Wer sind die Wähler der AfD?

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Wer unzufrieden mit der Flüchtlingspolitik war, hatte kaum andere Optionen als die Rechtspopulisten. Stimmen für die AfD entsprangen vor allem der Enttäuschung über die anderen.

Berlin. Wie konnte das passieren? Die plötzliche Erschütterung in der politischen Landschaft Deutschlands nach den AfD-Erfolgen bei den Landtagswahlen ist natürlich ein wenig unehrlich. Denn dass es passieren würde, hat sich in Umfragen schon Wochen und Monate vor der Wahl abgezeichnet. Doch nun, nach den Wahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt liegen erstmals auch Daten vor, die bei der Klärung der Frage helfen können, woher der große Zustrom zur AfD tatsächlich gespeist wurde.

Eine der wichtigsten Triebfedern für ein Kreuz bei den Rechtspopulisten war die Enttäuschung. Über das politische System, über das Funktionieren der Demokratie und natürlich auch über so manche politische Sachfrage. Es war also weniger die Überzeugung von der Politik der AfD, sondern die Enttäuschung über die anderen Parteien, die die Wahlentscheidung beeinflusste. Zu etwa zwei Dritteln wurde dies in einer Umfrage des Instituts Infratest dimap genannt.

CDU und SPD nicht greifbar

Wobei das entscheidende Thema der AfD-Wähler – je nach Bundesland mit mehr oder weniger großem Vorsprung – die Flüchtlingssituation war. Tatsächlich konnte die junge Partei sich hier quasi ein Alleinstellungsmerkmal sichern. Wer mit der Flüchtlingspolitik unzufrieden war und das per Wahlstimme mitteilen wollte, hatte kaum eine andere Möglichkeit. Die CDU? Nicht wirklich greifbar zwischen Angela Merkel als Projektionsfläche für eine europäische Lösung und teils komplett abweichenden Lösungsvorschlägen aus den Ländern. Die SPD ähnlich schwammig, einerseits auf Merkel-Kurs, andererseits mit Sprüchen à la „Auch auf unsere Leute schauen“ beim Fischen im Kritikerlager.

Dass die FDP die Flüchtlingspolitik der Regierung kritisierte und andere Lösungen skizzierte, war zwar greifbar, doch interessierte das von der Partei angesprochene Klientel andere Themen wie Wirtschaft oder soziale Gerechtigkeit einfach mehr. Blieb am Ende also fast nur der Weg über die AfD, um seinen Protest auszudrücken, aus dem Bauch heraus Dampf abzulassen. Vor allem jene, die aus Enttäuschung zuletzt gar nicht mehr wählen gegangen waren, konnte man mobilisieren.

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Zum Dampf ablassen bräuchte man die AfD übrigens nicht, hätte man eine Partei wie die bayerische CSU zur Wahl gehabt – das ist eines der Ergebnisse der Umfrage von Infratest dimap. In Sachsen-Anhalt stimmten 57 Prozent der AfD-Wähler der Aussage zu: „Es wäre gut, wenn man hier CSU wählen könnte“, in Rheinland-Pfalz 72 Prozent. Was vor allem zeigt, dass rechts der CDU ein Vakuum entstanden ist, das die AfD auffüllen konnte.

Sie hat jene Rolle eingenommen, die früher dem rechten Flügel der CDU zugekommen war. Aber auch Stimmen aus dem rechtsextremen Lager hat man wohl geholt – NPD oder Republikaner schnitten jedenfalls deutlich schlechter ab als bei den Wahlen vor fünf Jahren. Nach außen zeigt man sich aber bemüht, sich abzugrenzen – man habe mit der NPD „keine Schnittmengen“, verkündete zuletzt ein Sprecher. Neben dem nationalen Lager sind es vor allem die Unzufriedenen, die sich benachteiligt fühlen. Bedient werden von der AfD überproportional die Arbeiter – abgesehen von Rheinland-Pfalz, wo die SPD noch vorn liegt, ist die AfD mittlerweile die Arbeiterpartei. Und auch bei den Arbeitslosen punkteten die Rechtspopulisten – wieder mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz – am stärksten.

Die Zukunft der AfD

Und einen massiven Vorteil hatte die AfD in den Wahlkämpfen – man konnte ein System angreifen, an dem man selbst noch nicht beteiligt war. Es reichte, Themen anzusprechen, ohne selbst eine Lösung vorlegen zu müssen. Die Flüchtlingssituation kam da thematisch äußerst gelegen. Wie es der Partei ergeht, sollte bei diesem Thema wieder Ruhe einkehren, ist offen. Über den weiteren Erfolg der Partei wird aber auch entscheiden, ob nicht bei der Arbeit in den Landtagen die Anfangsenergie im politischen Alltagsgeschäft schnell verpufft. Und auch, ob die Partei für das rasche Wachstum überhaupt genug fähiges Personal zur Verfügung hat. In Sachsen-Anhalt stellt die AfD künftig 24 Abgeordnete – bei kolportierten 300 Parteimitgliedern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2016)

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