die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sind auch ein Test für Kanzlerin Merkels Flüchtlingspolitik. Viel zu verlieren hat sie aber nicht.

Das Mantra gilt diesmal nicht. Dass nämlich, wie regelmäßig nach einer Niederlage beschworen, eine Landtagswahl nichts mit der Situation im Bund zu tun habe. Wenn am Sonntag in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt gewählt wird, thront über allen landespolitischen Themen die Flüchtlingssituation. Und damit steht auch die Politik von Kanzlerin Angela Merkel, wenn auch nur über die Bande, zur Disposition. Sollten die Ergebnisse für die CDU schlecht ausfallen, wird das zu einem gewissen Teil auch Merkel angelastet werden. So wie auch das Erstarken der AfD, die wohl am Ende als die große Gewinnerin dastehen wird, auch eine Folge der Flüchtlingspolitik der Regierung ist.

Am spektakulärsten ist der Wahlkampf in Rheinland-Pfalz. Immerhin tritt hier als CDU-Spitzenkandidatin mit Julia Klöckner eine Frau an, die schon als Merkel-Nachfolgerin gehandelt wurde. Und tatsächlich hat es lange Zeit danach ausgesehen, dass die 43-Jährige die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer stürzen könnte. Allein, in den vergangenen Wochen schrumpfte der große Vorsprung fortwährend – zuletzt lag die SPD sogar wieder knapp vorn. Das mag auch mit Klöckners Schlingerkurs zu tun haben – auf der einen Seite versuchte sie, die Unzufriedenheit mit Merkels Flüchtlingspolitik mit einem härteren Kurs aufzufangen, auf der anderen Seite wagte sie keine Fundamentalopposition und betonte, wie sehr sie hinter der Kanzlerin stehe. Ein negatives Ergebnis für die CDU ließe also viele Erklärungen zu.

Auch in Baden-Württemberg hat die CDU in den vergangenen Monaten an Beliebtheit eingebüßt, ihr blüht sogar das Zurückfallen hinter die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Auch hier steckte CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf in einem Dilemma, sodass er zwischen Unterstützung für und Kritik an Merkel pendeln musste. Und somit für viele Wähler weitgehend undurchschaubar bleiben musste. Immerhin, in Sachsen-Anhalt deuten Umfragen darauf hin, dass CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff den ersten Platz halten kann.

Sorge um den Koalitionspartner

Aber selbst wenn die CDU massiv Stimmen abgeben muss, hat Merkel in diesem Stellvertreterkrieg nicht viel zu verlieren. Weder in Baden-Württemberg noch in Rheinland-Pfalz kann man einen Ministerpräsidenten einbüßen. Und dass ein Herausforderer den Posten nicht erobert, wiegt aus ihrer Sicht deutlich geringer. Julia Klöckner wird das wohl nicht so sehen, immerhin galt sie schon als fast sichere neue Ministerpräsidentin, die das Bundesland nach 25Jahren wieder schwarz färben kann. Doch bundespolitisch wäre der Aufschrei wohl verkraftbar.

Mehr Sorgen muss sich die Kanzlerin schon um ihren Koalitionspartner machen. Denn die SPD, die in der Flüchtlingsdebatte keinen einheitlichen Kurs zustande bringt, ist deutlich labiler aufgestellt. Sollte Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz verlieren, wäre das ein heftiger Verlust. Gepaart damit, dass die SPD in Sachsen-Anhalt von der AfD auf den vierten Platz verdrängt werden könnte, würde die Unzufriedenheit aus der Basis wohl auch bald bei Gabriel ankommen.

Frauke Petrys AfD, der in allen drei Bundesländern beim ersten Antritt gute Ergebnisse vorhergesagt werden, bekommt dadurch auch bundespolitisch Auftrieb. Doch daneben könnte es noch einen weiteren Sieger geben: Unter dem neuen Parteichef, Christian Lindner, könnte die FDP wieder eine sichtbare Größe werden. Zunächst im Landtag, und in dessen Windschatten vielleicht auch bei der Bundestagswahl, die für 2017 angesetzt ist. Bis dahin vergeht allerdings noch einige Zeit. Was vor allem Angela Merkel zugutekommen könnte. Denn dann ist in die Debatte um Flüchtlinge vielleicht wieder etwas Ruhe eingekehrt. Und Merkel, die zuletzt wieder an Beliebtheit zugelegt hat, hätte das unangenehme Thema durchgetaucht. Selbst wenn das auf Kosten der einen oder anderen Landespartei ginge.

AUF EINEN BLICK

Landtagswahlen. Am Sonntag wird in drei deutschen Bundesländern der Landtag gewählt.

Baden-Württemberg. Das Land mit 10,7 Millionen Einwohnern wird von einer grün-roten Regierung unter Winfried Kretschmann (Grüne) geführt. Umfragen sehen die Grünen vorn.

Rheinland-Pfalz. Die SPD unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer regiert das Vier-Millionen-Bundesland mit den Grünen. In Umfragen liegt die SPD knapp vor der CDU.

Sachsen-Anhalt. Die 2,2 Mio. Einwohner werden von einer schwarz-roten Koalition unter Reiner Haseloff (CDU) regiert, die CDU liegt in Umfragen vorn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2016)

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