Ölpreis nur von Hoffnung getrieben

Views Of Oil Refinery
Views Of Oil Refinery(c) Bloomberg (Brett Gundlock)
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Am Sonntag wollen die Ölproduzenten in Doha ein Zeichen setzen, um den Ölpreis zu stabilisieren. Allein die Ankündigung hat den Markt seit Februar in Euphorie versetzt.

Wien.Wenn Eugen Weinberg über die Akteure auf dem Ölmarkt spricht, kann er sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Etwas viel Emotion und Glauben“, so der Seitenhieb des Ölanalysten der Commerzbank im Gespräch mit der „Presse“: „Die Erwartungen an das Treffen in Doha sind total überzogen.“

Hoch sind sie in der Tat. Allein das Faktum, dass sich am Sonntag 18 Ölförderländer in der Hauptstadt Katars einfinden, um sich zur Stabilisierung des Preises auf eine etwaige Deckelung der Förderung auf Jännerniveau zu verständigen, hatte dem Ölpreis zuletzt zusätzlich Auftrieb verliehen. Schon in den Wochen davor war er im Falle der für Europa relevanten Nordseesorte Brent vom zwischenzeitlichen Zwölfjahrestief bei 27,8 Dollar je Barrel ausgehend kräftig gestiegen. Als dann das offizielle Russland noch kundtat, dass Saudiarabien zu einer Einigung selbst dann bereit sei, wenn der Iran nicht mitmache, stachelte dies den Optimismus weiter an. Am Ende stieg der Preis auf über 42,5 Dollar – ein Plus von 60 Prozent. Die US-Sorte legte um 50 Prozent auf 40,5 Dollar zu.

Doch ganz sicher ist sich der enthusiastische Markt nicht. De facto herrscht große Nervosität. Zum einen hat der saudische Ölminister, Ali al Naimi, mit der Klarstellung ernüchtert, dass eine Einigung auf eine Förderkürzung in Doha ausgeschlossen sei. Zum anderen haben in den vergangenen beiden Tagen die Prognosen und die Fakten den Emotionen widersprochen: So rechnet die Internationale Energieagentur (IEA) für heuer nun nur mit einem Wachstum der Nachfrage von 1,16 Barrel pro Tag statt der vorjährigen Wachstumsgröße von 1,8 Millionen Barrel. Ähnlich das Ölkartell Opec.

Dazu passen auch die Daten von den US-Lagerbeständen. Statt sukzessive zurückzugehen, stiegen sie in der Vorwoche um 6,63 Millionen Barrel auf 536,5 Millionen Barrel und damit auf das höchste Niveau seit 1930 an. Analysten hatten weitaus weniger Zuwachs erwartet. Dies auch deshalb, weil die US-Produktion aufgrund der derzeit vielfach unrentablen Förderung aus Schiefergestein kontinuierlich sinkt – von ihrem Gipfel bei 9,61 Barrel pro Tag im Juni des Vorjahres ist sie auf täglich 8,977 Millionen Barrel zurückgegangen. Auch der Iran kehrt, wie man inzwischen weiß, nach der Aufhebung der Sanktionen weitaus langsamer auf den Markt zurück, als dies befürchtet worden war.

Gerade an den USA zeigt sich ein wichtiger Punkt in der ganzen Diskussion: Und zwar, dass das preistötende Überangebot nicht nur von der Überproduktion herrührt, die von Saudiarabien – und letztlich von allen Produzenten – seit zwei Jahren betrieben wird. Der Preisverfall liegt auch an der konjunkturbedingt geringeren Nachfrage. Zumindest für den Zeitraum Juni bis Dezember 2014 haben die Ökonomen Christiane Baumeister und Lutz Kilian in einer Studie gezeigt, dass der damalige Absturz des Ölpreises um 49 Dollar von zuvor 115 Dollar etwa zur Hälfte in einer schwächeren Nachfrage gründet. Die Konjunktur hat seither nicht angezogen.

Es spricht Bände, dass Russlands Ölminister Alexander Nowak nun selbst die Erwartungen an Doha bei einem Treffen mit Analysten hinter verschlossenen Türen etwas gedämpft hat. Eine mögliche Vereinbarung, so sickerte durch, würde nur vage gefasst sein mit wenigen detaillierten Verpflichtungen.

Starker Glaube an die Opec

Ohnehin ist das Ansinnen der Produzenten in gewisser Weise ein Fake. Die meisten Teilnehmer in Doha können die Produktion, die im Jänner einen Höchststand erreicht hat, ohnehin nicht ausweiten. Und weil Kürzungen nicht zur Debatte stehen, werde Doha die tägliche Überproduktion von 1,5 bis zwei Millionen Barrel nicht beseitigen, hält Vandana Hari, Asienchefin der maßgeblichen Brancheninformationsagentur Platts, in einer Analyse fest: Der rasante Preisanstieg im März habe ein weiteres Mal bewiesen, dass Emotionen auf dem Ölmarkt oft das kühle Rechnen in den Hintergrund drängen. „Das Treffen in Doha ist viel Show“, meint auch Weinberg und befindet, dass die Opec einen Weg gefunden habe, ohne Hantieren an der Fördermenge den Markt zu beeinflussen: „Ich hätte nicht gedacht, dass der Glaube an die Opec noch so stark ist.“

Hatten die Anleger vor drei Monaten noch mehrheitlich mit einem Absturz des Ölpreises auf 20 Dollar je Barrel gerechnet, erwarteten sie zuletzt 60 Dollar. Die Erwartungen an Doha haben über zwei bis drei Monate den Ölpreis getrieben und den finanziell strauchelnden Förderländern zumindest kurz mehr Einnahmen verschafft. Wenn Doha am Sonntag enttäuscht, ist Analysten zufolge auch eine Korrektur des Ölpreises auf unter 40 Dollar möglich. Eine Stabilisierung der Märkte sei vor 2017 ohnehin unwahrscheinlich, erklärte die IEA. Die Commerzbank bleibt bei ihrer nüchtern-bescheidenen Prognose, dass der Preis bis zum Jahresende auf 50 Dollar steigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2016)

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